Rund ein Jahr ist es noch bis zum Erstflug der neuen europäischen Trägerrakete Ariane 6 am 16. Juli 2020. Sie soll vielseitig einsetzbar sein, Europa im umkämpften Startmarkt wettbewerbsfähig halten und gut an die Marktbedingungen angepasst sein. Nach einigen Verzögerungen hat Arianespace Anfang Mai nun bei der ArianGroup die ersten 14 Raketen in Auftrag gegeben. Sie sind für Starts von 2021 bis 2023 vorgesehen, parallel zu acht Ariane-5-Starts aus dem letzten Produktionslos.
Weitere Starts ab 2021
Die Produktionsfreigabe erfolgte gerade noch rechtzeitig, um im April 2021 den Start von zwei Galileo-Satelliten sicherzustellen. Voraussetzungfür den Baubeginn war ein "Beschluss des Rates der Europäischen Weltraumagentur ESA zu den Betriebsbedingungen am 17. April", wie es etwas verklausuliert heißt. Darin erhält die ArianeGroup wohl finanzielle Zusicherungen für den Fall, dass die von institutionellen europäischen Nutzern lange verprochenen insgesamt sieben Startaufträge weiter auf sich warten lassen. Genaue Details werden wohl erst nach der ESA-Ministerkonferenz im November bekannt werden, doch könnte es zum Beispiel zusätzliche Mittel für den Teststart der Ariane-Version 64 (vier Booster) geben.

Weitere Aufträge dringend gesucht
Mit dem Bau des ersten Ariane-6- Loses geht die Industrie dennoch ins Risiko, denn bislang verläuft die Vermarktung äußerst zäh: es sind erst fünf Startaufträge vorhanden. Kunde für den Erstflug ist OneWeb. Der Betreiber von Satelliten für ein globales Internet-Netzwerk hat laut Arianespace an zwei weiteren Starts Interesse bekundet. Daneben soll die neue Rakete 2021 zwei Galileo-Missionen (je zwei Satelliten)fliegen und den französischen Spionage- satelliten CSO-3 ins All bringen, der ursprünglich auf der Ariane 5 gebucht war. Eutelsat wird im Rahmen eines Generalvertrags auch die Ariane 6 nutzen. Dazu kämen eventuell die europäischen Forschungssonden Juice und Euclid.

Mitbewerber holen auf
Weitere Startaufträge für die 14 Raketen kann Europas neues Flaggschiff also dringend gebrauchen, um die angestrebte hohe Startrate zu erreichen und damit wirtschaftlich produzieren zu können. Die Konkurrenz schläft nämlich nicht: Immer mehr kommerzielle Startbetreiber unterbieten sich mit immer nied- rigeren Preisen.Raketenstarts werden von etlichen Ländern angeboten: Neben Europa und den USA können beispielsweise auch Starts in Russland, Japan, Neuseeland, China oder Indien gebucht werden. Der Betreiber eines Satelliten hat heutzutage also viele Auswahlmöglichkeiten. Beschränkungen gibt es hinsichtlich des Gewichts und des Zielorbits, dennoch ist das Angebot groß. Dies macht sich auch im Preis bemerkbar. Die US-amerikanische Schwerlastrakete Falcon Heavy kann bis zu 63800 Kilogramm in einen niedrigen Erdorbit bringen, ihre Schwesterrakete Falcon 9 schafft 22800 Kilogramm. Nach Preisangaben auf der Website von SpaceX kassiert das Unternehmen für die Falcon Heavy pro Start 90 Millionen US-Dollar, ein Start mit der Falcon 9 schlägt mit 62 Millionen Dollar zu Buche.

Weniger Nutzlast als Falcon 9 von SpaceX
Auf dem anderen Ende der Preisskala bewegt sich das neuseeländisch-amerikanische Unternehmen Rocket Lab. Es bietet eine Startmöglichkeit für kleine Satelliten bis 150 Kilogramm zu einem Kampfpreis von fünf Millionen Dollar pro Start an.
Die Ariane 6 muss sich also gut positionieren, um den Anschluss nicht zu verlieren, auch wenn sie mit weiteren Kriterien wie ihrer Zuverlässigkeit punkten möchte. Deshalb werden die Startpreise für die neue Rakete sinken und ein Start etwa 40 Prozent günstiger angeboten werden als ein Transport mit der Ariane 5. Je nach Version kann die Ariane 6 mit höchstens 7000 Kilogramm beziehungsweise 16000 Kilogramm etwas weniger Nutzlast mitführen als die Falcon 9. Kleinere Satelliten bis 200 Kilogramm lassen sich huckepack mit der Hauptnutzlast transportieren. Um konkurrenzfähig zu bleiben, sind Flüge mit der Ariane 5 heute bereits zu Startpreisen des Nachfolgemodells im Angebot.
Die Startanlage soll noch 2019 fertig sein
Das Startgelände für die Ariane 6 in Kourou ist mit 170 Hektar fast so groß wie das Fürstentum Monaco und befindet sich vier Kilometer vom Startplatz der Ariane 5 entfernt. 18 Hektar sind bebaut, das entspricht etwa der Größe von 25 Fußballfeldern. Drei Hauptgebäude bestimmen das Gelände, an dem seit gut anderthalb Jahren gebaut wird.

Der Zusammenbau der Rakete erfolgt vor Ort im Vehicle Assembly Building. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin erfolgt die Montage hier in horizontaler Lage, was die Arbeiten erleichtert. Anschließend kommt die Ariane 6 in die 90 Meter hohe mobile Montagehalle. Dort wird die dann aufgerichtete Rakete mit der Nutzlast und den Feststoffboostern aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) bestückt. Die Konstruktion soll 8200 Tonnen wiegen, seit November 2018 ist das Grundgerüst fertiggestellt. Vor dem Start wird die auf Schienen gelagerte Halle nach hinten gefahren und gibt die Rakete auf der Startrampe frei. Arbeiten an der Rakete sollen so bis kurz vor dem Start möglich sein. Für September dieses Jahres ist die technische Qualifikation des Startgeländes geplant. Ab 2020 kann die Ariane 6 dann zeigen, was in ihr steckt.