Das DLR hat die wichtigen und lange erwarteten Heißlauftests der Ariane-6-Oberstufe am 5. Oktober in Lampoldshausen erfolgreich begonnen. Beim ersten Durchlauf, der im Auftrag des deutsch-französischen Raketenbauers ArianeGroup durchgeführt wird, standen nach Angaben des DLR das Befüllen der Stufe mit kryogenen Treibstoffen sowie ein Test des wiederzündbaren Vinci-Triebwerks im Fokus. Geprüft wurden zudem alle zur Oberstufe zugehörigen Systeme wie die Flugsoftware.
Auf dem neuen ESA-Prüfstand P5.2 können flugähnliche Bedingungen simuliert werden, einschließlich der Belastungen, denen die Oberstufe auf dem Weg ins All ausgesetzt ist. So lässt sich das Zusammenspiel aller Komponenten für die Startvorbereitung und den Flug nachweisen.
Rund 17 Stunden dauert ein Test
Die von der ArianeGroup entwickelte und gebaute Oberstufe ist sieben Tonnen schwer, hat einen Durchmesser von 5,4 Metern und ist 11,6 Meter hoch. Sie besteht aus zwei Haupttanks für flüssigen Wasserstoff und flüssigen Sauerstoff, dem neuen, bis zu viermal wiederzündbaren Vinci-Triebwerk und der APU (Auxiliary Power Unit). Letztere ernöglicht zusammen mit elektrischen Pumpen, dass die Tanks auch ohne laufendes Triebwerk bedrückt werden können. Für die Tests in Lampoldshausen kommt eine eigens für diesen Zweck in Bremen gebaute Oberstufe zum Einsatz, das sogenannte Hot-Firing-Modell (HFM). Es ist bereits seit dem 14. Februar 2021 in Lampoldshausen.





Nach Angaben des DLR sind mit der Oberstufe insgesamt bis zu drei Heißlauftests geplant. Jeder davon erfordert mehrere Wochen Vorbereitung, der eigentliche Test nimmt jeweils rund 17 Stunden in Anspruch. Dabei wird neben dem Start und dem Flug auch die Vor- und Nachbereitung der Stufe simuliert. Dazu zählt das Betanken mit flüssigem Sauerstoff und flüssigem Wasserstoff sowie das Entleeren der Tanks nach Ende des Tests. Die Ingenieure der ArianeGroup und der ESA sowie das DLR-Team in Lampoldshausen sammeln während der Versuche eine große Menge an wichtigen Daten: zum Beispiel über die ballistischen Phasen, in denen die Oberstufe ohne Schub fliegt (Coast Phase), über den Druckaufbau in den Tanks vor der Triebwerkszündung, über das Wiederzünden des Triebwerks und über die Funktion der Düsen, die der Lageregelung dienen.
Erster Test für Oberstufe und Prüfstand
"Heißlauftests sind die Königsdisziplin am Prüfstand. Sie stellen höchste Anforderungen an die Technik und sind deshalb eine besondere Herausforderung für Team und Infrastruktur", so Prof. Stefan Schlechtriem, Direktor des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe. "Außerdem testen wir zum ersten Mal in der langen Geschichte des Ariane-Programms in Europa eine kryogene Oberstufe an einem neu entwickelten Prüfstand – also eine doppelte Premiere", sagt er. Die Erkenntnisse aus diesen Tests sind wichtig, um die Ariane 6 als flugtauglich zu qualifizieren.
"Der erfolgreiche Heißlauftest ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Qualifikation der Ariane 6 und zu einem erfolgreichen Erstflug", so Pierre Godart, Geschäftsführer (CEO) der ArianeGroup GmbH. "Die Heißlauftests der Oberstufe werden parallel zu den sogenannten kombinierten Tests der Trägerrakete und des Startplatzes in Kourou durchgeführt. Wir arbeiten unermüdlich für den erfolgreichen Erstflug und die Serienproduktion der Ariane 6 und wollen so die Erwartungen der Kunden von Arianespace wie geplant erfüllen."