Am 13. Januar 1982 sollte Flug 90 von Washington National Airport (heute Ronald Reagan getauft) in Richtung Fort Lauderdale starten. Doch die Boeing 737-222 mit der Kennung N62AF von Air Florida kam nicht weit: Kurz nach dem Abheben sackte die Maschine durch und kollidierte mit einer Autobahnbrücke. Anschließend stürzte sie in den Potomac-Fluss.
An Bord befanden sich 74 Fluggäste und fünf Besatzungsmitglieder. Nur vier Passagiere und eine Flugbegleiterin überlebten das Unglück und konnten aus dem eiskalten Wasser gerettet werden. Auf der Brücke kamen vier Insassen von sechs PKWs und einem Lastwagen ums Leben. Als Unfallursache ermittelten die Behörden menschliches Versagen der Piloten – und das gleich mehrfach.
Schutz gegen Vereisung bleibt aus
Am Tag des Absturzes hatten starke Schneefälle zeitweise für die Schließung des Flughafens gesorgt. Daher hatte der Flug 90 bereits eine Verspätung von fast zwei Stunden – und kam nicht vom Gate weg. Die Räder des Schleppers drehten auf dem eisigen Untergrund durch. Daher versuchte die Crew entgegen den Boeing-Vorschriften bei solchen Wetterbedingungen, mithilfe von Umkehrschub ins Rollen zu kommen. Auch dies scheiterte, und sorgte womöglich für zusätzlich auf das Flugzeug geblasenen Schnee. Erst dann kam ein mit Schneeketten ausgestattetes Fahrzeug zur Hilfe. Trotz der winterlichen Bedingungen mit einer Lufttemperatur von minus vier Grad schaltete die Besatzung das Vereisungs-Schutzsystem der Triebwerke nicht an. Dies sorgte für falsche Werte der Drucksensoren in den Antrieben.

Der Bergung im Eiswasser war sehr schwierig.
Verstoß gegen Vorschriften
Die Enteisungsmaßnahmen der Bodenmannschaft waren zwischenzeitlich unterbrochen und dann rund eine Stunde vor dem Start beendet worden. Die beiden Piloten bemerkten sogar erste Eisansammlungen auf den Tragflächen. Daher entschlossen sie sich auf dem Weg zur Startbahn – gegen jede Vorschrift – nahe hinter der vor ihnen rollenden DC-9 von New York Air zu bleiben. Die heißen Abgase sollten das Eis zum Schmelzen bringen. Aber die Rechnung ging nicht auf: Das getaute Wasser floss über die Flügelvorderkanten und gefror dort wieder. Sowohl der Kapitän als auch sein erster Offizier hatten kaum Erfahrungen im winterlichen Flugbetrieb.
Startabbruch hätte geklappt
Schließlich begannen sie den Start. Der Copilot bemerkte die falschen Angaben der Instrumente, die ausreichend Schub anzeigten, obwohl dem nicht so war. Der Kapitän ignorierte den Hinweis und fuhr mit dem Startvorgang fort. Im Untersuchungsbericht heißt es später, dass ein Startabbruch zu diesem Zeitpunkt ohne Folgen funktioniert hätte. Stattdessen versuchte die Crew abzuheben, brauchte dazu aber 600 Meter mehr als normal. Der Jet schaffte nur einen kleinen Hüpfer auf knapp 100 Meter. Die Boeing sackte durch und kollidierte 1,4 Kilometer hinter der Startbahn mit der Brücke. Das Flugzeug war nur 30 Sekunden in der Luft.

Die 737 rammte die Brücke und fiel dann ins Wasser. Nur das Heck blieb über der Oberfläche.
Kaum Überlebenschancen
Nach dem Aufprall blieb nur das Heck über Wasser- hier saßen die fünf Überlebenden. Spätere Ermittlungen ergaben, dass rund 19 Fluggäste den Absturz überlebten, sich aber nicht befreien konnten. Die Rettungsarbeiten erwiesen sich als extrem schwierig. Die Straßen waren wegen Schnees und Verkehr verstopft, die Rettungswagen brauchten daher rund 20 Minuten bis zum Eintreffen. Zudem erforderte das eisige Wasser Schutzausrüstung, über die die Ersthelfer nicht verfügten. Ein Hubschrauber der United States Park Police kam ebenfalls knapp 20 Minuten nach dem Absturz zum Ort des Geschehens. Die Crew der Bell 206 zog die Überlebenden mit einer Leine aus dem Wasser. Angesichts der Verhältnisse grenzt es an ein Wunder, dass es überhaupt Überlebende gab.