Debakel um Hubschrauber NH90: Norwegen streitet vor Gericht

Ärger um stillgelegte Hubschrauber
Norwegen und NH90-Hersteller streiten vor Gericht

Zuletzt aktualisiert am 10.10.2024

Vernichtend, anders kann man das Urteil nicht bezeichnen, das das Verteidigungsministerium in Oslo Mitte 2022 über Norwegens NH90-Flotte fällte: "Bedauerlicherweise sind wir zu dem Schluss gekommen, dass der NH90, egal wie viele Stunden unsere Techniker arbeiten und wie viele Teile wir bestellen, niemals in der Lage sein wird, die Anforderungen der norwegischen Streitkräfte zu erfüllen." Statt der geforderten 3.900 Stunden seien die Transporthubschrauber zuletzt im Schnitt nur 700 Stunden jährlich in der Luft gewesen. Damit war das Maß für Norwegens Regierung voll: Sie zog ihre NH90 komplett aus dem Verkehr – und kauft als Ersatz die MH-60 Seahawk von Sikorsky.

Norwegen will sein Geld zurück

Parallel zur Stilllegung der NH90-Flotte kündigte Norwegen 2022 sämtliche Verträge mit Hersteller NHIndustries (NHI). Außerdem forderten die Skandinavier von NHI "die vollständige Rückerstattung aller Gelder und Vermögenswerte" – in Summe rund fünf Milliarden norwegische Kronen (490 Millionen Euro), zuzüglich Zinsen und anderer Kosten. NHI signalisierte seinerseits Verhandlungsbereitschaft über einen Kompromiss, wollte der Maximalforderung aus Oslo allerdings nicht nachkommen und sah die Bedingungen für eine vollständige Rückzahlung der bislang investierten Kosten nicht erfüllt. Beide Parteien suchten daher ihr Heil in Verhandlungen und einer Mediation, um eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. Ohne Erfolg, die Versuche schlugen fehl.

NH Industries

"Vermittlung gescheitert"

Als Konsequenz daraus sehen sich Norwegens Regierung und NHI demnächst vor einem Richter wieder. NHI-Chef Axel Aloccio erklärte am 8. Oktober in Marseille vor Journalisten, dass "die Vermittlung gescheitert" sei. "Wir haben versucht, eine Einigung zu erzielen, konnten dies aber nicht – jetzt ziehen wir vor Gericht", so Aloccio. Weitere Details zum Streit nannte der NHI-Präsident nicht. Die norwegische Behörde für Verteidigungsmaterial FMV bestätigte ihrerseits rechtliche Schritte gegen NHI und die Muttergesellschaften des Joint Ventures, das von Airbus Helicopters, Leonardo und Fokker betrieben wird.

Schon lange im Clinch

Die norwegischen NH90 lagern derweil allesamt auf dem Fliegerhorst Bardufoss, seitdem sie Mitte 2022 offiziell ausgemustert wurden. 14 Helikopter, sechs NH90 für die U-Boot-Jagd und acht für die Küstenwache, hatte Oslo 2001 bestellt. Als Lieferziel wurde im Vertrag damals das Jahr 2008 ausgegeben, allerdings hatte Norwegen bis 2022 lediglich acht Hubschrauber in voll einsatzfähiger Konfiguration erhalten.

Nach eingehender Prüfung des Falls zogen die Norweger schließlich die Reißleine. "Wir haben wiederholt versucht, die Probleme im Zusammenhang mit dem NH90 zusammen mit NHI zu lösen, aber mehr als 20 Jahre nach der Vertragsunterzeichnung verfügen wir immer noch nicht über Hubschrauber, die in der Lage sind, die Aufgaben zu erfüllen, für die sie gekauft wurden, und ohne dass NHI in der Lage war, uns realistische Lösungen zu präsentieren", begründete der Chef der Beschaffungsbehörde, Gro Jære, im Juni 2022 die Entscheidung, die NH90-Flotte zu ersetzen.