Europas gemeinsames Future Combat Air System, kurz FCAS, droht – wieder einmal – auseinanderzubrechen. Schon seit jeher schwebt die Dissonanz zwischen den führenden Partnern Airbus und Dassault wie ein Damoklesschwert über dem Programm, doch die Bruchlinien werden seit geraumer Zeit immer offensichtlicher. Was einst mühsam zusammengenäht und vertraglich abgesichert wurde, steht jetzt wieder auf dem Prüfstand – und das liegt offenbar vor allem an Dassault-Chef Éric Trappier, der mit der Organisation der FCAS-Arbeiten ganz und gar nicht einverstanden ist.
Schon auf dem Pariser Aérosalon in Le Bourget im Juni hatte Trappier Airbus in einem Bloomberg-Interview öffentlich brüskiert und lautstark die Führungsrolle für sein Unternehmen bei der Entwicklung des neuen Kampfjets der sechsten Generation gefordert, der das Herzstück des ganzheitlich angelegten FCAS-Projekts verkörpert. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Halbjahreszahlen von Dassault am vergangenen Montag legte Trappier nun noch einmal nach – und hielt fest, dass das Konsortium in seiner gegenwärtigen Form seiner Meinung nach nicht weiterbestehen könne.
Führung statt Demokratie
Was dem Dassault-Boss vor allem sauer aufstößt, ist offenbar weniger die Verteilung der Aufgaben, bei der die Franzosen für die Entwicklung des zukünftigen Fighters ohnehin die Hauptrolle zugewiesen bekamen. Man wolle gar nicht "80 Prozent der Arbeit" übertragen bekommen. Stattdessen mokiert sich Trappier laut einem Bericht des Portals Flight Global primär an der von Airbus praktizierten Form der Projektorganisation. Airbus verfolge einen Ansatz, bei dem "alle Entscheidungen demokratisch getroffen werden sollten, wobei vor jeder Entscheidung eine Abstimmung stattfinden sollte", so Trappier. "Damit bin ich nicht einverstanden. Nennen Sie mir ein Beispiel für ein ehrgeiziges Industrieprojekt irgendwo auf der Welt, das keinen klaren Anführer hat!"
FCAS auf der Kippe
Stattdessen brauche es einen echten "Architekten", der in der Lage sein müsse, zentrale Entscheidungen im Zweifelsfall allein und ohne vorherige Abstimmungsprozesse zu treffen. Dazu zähle zum Beispiel auch die Auswahl der Zulieferunternehmen, so Trappier: "Ich möchte mir die Subunternehmer selbst aussuchen können, mit denen ich zusammenarbeiten möchte, und wenn sie die Arbeit nicht gut erledigen, möchte ich die Freiheit haben, sie zu wechseln." Ohne eine solche klare Führung werde das Projekt vor die Wand fahren. "Die Frage ist nicht, ob Dassault aussteigt oder nicht, sondern ob das Projekt fortgesetzt wird oder nicht", betonte der Franzose. "Sie müssen die Rollen und Pflichten aller klarstellen, und wir brauchen eine klare Führung." Diese Philosophie gegenüber einem Großkonzern wie Airbus durchzusetzen, sei für sein Unternehmen aber sehr schwer: "Dassault kann nicht wirklich eine Führungsposition einnehmen, wenn es mit Leuten zu tun hat, die zwei- oder dreimal so groß sind wie sie."

Frankreich entwickelte bereits die Rafale, als Pendant zum Eurofighter, im Alleingang - bald auch die nächste Fighter-Generation?
Französischer Alleingang?
Ob und wann ja, wie Airbus auf die neuerlichen Misstöne aus Frankreich öffentlich reagiert, bleibt abzuwarten. Bereits im Juni hatte sich der Chef der Airbus-Rüstungssparte, Michael Schöllhorn über die Kritik von Éric Trappier irritiert gezeigt. Dassault mache "alte Themen" wieder auf, was die Zusammenarbeit nicht einfacher gestalte. Immerhin seien die Projektverträge seinerzeit "sorgfältigst" verhandelt worden, so Schöllhorn. Die Zweifel, ob es Airbus und Dassault gelingt, beim Thema FCAS wieder auf ihren gemeinsamen Weg zurückzufinden, werden allerdings eher größer als kleiner – und das offenbar nicht nur bei Außenstehenden, sondern auch bei den Partnern selbst. So zitiert Flight Global den Dassault-Chef mit den Worten: "Wir glauben nicht an die [Managementstruktur], die beim Eurofighter verwendet wurde. Wir glauben an die Methode der Rafale, wir glauben daran, es allein zu machen."