Am 26. Oktober führten die israelischen Luftstreitkräfte ihren bislang größten Luftangriff auf den Iran durch. Der Einsatz trug den Codenamen "Tage der Buße" und umfasste fast 100 Kampfjets aus verschiedenen Staffeln. Gleich in doppelter Hinsicht war der Schlag eine Antwort auf den massiven ballistischen Raketenangriff der Luft- und Raumfahrtkräfte des Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGCASF) auf Israel am 1. Oktober. An diesem Tag hatte der Iran in der im eigenen Land "Wahres Versprechen 2" genannten Operation rund 200 ballistische Mittelstreckenraketen auf Israel abgefeuert, die in drei Bezirken begrenzte Schäden und Zerstörungen anrichteten. Dennoch erwiesen sich die iranischen Flugkörper als ernsthafte Bedrohung.

Die ballistischen Raketen aus dem Iran stellen eine deutliche Herausforderung für die israelische Luftabwehr dar.
Gefahr durch ballistische Raketen
Am 13. April 2024 hatte die IRGCASF im Rahmen von "Wahres Versprechen 1" ihren ersten direkten Angriff auf Israel mit Marschflugkörpern, Einweg-Angriffsdrohnen und ballistischen Raketen durchgeführt. Während die meisten Marschflugkörper und Drohnen von amerikanischen, französischen und israelischen Kampfjets über Jordanien abgeschossen wurden, konnten einige ballistische Flugkörper aufgrund ihrer hohen Fluggeschwindigkeit die israelischen Abwehrsysteme durchdringen. Beim zweiten Angriff kamen aufgrund der gemachten Erfahrungen daher nur ballistische Raketen zum Einsatz. Obwohl ein großer Teil der 180 abgefeuerten Flugkörper die israelische Abwehr passierte, trafen die meisten keine militärischen Einrichtungen und verursachten keine nennenswerten Schäden. Auf dem Fliegerhorst Nevatim zerstörten sie jedoch einen Flugzeughangar, einen Shelter und zwei Rollbahnen. Diese Vorfälle genügten der politischen und militärischen Führung Israels, um den iranischen Raketenangriff als Akt der Aggression zu werten, der einen Vergeltungsschlag der Israel Defense Forces (IDF) erforderlich zu machen schien.
Umfangreiche Vorbereitung
Allerdings ließ sich die Führung Zeit, und gab dem Militär die Gelegenheit zur ausführlichen Vorbereitung. So fanden am 13. und 15. Oktober zwei Großeinsatzübungen statt – so geht es zumindest aus einem nachrichtendienstlichen Analysebericht der Nationalen Sicherheitsbehörde der USA (NSA) hervor. Demnach waren an diesen Manövern F-16D der Staffeln 105 und 109 aus Ramat David, F-16I der Staffeln 119, 201 und 253 aus Ramon, F-16I der Staffel 107 aus Hatzerim und F-15I der Staffel 69 aus Hatzerim beteiligt. Unterstützung leisteten drei KC-707-Tankflugzeuge der IAF-Staffel 120 und eine Gulfstream G550 Nachshon Eitan als ein luftgestütztes Frühwarn- und Führungsflugzeug (AEW&C).
Neue Waffen
Die Besonderheit lag jedoch in der Bewaffnung der Kampfjets, die aus zwei verschiedenen, bisher recht geheimen ballistischen Flugkörpern bestand. Ihre Besonderheit: sie werden von den Flugzeugen in der Luft gestartet. Den durchgesickerten NSA-Akten zufolge trugen die Teilnehmer bei jeder Übung zusammen 16 "Golden Horizon" und 40 "Rocks". Dies deutete darauf hin, dass eine ähnliche Anzahl dieser ALBMs (Air-Launched Ballistic Missile) bei dem bevorstehenden Luftangriff auf den Iran zum Einsatz kommen werde. Außer den Codenamen der neuen Waffen, und der Tatsache, dass sie schon Teil des ersten Vergeltungsschlags vom 19. April 2024 waren, ist kaum etwas über die Systeme bekannt.
Ausschaltung der Luftabwehr
Trotz des Durchsickerns sensibler Informationen über Einzelheiten der Operation "Tage der Buße" blieb Israel bei seinem Vorhaben. Allerdings wartete man bis zum Eintreffen einer THAAD-Batterie zur Raketenabwehr aus den USA (Terminal High Altitude Area Defense). Am 22. Oktober nahm die aus Fort Hood gekommene Stellung in der Negev-Wüste ihren Betrieb auf. Vier Tage später war es so weit: Um 01:45 Uhr Ortszeit am 26. Oktober begann der Angriff mit dem Abschuss von sechs Golden Horizon durch sechs F-15I über dem Zentralirak. Weniger als zehn Minuten später trafen die Raketen drei iranische Flugabwehr-Anlagen in der Nähe von Teheran und zerstörten die Überwachungs- und Zielbeleuchtungsradare von Hawk-, S-300PMU-2- und S-200VE-Batterien.

