OSIRIS-REx
Asteroiden-Jäger

Die NASA-Sonde OSIRIS-REx ist nicht das erste Raumfahrzeug, das auf Tuchfühlung mit einem Asteroiden geht. Aber sie soll mehr Gestein und Staub zurück zur Erde bringen als bisherige Missionen.

Asteroiden-Jäger

Er hat einen Durchmesser von rund 500 Metern, wiegt geschätzte 77,6 Millionen Tonnen und ist auf Kollisionskurs mit der Erde: der Asteroid Bennu. Alle sechs Jahre nähert er sich unserem Planeten bis auf knapp 450 000 Kilometer. Zum Vergleich: Die mittlere Entfernung zwischen Erde und Mond beträgt 384 400 Kilometer. Im späten 22. Jahrhundert könnte Bennu auf der Erde einschlagen, prognostizieren Wissenschaftler. Bis dahin ist zwar noch Zeit, dennoch kann es nicht schaden, sich so früh wie möglich mit dem außerirdischen Störenfried auseinanderzusetzen.

Die Grundlagen dafür soll die am 8. September von Cape Canaveral aus gestartete NASA-Sonde OSIRIS-REx liefern. Rund eine Milliarde US-Dollar (rund 890 Mio. Euro) lässt sich die US-Raumfahrtbehörde die Mission kosten. „Es ist der Beginn einer sieben Jahre dauernden Reise, an deren Ende Proben von Bennu zur Erde gebracht werden“, sagt Dante Lauretta, Principal Investigator von OSIRIS-REx und Professor für Planetenforschung und Astrochemie an der University of Arizona in Tucson. Mehr als sieben Milliarden Kilometer wird die Sonde dafür zurücklegen, ein Swingby-Manöver um die Erde im September 2017 inklusive.

OSIRIS-REx steht für die Missionsziele „Origins, Spectral Interpretation, Resource Identification, Security-Regolith Explorer“. Durch die Entnahme und Analyse von kohlenstoffreichen Proben sollen die Ursprünge des Asteroiden entschlüsselt und dadurch Erkenntnisse über die Entstehung von Leben auf der Erde gewonnen werden. Die direkte Erkundung dient zudem der Verifikation der Teleskop-Beobachtungen von der Erde aus. Die Sonde soll auch die chemische Zusammensetzung des kompletten Asteroiden sowie des Oberflächenmaterials, Regolith genannt, bestimmen. Nicht zuletzt wollen die NASA-Wissenschaftler die Impaktwahrscheinlichkeit genauer eingrenzen.

Denn die Umlaufbahn eines Asteroiden wird nicht nur durch die Anziehungskraft der Sonne und anderer Planeten bestimmt, sondern auch durch die ungleichmäßige Erwärmung seiner Oberfläche. Die Stärke dieses nach dem polnisch-russischen Ingenieur Iwan Jarkowski benannten Effekts ist unter anderem abhängig von Form, Beschaffenheit und Rotation des Asteroiden – Daten, die sich von der Erde aus nicht mit letzter Genauigkeit erheben lassen, die aber wichtig für mögliche Abwehrmaßnahmen sind.

Für die Untersuchung von Bennu hat OSIRIS-REx fünf wissenschaftliche Instrumente an Bord: die Kameraanlage OCAMS, bestehend aus einem 20-Zentimeter-Teleskop, einer Vier-Farben-Kamera zur Kartografierung der Oberfläche und einer Kamera zur Beobachtung der Probeentnahme, den Laserhöhenmesser OLA zur Messung des Abstands zur Asteroidenoberfläche, das Wärmeemissionsspektrometer OTES, das Informationen über die Temperatur zur Verfügung stellt, das Spektrometer OVIRS für sichtbares und Infrarotlicht, das der Identifizierung von mineralischem und organischem Material dient, sowie das Regolith-Röntgenspektrometer REXIS zur Bestimmung der chemischen Elemente auf der Oberfläche. Die wohl wichtigsten Bauteile von OSIRIS-REx sind aber der Roboterarm TAGSAM (Touch-and-Go Sample Acquisition Mechanism) und die Rückkehrkapsel SRC (Sample Return Capsule). Erst sie ermöglichen es, auf der Asteroidenoberfläche Gestein und Staub zu sammeln und zurück zur Erde zu bringen.

