In etwa ein bis zwei Wochen wird es so weit sein: Die von PLD Space entwickelte Suborbital-Rakete MIURA 1 soll vom Testgelände El Arenosillo an der Südwestküste Spaniens zum Erstflug abheben. Die kleine Spanierin ist 12,5 Meter hoch, hat einen Durchmesser von 70 Zentimetern, wiegt beim Start 2550 Kilogramm und wird von einem TEPREL-B-Flüssigkeitstriebwerk (Kerosin und Flüssigsauerstoff) mit 30 Kilonewton Schub auf Meereshöhe angetrieben.
Auf ihrem Flug auf rund 150 Kilometer Höhe und zurück kann die einstufige Rakete 100 Kilogramm Nutzlast mitnehmen, beim ersten Start wird es ein Experiment des Bremer Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) sein. Am Ende ihres rund zwölf Minuten dauernden Fluges soll die kleine Suborbital-Rakete schließlich an Fallschirmen hängend im Atlantik wassern, wo sie mitsamt ihrer Nutzlast geborgen und anschließend an Land gebracht wird.

Die MIURA 1 ist zwar klein, aber besonders: Ihr Start wäre der erste einer privaten, wiederverwendbaren Rakete von Westeuropa aus. Und sie ist die Vorläuferin des zweistufigen Microlaunchers MIURA 5. Die MIURA 5 ist mit 34 Metern fast dreimal so groß wie ihre kleine Schwester, hat einen Durchmesser von zwei Metern und eine Startmasse von fast 69 Tonnen.
Künftige Starts von Kourou aus geplant
Die MIURA 5 soll bis zu 540 Kilogramm Nutzlast in den Orbit bringen können, von kleinen CubeSats bis zu 450 Kilogramm schweren Satelliten. Damit liegt sie von der Nutzlastkapazität her über der seit 2017 im Einsatz befindlichen Electron des US-neuseeländischen Raketenherstellers Rocket Lab (300 kg Nutzlast in den niedrigen Erdorbit). PLD Space schätzt das Marktsegment der Satelliten bis 500 Kilogramm auf rund 85 Prozent des weltweiten Raumfahrtgeschäfts.

Angetrieben wird die wiederverwendbare erste Stufe der MIURA 5 von fünf TEPREL-C mit insgesamt 950 kN Startschub, die Oberstufe von einem fürs Vakuum optimierten TEPREL-C mit 50 kN. Als Treibstoff sollen die Triebwerke, die nach dem Gasgenerator-Zyklus arbeiten, Biokerosin und Flüssigsauerstoff nutzen. Bis zu 15 Mission pro Jahr soll der spanische Microlauncher einmal fliegen. Die MIURA 5 soll 2025 erstmals vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana starten.
Andere europäische Wettbewerber planen die Erstflüge ihrer Microlauncher bereits in diesem Jahr, ohne den Zwischenschritt über eine Suborbital-Rakete, darunter die beiden bayerischen Start-ups Isar Aerospace und Rocket Factory Augsburg sowie das schottisch-dänische Unternehmen Orbex. "Für uns gibt es keinen Wettlauf darum, die Ersten zu sein, die etwas ins All bringen", sagt Raúl Verdú, Mitgründer und Chief Business Development Officer von PLD Space, im Gespräch mit der FLUG REVUE. "Wir gehen Schritt für Schritt vor."
Von der studentischen Raketengruppe zum Start-up
Benannt ist die MIURA-Raketenfamilie nach einer berühmten Zuchtlinie des spanischen Kampfstieres. Ähnlich angriffslustig ist PLD Space. Gegründet wurde das Unternehmen 2011. "Raúl Torres und ich beschlossen, das europäische SpaceX zu entwickeln", so Verdú. "Unser Ehrgeiz ist groß, aber die Herausforderung ist ebenfalls sehr groß", sagt er lachend. Angefangen haben die beiden mit Studentenwettbewerben zum Start von Amateurraketen. "Wir haben alles außerhalb der Universität gelernt. Das war der Keim des Unternehmens", so der Maschinenbauingenieur Verdú. Heute hat das Unternehmen 120 Mitarbeiter.
Auch wenn PLD Space auf Wiederverwendbarkeit setzt, geht es dem Unternehmen nicht um eine technologische Revolution im Raketenbau. Im Gegenteil: "Wir entwickeln State-of-the-art-Technologie", stellt Verdú klar. "Kunden suchen nicht nach einer tollen Rakete, sondern nach einem tollen Service." Um die erste Stufe wiederverwenden zu können, landet sie wie die MIURA 1 an drei Fallschirmen im Wasser und wird von einem Schiff geborgen. Eine senkrechte Landung ähnlich wie bei der Erststufe der Falcon 9 würde bei einem Microlauncher wegen des Treibstoffs die Nutzlastkapazität massiv verschlechtern.

