Absturz der Air India-787: Selbstmord? Indische Piloten warnen vor voreiligen Schlüssen

Absturz der Air India-787 - Selbstmord?
Indische Piloten warnen vor voreiligen Schlüssen

Veröffentlicht am 14.07.2025
Absturz der Air India-Boeing 787 am 12. Juni 2025 in Ahmedabad.
Foto: Bloomberg

Die Vorstellung lässt einem das Blut in den Adern gefrieren: Kurz nach dem Abheben der Boeing 787-8 von Air India am 12. Juni in Ahmedabad wechseln binnen einer Sekunde beide Schalter für die Kerosinzufuhr der Triebwerke von "RUN" auf "CUTOFF". In der Folge fahren beide Triebwerke herunter, das Flugzeug verliert in der empfindlichen Startphase dramatisch an Fahrt. Einer der beiden Piloten fragt den anderen: "Warum hast Du abgeschaltet?" Der Andere erwidert nur, er sei das nicht gewesen. Ein Restart der Motoren nach etwa zehn Sekunden kommt zu spät, die 787 ist bereits im Sinkflug – und kracht wenige Momente später in das Wohnheim einer Medizinhochschule nur 1,7 Kilometer hinter der Startbahn. 260 Menschen sind tot – und als 30 Tage später die indische Flugunfallbehörde ihren ersten Zwischenbericht zu dem Absturz veröffentlicht, stellt sich bohrend die zentrale Frage: War das Absicht? Hat einer der Piloten den Crash in Suizid-Absicht vorsätzlich herbeigeführt?

Für viele Kommentatoren und Beobachter auf der ganzen Welt ist der Fall klar – sie gehen tatsächlich von einer absichtlichen Handlung aus und führen insbesondere die technische Beschaffenheit der beiden Schalter ins Feld, die ein versehentliches Umlegen nahezu unmöglich machen, weil man sie dafür zunächst anheben muss.

"Ton und Richtung" passen nicht

Für die indische Pilotenvereinigung Airline Pilots' Association of India ist diese Version des Geschehens aber alles andere als wasserdicht. Sie warnt vielmehr vor voreiligen Schlüssen und kritisiert, dass dass "Ton und Richtung" der Untersuchung "auf eine Voreingenommenheit gegenüber Pilotenfehlern schließen lassen". Diese latente Voreingenommenheit weise man "kategorisch zurück", schreibt der Verband in einer Stellungnahme. Stattdessen bestehe man "auf einer fairen, faktenbasierten Untersuchung." Um diese zu gewährleisten, fordern die Vertreter der Pilotenvereinigung, in die weiteren Ermittlungen zum Absturz der 787 mit dem Kennzeichen VT-ANB mit einbezogen zu werden. Dadurch ließen sich "Transparenz und Rechenschaftspflicht" sicherstellen, so die Begründung. Schließlich trage es nicht zur Glaubwürdigkeit der Ermittlungen und zur Vertrauensbildung in der Öffentlichkeit bei, wenn die Ursachenforschung weiter der Geheimhaltung unterliege.

Technischer Defekt?

Insbesondere geht es der Airline Pilots' Association of India eigenen Angaben zufolge um die Frage, ob die in einer Sicherheitsempfehlung der US-Luftfahrtbehörde FAA aus dem Jahr 2018 enthaltene Empfehlung, den Verriegelungsmechanismus der Treibstoffkontrollschalter zu überprüfen, bei der in den Absturz involvierten 787-8 vor deren fatalem letzten Flug entsprechend umgesetzt wurde. Das impliziert, dass der Pilotenverband einen technischen Defekt an den Schaltern genauso für möglich hält wie menschliches Versagen oder Vorsatz – zumindest, bis das Gegenteil eindeutig bewiesen ist.

Absturz der Air India-Boeing 787 am 12. Juni 2025 in Ahmedabad.
Anadolu

Viele Aspekte noch ungeklärt

Rückendeckung erhalten die indischen Piloten hierzulande von der deutschen Pilotenvereinigung Cockpit (VC). Die sieht die Sachlage in einer Stellungnahme zum Zwischenbericht der Unfallermittler ähnlich: "Aus Sicht der VC lässt der bisher vorgelegte Bericht (...) keinen eindeutigen Schluss auf eine absichtliche Handlung zu", so die Pilotengewerkschaft in einer Stellungnahme für die Presse. Wichtige technische und systemische Aspekte seien nach wie vor ungeklärt.

Tatsächlich legt der indische Zwischenbericht lediglich die bislang ermittelten Fakten dar – ohne daraus Schlüsse hinsichtlich der Verantwortlichkeit für den Absturz zu ziehen. "Ausgehend von den ersten Ansatzpunkten werden jetzt weitere Details ermittelt", erklären die Ermittler stattdessen – halten aber auch fest, dass es nach aktuellem Sachstand keine Grundlage für Sicherheitsempfehlungen an Boeing oder den Triebwerkshersteller GE gebe. Dennoch haben erste Airlines bereits proaktiv reagiert: So lässt Etihad aus Abu Dhabi vom hauseigenen Wartungspersonal gerade die Sicherungsmechanik der Treibstoffkontrollschalter prüfen. Auch Austrian Airlines und Lufthansa meldeten am Montag, sie hätten die Fuel Control Switches ihrer 787-Teilflotten vorsichtshalber gecheckt.