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Fünf Sekunden Kontakt mit der Oberfläche

60 bis 2000 Gramm Material erhoffen sich die amerikanischen Wissenschaftler von OSIRIS-REx; deutlich mehr als die 1500 winzigen Staubpartikel, die die japanische Hayabusa-1-Sonde bereits 2010 vom Asteroiden Itokawa mitbrachte und auch mehr als die vermutlich nur wenige Gramm umfassende Probe der Nachfolgesonde Hayabusa 2, die momentan auf dem Weg zum Asteroiden Ryugu ist. Ähnlich wie die japanischen Raumfahrzeuge wird OSIRIS-REx dabei nicht auf dem Untersuchungsobjekt landen.

„Anstatt auf Bennu zu landen und die Sonde unter Mikrogravitation auf dem Asteroiden verankern zu müssen, können wir dank des eleganten Mechanismus mit wenigen beweglichen Teilen einfach kurz die Oberfläche berühren und uns dann wieder entfernen“, sagt Ed Beshore, stellvertretender Principal Investigator von OSIRIS-REx. Am Ende des von Lockheed Martin entwickelten TAGSAM-Arms befindet sich ein ringförmiger Behälter. Sobald er mit der Asteroidenoberfläche Kontakt hat, wirbelt reiner Stickstoff das Regolith auf und drückt es in den Probenkopf. Drei bis fünf Sekunden dauert ein solches Manöver.

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Zuvor muss allerdings eine geeignete Stelle für die Probenahme gefunden werden. Sie muss für das Raumfahrzeug sicher erreichbar und wissenschaftlich sinnvoll sein, also organisches Material oder Hinweise auf Wasser bieten. Dafür wird OSIRIS-REx von Oktober 2018 an den Asteroiden aus drei verschiedenen Perspektiven – hyperbolische Überflüge, niedrige Umlaufbahn und stationäre Position – fast zwei Jahre lang kartografieren und die chemische Zusammensetzung untersuchen. Im Juli 2020 wird die Sonde dann für den Kontakt mit Bennu in Position gebracht. Die Mitarbeiter im NASA-Kontrollzentrum führen mehrere Annäherungen durch, bevor der eigentliche, mehrstündige Abstieg zur Oberfläche mit einer Geschwindigkeit von etwa zehn Zentimetern pro Sekunde beginnt. Bis zu drei Kontaktmanöver sind möglich, dann ist der Stickstoffvorrat aufgebraucht. 

Wenn genügend Gestein gesammelt wurde, verstaut der Roboterarm die Probe in der Rückkehrkapsel. Das Fenster für den Rückflug von OSIRIS-REx zur Erde öffnet sich im März 2021. Dann wird die Sonde ihre Haupttriebwerke zünden, um in eine ballistische Bahn zu kommen, die sich im September 2023 mit der Umlaufbahn der Erde um die Sonne kreuzt. Vier Stunden vor dem Eintritt in die Atmosphäre trennt sich die Kapsel ab, während OSIRIS-REx auf einen stabilen Orbit um die Sonne gelenkt wird. Die 46 Kilogramm schwere Rückkehrkapsel ist mit Hitzeschilden versehen, die die wertvolle Fracht beim Wiedereintritt schützen. Ein Fallschirm bremst die Kapsel auf den letzten 3000 Metern, bevor sie am 24. September 2023 in der Wüste in Utah landen soll. Danach beginnt die auf zwei Jahre angesetzte wissenschaftliche Analyse der Mitbringsel aus dem All. 

Auch wenn die NASA Bennu als potenziell gefährlich klassifiziert hat, brauchen wir uns übrigens keine Sorgen zu machen: Die Wahrscheinlichkeit eines Impakts liegt bei gerade einmal 1:2700. „Es wäre eine große Naturkatastrophe. Die Auswirkungen wären noch hunderte Meilen entfernt spürbar. Doch die Erde würde größtenteils unversehrt bleiben, mit einer Ausnahme – dem Bennu-Einschlagskrater“, so Lauretta.

FLUG REVUE Ausgabe 11/2016

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