Nach 197 Tagen im All und 195 Tagen an Bord der Internationalen Raumstation ISS kann der deutsche Astronaut Alexander Gerst wie angekündigt Weihnachten zu Hause feiern. Damit ist die Horizons-Mission erfolgreich abgeschlossen. Begonnen hatte sie mit Gersts Start am 6. Juni.
Gerst und seine Teamkollegen Serena Auñón-Chancellor (NASA) und Sergej Prokopjew (Roskosmos) dockten in der Nacht von der ISS ab. Knapp dreienhalb Stunden später waren sie wieder der Schwerkraft der Erde ausgesetzt. Für Gerst war es der zweite Flug, Auñón-Chancellor und Prokopjew kehrten von ihrer ersten Mission zurück.
Im Rahmen der Horizons-Mission führte Gerst 200 Experimente auf der ISS durch. 65 davon geschahen im Auftrag der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, wovon wiederum 40 aus Deutschland kamen.
Mit dem Abdocken der drei Raumfahrer begann an Bord der ISS die Expedition 58. Die Crew dieser Mission war am 3. Dezember in Baikonur gestartet.
Intensive Betreuung am Boden

Noch heute fliegt Gerst in einem Spezialflugzeug nach einem Zwischenstopp in Norwegen weiter nach Köln. Dort wird er sich im :envihab, dem raumfahrtmedizinischen Forschungszentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), wieder an die Schwerkraft der Erde gewöhnen. Mit Ausnahme der Weihnachtsfeiertage, so es sein Zustand zulässt, wird Gerst in den kommenden Wochen rund um die Uhr von Raumfahrtmedizinern betreut werden. Im Auftrag der europäischen sowie der amerikanischen Weltraumagentur werden dabei Untersuchungen zu den Auswirkungen der Schwerelosigkeit durchgeführt. So soll anhand von Blut- und Speichelproben überprüft werden, wie sich Gersts Immunsystem durch den Aufenthalt im All verändert hat. Auch die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf die Muskelfunktionstätigkeit sind Teil der Untersuchung.
Eingehende Untersuchung der angedockten Kapsel
Im Vorfeld der Rückkehr wurde die seit Gersts Start im Juni an der ISS angedockte Sojus-Kapsel eingehend kontrolliert. Im Rahmen eines Ausstiegs aus der Internationalen Raumstation untersuchten die beiden russischen Kosmonauten Oleg Kononenko und Sergey Prokopyev einen Teil der Außenhülle der Kapsel. Hintergrund war ein Druckverlust der Station Ende August, der auf ein Leck an der Sojus zurückgeführt werden konnte. Währdend des Weltraumausstieges entfernten die beiden Kosmonauten teilweise die thermische Isolation an der Hülle. Dabei entdeckten sie ein kleines Loch, welches nach offiziellen Angaben jedoch weder für die ISS-Crew noch für die Rückkehrer eine Bedrohnung darstellte. Hintergrund war, dass das Loch sich in einem Bereich der Sojus befand, welcher nach dem Abdocken von der bemannten Kapsel getrennt wird und in der Erdatmosphäre verglüht. Insgesamt hielten sich Kononenko und Prokopyev bei ihrer Untersuchung sieben Stunden und 45 Minuten außerhalb der Station auf.
"Astro-Alex" begeistert Follower
Insgesamt hat Gerst nun 363 Tage an Bord der ISS verbracht und hält damit den Rekord der längsten Flugdauer eines europäischen Astronauten. Bereits 2014 berichtete er im Rahmen seiner "Blue Dot"-Mission von seinem ALL-Tag. Auf Twitter erreichte er mit seinem Kanal 1,25 Millionen Follower (Stand 20.12.18), welche er an "Horizons" und seinen Eindrücken aus dem Weltraum teilhaben ließ.
Sein letzter Twitter-Eintrag vor dem Abkoppeln der Sojus zeigt ein Bild der Erdoberfläche mit dem Mond im Hintergrund und ein zweites Bild aus dem Inneren der ISS. Gersts Spiegelbild ist in der Scheibe sichtbar. Dazu postete er ein Zitat des amerikanischen Dichters und Schriftstellers Henry Charles Bukowski, Jr:
"There is a place in the heart that will never be filled. A space. And even during the best moments, and the greatest times, we will know it. We will know it more than ever. There is a place in the heart that will never be filled & we will wait and wait in that space."
Sinngemäß lässt sich das Zitat folgendermaßen übersetzen: "Im Herzen gibt es einen Platz, der niemals ausgefüllt sein wird. Ein Raum. Und selbst während der besten Monemte und der schönsten Zeit werden wir es wissen – mehr als alle anderen. Im Herzen gibt es einen Platz, der niemals ausgefüllt sein wird & wir werden warten und warten in diesem Raum."
Während seines Aufenthalts umkreiste Alexander Gerst die Erde 3.152 mal und legte so in der Raumstation eine Distanz von etwa 134 Millionen Kilometern zurück.
Highlights seiner Mission lesen Sie ab dem 4. Februar 2019 in Ausgabe 3/2019 der FLUG REVUE.
UPDATE: Erstes Interview in Deutschland

Alexander Gerst landete am Abend des 20. Dezember in Köln-Bonn. Empfangen wurde er von Mitarbeitern der ESA und des europäischen Astronautenzentrums EAC, Vertretern aus Politik und Presse sowie einer jubelnden Menschenmenge. "Ich fühle mich großartig", sagte Gerst in einem am Abend seiner Landung aufgenommenen Interview im Kölner :envihab. Das erstaune ihn selbst etwas, da eine Rückkehr aus dem All keine leichte Sache sei. Die Zeit ab dem Zusammenpacken von Instrumenten und Ausrüstung auf der ISS bis zur Landung sei anstrengend gewesen. Weiterhin spricht er über das Gefühl der einsetzenden Schwerkraft: "Die Gravitation zieht einen runter. Man muss mit jeder Bewegung dagegen ankämpfen." Das Heben eines Armes beschreibt er als ein Gefühl, als ob man irgendwo festhängt. "Aber in Wirklichkeit ist es das Gewicht des Armes, das man nicht mehr gewohnt ist. Wenn man irgendetwas in die Hand nimmt, fühlt sich das drei- bis viermal so schwer an." Sogar das Laufen sei anstrengend, das Gleichgewichtsorgan müsse sich erst wieder an die Schwerkraft gewöhnen. Das kann zunächst zu einem schwankenden Gang führen.
Auch über seine Rückreise von Kasachstan nach Deutschland spricht Gerst. Nach der Fahrt mit einem Allradfahrzeug zu einem wartenden Hubschrauber folgte nach einstündigem Flug die erste Pressekonferenz. Anschließend ging es im Flugzeug in fünf Stunden zunächst nach Norwegen. Ein zweites Flugzeug brachte ihn dann nach Köln. Dem Empfang am Flughafen folgten Untersuchungen im :envihab auf dem Gelände des DLR. Auch seine nächsten Tage werden aus Untersuchungen und zwei bis drei Stunden Sport pro Tag bestehen, um die Muskelgruppen und die Bewegungskoordination zu aktivieren.
Abschließend wandet er sich an die zahlreichen Menschen, welche Anteil an seinem Aufenthalt auf der ISS genommen haben: "Ich würde mich gerne bedanken bei den Menschen, die mir gefolgt sind auf dieser Reise. Die mir erlaubt haben, ihre Augen zu sein, die auf diesen Planeten runterschauen. Die diese Perspektive einfangen, von außen herunterzuschauen und die Erde anders zu sehen, als wir sie sonst sehen."