Scharf pfeift der Wind an diesem Dienstagmorgen über die Lechstaustufe, nördlich von Landsberg in Oberbayern. Am Himmel hängen dunkle Wolken: nichts mit Sonne satt und Badewetter! Aber zum Baden sind die Handvoll Bundeswehrsoldaten, die vom nahen Fliegerhorst Lechfeld angefahren kommen und an der Staumauer Stellung beziehen, auch nicht hier. Sie warten auf die beiden CH-53, deren fernes Wummern sich bereits akustisch in die pfeifenden Windböen mischt, und die in wenigen Minuten am Lech ihren großen Auftritt haben. Die Übung "Clear Water Lechfeld" steht an: Crews des Hubschraubergeschwaders 64 aus Laupheim üben das Feuerlöschen aus der Luft. Mit 5.000 Liter-Eimern am Haken mutieren Deutschlands größte Drehflügler am Lech zu Wasserbombern.

Eimerweise Lechwasser
Schon nähert sich die erste CH-53 von Südwesten. Am Lastenseil baumelt ein feuerroter SEMAT F 5000-Löschbehälter der Feuerwehr Bad Tölz-Wolfratshausen. Gleich wird der Transporthubschrauber über dem Stausee einschweben und seinen roten Eimer in die Wasseroberfläche drücken. Die Windrichtung im Blick, umkurven die Piloten die anvisierte Stelle und drehen dann im Tiefflug von Norden her ein. Ihre Außenlast können sie dabei vom Cockpit aus nicht sehen. "Stattdessen koordiniert der Bordtechniker im Laderaum die Wasseraufnahme und sagt den Piloten an, wo sich der Behälter gerade befindet", erklärt Leutnant Stefan Locherer, Presseoffizier des HSG 64 in Laupheim. "Der Bordtechniker hat den Feuerlöschbehälter im Auge und kann ihn per Handsteuerung öffnen und schließen", so Locherer weiter. "Über dem Zielgebiet öffnet er den Behälter auf Kommando des Piloten."

Warum ist das Fahrwerk draußen?
Soweit allerdings ist die Crew der CH-53 mit dem Taktischen Kennzeichen 84+24 jetzt noch nicht. Gerade lässt sie ihren Hubschrauber wenige Meter über der Wasseroberfläche schweben, damit der Eimer mit Lechwasser vollläuft. Aufsprühende Gischt hüllt das dunkelgrüne Ungetüm in einen feinen Nebel, das Dröhnen des von zwei GE T64-Turbinen beschleunigten Hauptrotors lässt Enten und Schwäne am nahen Ufer Deckung suchen. Das Fahrwerk bleibt bei der Wasseraufnahme stets ausgefahren – aus Sicherheitsgründen. "So können wir immer schnell und unvorbereitet landen, falls dies erforderlich sein sollte", unterstreicht Presseoffizier Locherer.

Im ständigen Austausch
Während die CH-53 auf dem Lech noch ihren Löschbehälter füllt, sind an der Abwurfzone bereits Videokameras auf die Zielobjekte gerichtet. Sie filmen den Einsatz der Crews und helfen so bei der anschließenden Evaluation. "Die Aufnahmen werden den Besatzungen gleich nach dem Abwurf zugesandt", betont Leutnant Locherer. "So können sie anschließend Manöverkritik üben, um beispielsweise festzustellen, weshalb das Ziel nicht getroffen wurde." Wo und wie genau die Hubschrauber ihr Wasser abregnen sollen, entscheidet im Ernstfall der Einsatzleiter der Feuerwehr. Genaue Absprache mit den Bodenkräften ist allein schon deshalb unabdingbar, weil eine Wassermenge von fünf Tonnen, unplatziert abgeworfen, für Menschen am Boden zur Gefahr für Leib und Leben wird. "Es kommt auch vor, dass ein Beobachter der Feuerwehr in der CH-53 mitfliegt, damit er die Lage besser beurteilen kann", ergänzt Presseoffizier Locherer.