2019 hat PLD Space zusammen mit der europäischen Weltraumorganisation ESA bei einem Abwurftest von einer Chinook aus fünf Kilometern Höhen die nötigen Technologien demonstriert. Alle Systeme und Subsysteme der MIURA-Raketen seien so entwickelt und gebaut worden, dass sie dem Salzwasser widerstehen könnten, so Verdú. "Die Herausforderung besteht darin, ein Boot mitten im Ozean zu haben und die Rakete zu bergen. Das ist gar nicht so einfach, aber billiger, als jeden Booser herzustellen." Die TEPREL-C-Triebwerke werden für drei Flüge qualifiziert. "Aber wir wissen, dass wir mehr als zehnmal pro Einheit erreichen können."
PLD Space entwickelt fast alle Elemente wie das Triebwerk, die Struktur, die Avionik, die Steuerung und die Startrampe selbst. Der Hauptsitz des Unternehmens sowie Fertigung und Endmontage befinden sich in Elche an der Südostküste Spaniens. Am Flughafen Teruel, im Nirgendwo zwischen Madrid und Barcelona, hat PLD Space seit 2015 seine Triebwerksprüfstände aufgebaut, dazu gehört auch einer für eine komplette Raketenstufe.
Keine Konkurrenz zu Arianespace
Mit der MIURA 1 will PLD Space vor allem für die laufende Entwicklung der MIURA 5 lernen. Man teste zum Beispiel beim Erstflug die Hitzeschilde und die Flugführung für den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Die Suborbital-Rakete soll höchstens dreimal fliegen, bevor die MIURA 5 zum ersten Mal abhebt. Auch wenn die beiden Raketen unterschiedliche Dimensionen aufweisen und für unterschiedliche Missionen ausgelegt sind, sei der Schritt von MIURA 1 zu MIURA 5 nicht allzu groß, so Verdú. "MIURA 1 ist keine Höhenforschungsrakete. Wir haben den gleichen Auslösemechanismus wie MIURA 5, wir haben TVC-Akutatoren [Thrust Vector Control, Schubvektorkontrolle; d. Red.], wir haben die gleiche Führung, die gleiche Avionik, den gleichen Bordcomputer, die gleiche Strukturmethodik, die gleichen Triebwerke." Was jedoch nicht mit der MIURA 1 getestet werden kann, ist die Stufentrennung sowie das Triebwerks-Clustering.

Nun muss aber erst einmal die MIURA 1 zum Erstflug abheben. Im September 2022 hat PLD Space in Teruel bereits einen kompletten Missionstest mit der integrierten Suborbitalrakete durchgeführt. Dabei wurde auf einem Prüfstand ein Flug simuliert, inklusive Zündung des Triebwerks, das 122 Sekunden lang feuerte. In Kürze soll noch ein Heißlauftest auf der Startrampe in El Arenosillo durchgeführt werden. Das Risiko, beim Erstflug zu scheitern, ist trotz des schrittweisen Vorgehens groß, das weiß auch Verdú.
Und selbst ein geglückter Erstflug ist nur die halbe Miete. "Es ist schwierig, einen Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen, aber noch schwieriger ist es, profitabel zu sein." Immerhin: Das Interesse an der MIURA 5 ist höher als erwartet, sagt Verdú. Das Marktpotenzial liegt nach Angaben von PLD Space derzeit bei rund 300 Millionen Euro.
Dass Europa bei den Trägerraketen gerade eine Krise erlebt, sei allerdings kein Vorteil für junge Raumfahrtunternehmen wie PLD Space. "Wir sind kein Konkurrent von Arianespace, ArianeGroup oder ESA. Wir ergänzen uns; wir wollen neue Kapazitäten hinzufügen. Als Neulinge können wir die aktuelle Situation etwas dämpfen. Aber mit MIURA 5 können Sie weder eine Galileo-Konstellation noch den nächsten Copernicus-Satelliten starten. Wir brauchen die Großen."