SpaceShipTwo - Wie geht es nach dem Absturz weiter

Rückschlag für Weltraumtourismus
SpaceShipTwo: Wie geht es nach dem Absturz weiter?

Zuletzt aktualisiert am 25.05.2015

Weltraumtourismus

Hatten anfangs die Testflüge des futuristischen Trägerflugzeugs WhiteKnightTwo (VMS Eve) mit dem Raketenflugzeug SpaceShipTwo (VSS Enterprise, N339SS) noch große mediale Aufmerksamkeit gefunden, so war es in letzter Zeit um das Projekt ziemlich ruhig geworden. Auch der Start am 31. Oktober 2014 fand in aller Stille statt. Es war der erste Start des SpaceShipTwo mit einem modifizierten Triebwerk.

Dann passierte es: Kurz nach dem Ausklinken vom Mutterschiff in 50 000 ft (15 240 m) Höhe zündete die Enterprise ihr Bordtriebwerk und zerbrach beim Beschleunigen. Trümmer regneten vom Himmel, der Testpilot von Scaled Composites, Peter Siebold, wurde aus dem Luftfahrzeug herausgeschleudert, konnte sich von seinem Sitz losschnallen und landete am automatisch ausgelösten Fallschirm wie durch ein Wunder „nur“ schwer verletzt. Sein Copilot Michael Alsbury kam bei dem Unglück ums Leben. Das Trägerflugzeug landete unbeschadet. Die amerikanische Transportsicherheitsbehörde NTSB nahm die Untersuchungen auf. Sie sammelte die in einem Umkreis von über acht Kilometern verstreuten Wrackteile ein und brachte sie zur Untersuchung in einen gesicherten Hangar. Da der Flug per Telemetrie und von mehreren Kameras verfolgt wurde, kann das NTSB nach eigenen Angaben auf eine sehr große Datenmenge zurückgreifen, die ihr bei der Aufklärung des Unglücks helfen. Nach ersten Erkenntnissen der Unfallforscher hat sich der bewegliche Doppelleitwerksträger des Fluggeräts kurz nach dem Zünden des Triebwerks nach oben gestellt und damit die Struktur überlastet. Daraufhin brachen das Leitwerk, die Cockpit- und die Kabinensektion ab. Der Leitwerksträger wird bei einem normalen Flug erst in großer Höhe außerhalb der Beschleunigungsphase per manueller Auslösung in die „Feathering“-Stellung gebracht. Warum er sich bei dem Unglücksflug zum falschen Zeitpunkt nach oben stellte, steht nun im Fokus der Unfallermittler.

Mit dem Absturz erlitt der große Traum, einem jeden, der es sich leisten kann, für ein paar Minuten den Blick in die Schwärze des Weltraums und das Schweben in der Schwerelosigkeit zu bieten, einen schweren Rückschlag. Dabei hatte alles so gut begonnen, als Peter Diamandis und Gregg Maryniak 1996 die New Spirit of St. Louis Organization ins Leben riefen. Diese lobte den X-Prize in Höhe von zehn Millionen Dollar für denjenigen aus, der als Erster einen privaten bemannten und suborbitalen Raumflug zu folgenden Bedingungen durchführen würde:

■ Das Raumfahrzeug musste privat entwickelt und gebaut werden.
■ Es musste zweimal in 14 Tagen eine Höhe von mindestens 100 Kilometern erreichen;
■ dabei sollten sich ein Pilot und zwei Passagiere beziehungsweise jeweils 90 Kilo­gramm Ballast an Bord befinden.
■ Es musste zum überwiegenden Teil wiederverwendbar sein, und schließlich
■ mussten die Flüge bis zum 1. Januar 2005 realisiert werden.

Das war genau die richtige Herausforderung für den exzentrischen Konstrukteur Burt Rutan, der bis dahin bereits mit zahlreichen futuristischen Flugzeugmustern aufgefallen war, die bei Amateurflugzeugbauern großen Anklang fanden. Rutans Unternehmen Scaled Composites beteiligte sich als eines von 26 Teams an der Ausschreibung und gewann den Wettbewerb.

Ein Testflug mit dem SpaceShipOne fand erfolgreich am 27. Juli 2004 statt; die beiden für die Qualifikation erforderlichen Flüge folgten am 29. September und am 4. Oktober jenes Jahres.

Richard Branson indessen hatte wieder einmal den richtigen Riecher. Er tat sich mit viel Geld mit Rutan zusammen, und beide gründeten im September 2004, noch bevor über den Sieger des X-Preises entschieden worden war, das Unternehmen Virgin Galactic mit dem Ziel, tatsächlich vielen Menschen einen kurzen Blick ins Weltall zu erlauben.

