Großer Bahnhof bei Boeing in Everett: Mit einem festlichen Empfang in Anwesenheit des mittlerweile 93 Jahre alten, aber noch immer hellwachen 747-Konstrukteurs Joe Sutter ehrte Boeing am 28. Juni den Groß- und Stammkunden Lufthansa. Schließlich übernahm die deutsche Airline mit der 747-8, D-ABYP, ihren bereits 76. Jumbo Jet und, erstmals im Markt der Großraumflugzeuge, das 1500. Flugzeug einer Flugzeugfamilie. „Wir stehen langfristig zu diesem Flugzeug und sehen eine starke Zukunft für dieses Programm. Sie ist Teil unseres Angebots noch über viele Jahre“, stellte Boeing-Programmvorstand Eric Lindblad klar. „Dieses Flugzeug verkörpert den modernsten Stand der Technik: Der Flügel entspricht der jüngsten Generation der 787, und auch die Triebwerke sind die effizientesten, die es gibt.“ Boeing investiere weiter in die 747-8 und verbessere sie ständig. Die Verbrauchswerte der 747-8 seien pro Sitz 16 Prozent geringer als die der 747-400. Und die jüngste 747-8 verbrauche wiederum rund 3,5 Prozent weniger als das erste Flugzeug der neuen Generation. Nach Auswertung der Strukturtests und nach rund 400 000 Flugstunden mit der 747-8 habe der Hersteller weitere Optimierungsmöglichkeiten ausgemacht: So könne man die Zelle noch weiter abspecken. In diesem Jahr seien nach bereits erreichten 4,1 Tonnen weitere 450 Kilogramm geplant, und die Reichweite lasse sich bei Bedarf noch auf 14 500 Kilometer steigern. Dies reiche für Strecken wie Dubai – Los Angeles. Außerdem wolle Boeing die Verkleidungen der Flügelwurzel und das Heck aerodynamisch optimieren und möglicherweise noch die Triebwerksverkleidungen und das Höhenleitwerk.
Boeing verhandele derzeit mit mehreren Kunden und hoffe auf baldige neue Vertragsabschlüsse. In den Jahren 2014 und 2015 baue man jeweils 1,5 Flugzeuge pro Monat. Aber 2016 sei wieder eine Erhöhung auf 1,5 bis 1,75 Flugzeuge pro Monat denkbar, da auch der Frachtmarkt seine Talsohle durchschritten habe und langsam neue Nachfrage erzeuge.
Nico Buchholz, oberster Flugzeugbeschaffer des Lufthansa-Konzerns, erinnerte daran, dass die Airline schon 76 Flugzeuge der unterschiedlichen Jumbo-Generationen übernommen habe. „Die 747-8 ist ein besonderes Flugzeug. Sie ist mehr als eine verlängerte 747-400. Mit der A380 wird sie das Lufthansa-Flaggschiff.“ Der 747-8 bescheinigte Buchholz eine hohe Einsatzzuverlässigkeit von 99 Prozent und Boeing, nach den jüngsten Upgrades, die Einhaltung der versprochenen Leistungswerte. Buchholz hat immerhin 19 Boeing 747-8 fest bestellt. Dagegen orderte Lufthansa nur 14 Airbus A380. Der 747-8-Frachter sei mit 150 Tonnen Kapazität „zu groß“ für Lufthansa, sagte Buchholz. Hier bevorzuge er die etwas kleinere 777F mit 110 Tonnen Nutzlast.
„1970 habe ich als Kind am Zaun in Hamburg gestanden, als wir die erste 747 übernommen haben“, erinnert sich Lufthansa-Flugbetriebsvorstand Uwe Strohdeicher bei der Übergabefeier in Everett. „Da war ich fünf. Etwas mehr als 40 Jahre später bin ich der Kapitän beim Überführungsflug. Der Traum ist wahr geworden“, schwärmt Strohdeicher mit dem typischen Stolz aller Jumbo-Piloten, die neun Meter hoch über dem Vorfeld thronen. „Da kommt eine A380 nicht hin.“
Piloten mögen neuen Jumbo-Bordkomfort
Fliegerisch gilt die laut Listenpreis in der Passagierversion 356,9 Millionen Dollar teure Boeing 747-8 als unproblematisch. Wegen ihres verlängerten Oberdecks sei sie höchstens einen Hauch seitenwindempfindlicher und kopflastiger beim Landen als eine 747-400. Die Nase werde deshalb betont langsam abgesetzt. Dagegen stellten etwaige Tailstrikes trotz der enormen Rumpflänge von 76,3 Metern keinerlei Problem dar, heißt es bei den Piloten. Mit hohen Reisegeschwindigkeiten zwischen Mach 0.84 und 0.86, die Höchstgeschwindigkeit liegt sogar bei Mach 0.89, sei die 747-8 genauso schnell unterwegs wie die 747-400.
Für die Jumbo-Piloten gibt es gleich hinter dem Cockpit einen separaten Ruheraum mit Bett und, erstmals bei der 747, ein eigenes WC im Sicherheitsbereich vor der Panzertür, bei dessen Benutzung kein Passagier durch etwaige Sicherheitsvorkehrungen behelligt werden muss.
Auf dem Überführungsflug überholte der mit rund 60 Premierengästen und ohne Fracht fast leere Jumbo lässig eine parallel fliegende Condor-767 auf dem Weg nach Deutschland. Wegen der relativ nördlichen Flugroute über Grönland ging während des gesamten Nachtflugs im Polarsommer die Sonne nicht unter.
Eine komplette Kabinenbesatzung kümmerte sich um das Wohl der Gäste. Unter ihnen waren dienstreisende Lufthansa-Techniker, für die Abnahme bei Boeing benötigte Spezialisten von Zulieferern und einige Journalisten – auch der FLUG REVUE. Wegen der ungewöhnlich großen Zahl der Mitreisenden hatte Lufthansa diesen neuen Jumbo schon vorab vertraglich übernommen und beim LBA regulär zugelassen. Ein Kurier hatte die druckfrische Zulassung rechtzeitig zum Überführungsflug von Braunschweig nach Everett gebracht.
Bei normalen Überführungsflügen mit nur vorläufiger Zulassung darf dagegen nur das unmittelbar zum Flug benötigte Personal an Bord sein. Lufthansa erhält noch fünf 747-8 der Passagierversion. Ab Herbst wird die Flotte mit den Sitzen der neuen Premium Economy Class ergänzt.
Boeing 747 bei Lufthansa – Technische Daten
Boeing 747 bei Lufthansa – Technische Daten
747-100 | 747-400 | 747-8 | |
Spannweite | 59,64 m | 64,4 m | 68,4 m |
Länge | 70,51 m | 70,7 m | 76,3 m |
Höhe | 19,47 m | 19,4 m | 19,4 m |
Kabinenbreite | 6,2 m | 6,13 m | 6,13 m |
Flügelfläche | 511 m2 | 541 m2 | 554 m2 |
Standardbestuhlung | 365 Sitze | 344 Sitze | 362 Sitze |
max. Startgewicht | 333 400 kg | 396 900 kg | 442 300 kg |
Reisegeschwindigkeit | 940 km/h | 925 km/h | 920 km/h |
Reichweite | 9000 km | 12 750 km | 13 100 km |
Triebwerk | 4 x P&W JT9D-3 | 4 x CF6-80C2 | 4 x GEnx-2B67 |
Bei Lufthansa eingesetzt seit | März 1970 | Mai 1989 | Juni 2012 |
FLUG REVUE Ausgabe 09/2014