Die Patrouille einer einzelnen MiG-29 dauerte nur rund 15 Minuten. Dann kehrte der Jet zu seiner Basis Mehrabad zurück.
Iran startet Jäger
Nach dem Ende dieser ersten Phase dauerte es ganze 30 Minuten, bis sich die iranischen Streitkräfte des israelischen Luftangriffes gewahr wurden. Daraufhin erhielt die IRIAF (Islamic Republic of Iran Air Force) den Befehl, ab 03:00 Uhr Ortszeit vier Kampfjets als Überwachungspatrouille einzusetzen. Dabei handelte es sich um eine Mikojan MiG-29 (bewaffnet mit zwei R-27R und zwei R-73E) der 11. Taktischen Jagdstaffel aus Mehrabad sowie drei F-4E Phantom II. Die US-Muster kamen jeweils von der 31. TFS aus Nojeh (Shahrokhi), der 61. TFS aus Yassini und der 91. TFS aus Abdolkarimi. Während die ersten beiden Phantoms mit dem üblichen Mix aus AIM-9 Sidewinder und AIM-7 Sparrow flogen, trug die dritte Maschine nur vier AGM-65 Luft-Boden-Flugkörper.

Die F-35 trägt in Israel den Namen Adir.
F-35I im iranischen Luftraum
An der zweiten Phase des Luftangriffs änderten sie jedoch nichts. Diese begann um 03:25 Uhr und zielte auf Flugabwehr-Systeme in der Nähe der petrochemischen Anlagen von Assaluyeh im Süden des Iran. Die IAF setzte dabei 12 Rocks und weitere 14 Golden Horizon ein. Auch ein Sepehr-Frühwarnradar auf einem Berg südlich des Dorfes Marbera in der Provinz Ilam sowie ein Ghadir-Überwachungsradar nördlich von Ahvaz fielen von F-16I der 107. Staffel gestarteten Rocks und Deliah-Marschflugkörpern zum Opfer. Beide Radare spielten eine wichtige Rolle bei der Entdeckung möglicher Stealth-Ziele wie der F-35I Adir, da sie als sogenannte Überhorizontradare (Over The Horizon Radar, OTH) Echos auch ohne direkten optischen Sichtkontakt über die Erdkrümmung hinweg erfassen können. Nachdem diese Gefahr ausgeschaltet war, drangen gegen 3:25 Uhr zwei israelische F-35I für wenige Sekunden in den iranischen Luftraum ein. Sie zerstörten einen leeren Öltank in der Raffinerie von Abadan mit Präzisionsbomben, quasi als Warnung an das Regime in Teheran: Wenn nötig, wäre Israel in der Lage, die gesamte, strategisch wichtige Anlage anzugreifen.