Die Namen dieser beiden Erfolgsmenschen standen für sich, die Fluggeräte, die aussahen, als stammten sie aus Science-Fiction-Filmen, weckten die Sehnsucht nach dem Abenteuer. Was also sollte Menschen davon abhalten, sich selbst einmal auf diese Reise zu begeben, was konnte schon schiefgehen?

Anfang 2006 gab Branson bekannt, dass sich bereits 150 Kunden für eine feste Reservierung eines 15-Minuten-Fluges hatten eintragen lassen; 45 000 weitere Interessenten stünden auf der Liste. Alles in allem hatten die „Raumflug“-Aspiranten voller Vertrauen auf das baldige Gelingen des ehrgeizigen Vorhabens schon 13,1 Millionen Dollar an Kautionen hinterlegt.

Kunden werden weiter gelockt

Der Milliardär schürte den Hype noch mit der Ankündigung, er werde mit seiner kompletten Familie, einschließlich des damals 91-jährigen Vaters, beim ersten Flug dabei sein, und warb mit den Schönen und Reichen – allen voran Hollywoods Traumpaar „Brangelina“ – um weitere Teilnehmer. Skeptiker indessen wurden weitgehend totgeschwiegen, Kritik an dem ganzen Projekt war nicht zugelassen. Bei einem jedenfalls, den er zu gern als Galionsfigur für Virgin Galactic gehabt hätte, biss Branson auf Granit: William Shatner antwortete rundheraus, er würde zwar nicht ungern in die Maschine steigen, doch, so setzte der als Captain Kirk aus der TV-Serie „Raumschiff Enterprise“ bekannt gewordene Filmstar fort, „... nur wenn man mir garantiert, dass ich auch sicher wieder auf die Erde zurückkehre“.

Damit hatte das Unternehmen einige Probleme, die gar nicht so leicht zu beseitigen waren. Die Tatsache, dass Branson alle Mitflieger nach der Landung zu Astronauten erklären wollte, stieß bei der Internationalen Raumfahrervereinigung ASE (Association of Space Explorers) sofort auf energischen Widerstand, doch das war von den Problemen das kleinste. Nunmehr sollen sich also die Teilnehmer als „Privatastronauten“ bezeichnen dürfen.

Schwieriger gestalteten sich da schon die Verhandlungen mit den Versicherungsgesellschaften, die letztendlich ergebnislos verliefen. Derzeit sieht es so aus, als müssten all jene, die sich auf dieses Abenteuer einlassen wollen, auf eigene Verantwortung mitmachen. Ungeklärt sind auch die Fragen eines möglicherweise erforderlichen Einsteigertrainings, der medizinischen Eignungskriterien und vor allem der Luftfahrtzulassung für das SpaceShip.

All das wischte Branson als unerheblich vom Tisch und schuf ein Netzwerk von Tochterfirmen, wie beispielsweise mit der Gründung der Spaceship Company im Juli 2005, bei der das Mutterunternehmen gleich fünf Raumflugzeuge VSS (Virgin SpaceShip) und zwei Trägermaschinen VMS (Virgin MotherShip) bestellte. Zudem vereinbarte Virgin Galactic mit der Regierung des US-Bundesstaates New Mexico den Bau des Weltraumbahnhofs „Spaceport America“ mit Anfangsinvestitionen in Höhe von 200 Millionen Dollar, dafür genauso futuristisch wie die Fluggeräte.

Gleichzeitig verlegte das Unternehmen sein Hauptquartier dorthin und errichtete ein Kontrollzentrum für die künftigen Flüge. Das Testprogramm der Fluggeräte kam jedoch nur sehr schleppend voran. Seit dem ersten Solo-Gleitflug des Vehikels im Oktober 2010 fanden 21 weitere Flüge statt, nur vier davon als vom Bordtriebwerk angetriebene. Der vierte davon endete in der Katastrophe.

Damit rückt der angestrebte „Linienflugbetrieb“ von Virgin Galactic vorerst in weite Ferne, auch wenn das Unternehmen nach dem Unfall die Endmontage des zweiten SpaceShipTwo in Mojave, Kalifornien, beschleunigen will. Wie lange Branson seine prominenten Zugpferde noch bei der Stange halten kann, ist ungewiss. Vor allem aber teilen sie einmütig William Shatners Meinung: Sie alle wollen sicher wieder ‘runterkommen.

FLUG REVUE Ausgabe 01/2015