Flexible Szenarien
Heute, beim Training, ist das nicht der Fall. Nach nicht ganz 40 Sekunden im Wasser ist der SEMAT-Behälter der 84+24 voll. Vorsichtig hebt sich die CH-53 wieder empor, bewegt sich dann mit einer Fluggeschwindigkeit von bis zu 100 Knoten (185 km/h) in Richtung Zielgebiet. Die eigentliche Löscharbeit erfolgt – je nach Auftrag – bei 30 bis 60 Knoten (55 bis 111 km/h). "Ist es erforderlich, wenig Wasser auf eine große Fläche zu verteilen, wird schneller geflogen. Soll viel Wasser auf eine kleine Fläche gebracht werden, entsprechend langsamer", so Leutnant Locherer. Punktuelles Abregnen aus dem Schwebeflug ist ebenfalls möglich, etwa wenn es darum geht, Vorratsbehälter aus der Luft zu füllen. Allerdings: "Je langsamer und tiefer ein Hubschrauber dieser Größe fliegt, desto stärker ist der Rotorabwind, der auf den Boden trifft und damit im ungünstigsten Fall das Feuer wieder anfacht."

Wind und Wetter
Apropos Wind: Der kann beim Löscheinsatz sowohl hinderlich als auch hilfreich sein. "Einerseits kann Gegenwind im Endanflug den Auftrieb erhöhen und man nutzt so beim Abregnen die Leistung des Hubschraubers maximal aus", erklärt der Presseoffizier. Andererseits sorgt Wind in Verbindung mit Rauch aber auch für schlechte Sicht – und trübt so den genauen Blick auf den Brandherd. Die Böen, die heute übers Lechfeld wehen, tangieren die CH-53 wenig. Erst ab Windgeschwindigkeiten von 40 Knoten (74 km/h) wird es brenzlig für das Arbeitspferd aus Laupheim. Wechselnde Wind- und Wetterbedingungen fordern den Crews dennoch Konzentration und fliegerisches Können ab – das ist mit ein Grund, warum das Fliegen mit Außenlast schon sehr früh Teil der fliegerischen Ausbildung ist. Gewisse Grundlagen lassen sich dabei auch im Simulator nachempfinden. Feuerlöscheinsätze zählen nicht dazu.

Hubschrauber mit "Bambi Bucket"
Etwa 60 Minuten beträgt die Flugzeit einer CH-53 bei der Brandbekämpfung – ist eine Tankmöglichkeit am Landeplatz vorhanden, lässt sich die Spanne bei Bedarf auf maximal 100 Minuten ausdehnen. Inzwischen ist mit der 84+48 eine zweite CH-53 im Übungsgebiet aufgetaucht. Sie ist mit einem faltbaren Löschbehälter "bewaffnet", dem sogenannten "Bambi Bucket". Der fasst ebenfalls 5.000 Liter – kann mithilfe eines Schnürsystems aber bis auf 7.600 Liter vergrößert werden. Für die CH-53 wäre das zu viel: Die 7.600 Liter sind reserviert für das designierte Nachfolgemuster, die Boeing CH-47F Chinook. Der "Bambi Bucket" unterscheidet sich auch technisch vom SEMAT F 5000: Er schickt beim Öffnen des Behälters einen geschlossenen Wasserstrahl zu Boden, während beim SEMAT das Wasser ringförmig austritt, was einen fein zerstäubten Wasserfächer produziert.

Regen im Anmarsch
Im steten Wechsel schöpfen die beiden Hubschrauber nun das Wasser aus dem aufgestauten Lech, fliegen mit ihren vollen Eimern ins Zielgebiet, lassen es regnen, kehren zurück zum Wasserfassen. Der Blick der Bundeswehrsoldaten auf der Staumauer, die das Geschehen mitverfolgen, richtet sich derweil schon Richtung Horizont: Immer dunkler und immer bedrohlicher wälzen sich dort die Wolken, rotten sich zusammen zu einem veritablen Gewitter. Der Wind frischt noch einmal auf, pustet die ersten "echten" Regentropfen ins Gesicht. Dann prasseln die Schauer auch schon übers Lechfeld herein – und die Hubschrauber setzen zur Landung an. Abbruch. Mittagspause. Wo es regnet, braucht man nicht zu löschen. Aber am Nachmittag geht`s wieder weiter. Und an den Folgetagen auch: "Clear Water" ist schließlich nur einmal im Jahr!