Die Khaybar Shekan ist die Vorgängerin der Fattah-1.
Ballistische Raketen aus dem Iran
Die dritte und wichtigste Phase des Angriffs begann um 4:40 Uhr und richtete sich auf die iranische Raketenproduktion. Besonders zwei Produkte stellen eine ernsthafte Bedrohung für Israel dar. Dabei handelt sich um die "Khaybar Shekan" mit einer maximalen Reichweite von 1450 Kilometern. Der Sprengkopf sitzt in einem Hyperschall-Gleit-Vehikel (HGV), das beim Aufprall eine Höchstgeschwindigkeit von Mach 5 erreicht. Die "Fattah 1" mit einer maximalen Reichweite von 1400 Kilometern verfügt sogar über eine steuerbare Nutzlastspitze, die ihr Ziel mit bis zu Mach 10 trifft. Beide Raketen sind Produkte der Shahid Bakeri Industrial Group (SBIG) des iranischen Ministeriums für Verteidigung und Logistik der Streitkräfte (MODAFL). Sie wurden in enger Zusammenarbeit mit einem Forschungs- und Entwicklungszentrum des Raketenkommandos der IRGCASF in Bidkaneh bei Teheran und einem ähnlichen Zentrum des Raumfahrtkommandos der IRGCASF in Shahroud entworfen und entwickelt.

Bei der Fattah-1 sitzt der Sprengkopf in der Nutzlastspitze, die dank eigenem Raketenmotor steuerbar ist.
Angriffe auf Raketen-Einrichtungen
Daher nahmen die israelischen Streitkräfte die entsprechende Infrastrukturen unter Beschuss. Sechs Golden Horizon trafen Gebäude der SBIG auf dem Gelände des iranischen Verteidigungsministeriums in Parchin, in denen Feststoffraketenmotoren produziert werden. Auch der Eingang zu einer unterirdischen Testeinrichtung für nukleare Sprengköpfe soll sich unter den Zielen befunden haben. Gleichzeitig schlugen zwei von F-15D/I gestartete Golden Horizon in einer Fertigungslinie für ballistische Raketen und in einem Forschungslabor auf dem Gelände des Raumfahrtzentrums in Shahroud ein. Die Anlage ist angeblich direkt an der Massenproduktion von Fattah-1 Hyperschall-Waffen beteiligt. Außerdem griffen die israelischen Streitkräfte eine Fabrik von Taksaz Industrial Innovators im Industriebezirk Shamsabad in der Nähe des Dorfes Hasanabad-Fashafuyeh im Südwesten von Teheran ab. Die Raketen zerstörten die Hälfte der Einrichtungen und töteten einen zivilen Wachmann, der sich vor Ort befand. Nach Angaben der IDF ist das in Privatbesitz befindliche Unternehmen am Bau und Ausheben von unterirdischen Tunneln für iranische Raketenbasen beteiligt.

Der Iran verfügt angeblich nur über vier S-300-Flugabwehrsysteme. Ein Großteil davon soll nun außer Gefecht sein.
Luftverteidigung geschwächt
Wie erfolgreich die Aktionen waren, bleibt abzuwarten. Die bisherigen Satellitenbilder erlauben kaum Rückschlüsse auf die tatsächlichen Schäden. Dennoch könnte die Produktion deutlich beeinträchtigt sein. Sollten beispielsweise die Anlagen in Parchin völlig zerstört sein, so schätzt die IDF eine Unterbrechung der Fertigung jeglicher ballistischer Feststoffraketen im Iran für mindestens ein Jahr. Darüber hinaus dürfte die Massenproduktionslinie für die Fattah-1 in Shahroud für zwölf bis 18 Monate außer Gefecht sein. Als empfindlicher Verlust gilt auch die Zerstörung von Komponenten der iranischen Luftabwehr. Strategische Ziele wie die wichtigen Öl- und Gasanlagen wären bei einem erneuten Angriff schutzlos. So hofft Israel, den Iran von einem erneuten Vergeltungsschlag abzubringen.