Mit bis zu 3.600 Flügen pro Woche gehörte Emirates in der Vor-Covid-Ära zu den betriebsamsten Fluggesellschaften der Welt. Aus dem 1985 gegründeten Wüsten-Carrier mit wenigen Nahost-Verbindungen pro Tag hat sich innerhalb von dreißig Jahren eine der größten und luxuriösen Airlines entwickelt. Diesen Weg ging das arabische Staatsunternehmen stets allein und ohne Verbündete. Bis heute ist die Airline kein Mitglied einer Luftfahrtallianz. Und es gibt eine Erklärung dafür, warum sich das auch künftig nicht ändern wird.

La Familia
Luftfahrtallianzen sind tief im Selbstbild der Netzwerkairlines verankert. Ob die Begrüßung im Namen der Star Alliance auf jedem Lufthansa-Flug oder die silbernen Jets im SkyTeam-Corporate Design: Die großen Airlines zeigen stolz, zu welcher Familie sie gehören. Viele Fluggesellschaften buhlen teilweise jahrelang um die Gunst der größten Mitgliedsunternehmen, um in Zukunft auch Teil des ersehnten Bündnisses zu sein. So spielte beispielsweise Alaska Airlines eine Zeit lang medienwirksam mit dem Gedanken, der Allianz oneworld beizutreten, bis der endgültige Eintritt schließlich im vergangenen Jahr bekannt wurde. Emirates dagegen gab zwar zur Jahrtausendwende bekannt, über einen Eintritt in die Star Alliance nachzudenken, entschied sich dann jedoch für die vollständige Unabhängigkeit – eine Entscheidung, die sich als kein Hindernis für den steilen Wachstumskurs abzeichnete.

Emirates' Streckennetz ist eine Allianz für sich
Der Grundgedanke einer jeden Luftfahrtallianz ist, die individuellen Streckennetze und Zielregionen von möglichst unterschiedlichen Heimatmärkten miteinander zu verflechten und so einen gemeinsamen Wettbewerbsvorteil durch vereinfachtes Reisen für den Passagier zu erwirken. So stellt Lufthansa mittels Codesharing und Lounge-Zugang ihr verzweigtes Europa-Netzwerk zur Verfügung, von dem die Allianz-Mitglieder bei Langstreckenflügen an die Lufthansa-Hubs Frankfurt und München profitieren können. Im Gegenzug erhalten deutsche Umsteigepassagiere die Möglichkeit, bei Langstreckenflügen auf das regionale Netzwerk der Partnerunternehmen zuzugreifen und so zum Beispiel innerhalb der Vereinigten Staaten ohne eine separate Aufgabe des Gepäcks weiterzureisen.

Emirates gehört zu den wenigen Fluggesellschaften, für die der Heimatmarkt nur schwer einzugrenzen ist. Mit bis zu 157 Destinationen in 83 verschiedenen Ländern ist der Golf-Carrier in ausnahmslos jedem größeren Ballungsgebiet des Globus‘ vertreten. Da ausnahmslos alle Flugverbindungen über den Heimatflughafen in Dubai führen, lassen sich von jedem bedienten Flughafen 156 weltweite Ziele erreichen. Der Fokus liegt dabei auf Langstreckenverbindungen, die im Point-to-Point-Verbund mit höchstens einem Zwischenstopp angeflogen werden.

Emirates' Strategie ist nicht Allianz-kompatibel
Dieses ausgedehnte Streckennetz unterscheidet sich fundamental von der strategischen Ausrichtung einer klassischen Netzwerk-Airline. Während deren machtvolles Instrument der Umsteigerverkehr an den Hubs der Partner-Airlines ist, bedient Emirates direkt in Eigenregie so viele Weltregionen wie möglich im Point-to-Point-Netz ab Dubai und setzt nicht auf ein großes Umstiegsnetz an ausländischen Partner-Hubs. Durch diese weltweite Präsenz ist die arabische Fluggesellschaft immer direkter Konkurrent in den Heimatmärkten von mindestens einem großen Allianz-Anführer. Alleine der Anspruch, europäische Geschäftsreisende nach Asien und Ozeanien zu befördern, positioniert Emirates automatisch als Rivalen zum Hub der Star Alliance in Frankfurt mit Gründungsmitglied Lufthansa. Gleiches gilt für London für oneworld und Amsterdam beziehungsweise Paris für SkyTeam.
Für den Fall, dass doch ein Zielmarkt nicht ausreichend durch das eigene Streckennetz abgedeckt sein sollte, schließt Emirates individuelle bilaterale Abkommen zum Codesharing, wie dies zum Beispiel mit Qantas, Jetblue oder Alaska Airlines sehr intensiv betrieben wird.

Neue Strecken ohne Zustimmung der Konkurrenz
Emirates ist größter Betreiber des Airbus A380 und der Boeing 777. Es ist zu erwarten, dass nach einem Ende der Pandemie der Branchentrend zu Point-to-Point-Verbindungen sich fortsetzt und das Unternehmen weitere Routen in die verschiedensten Weltregionen eröffnet. Da sich mit einer Großraumflotte Nischenmärkte nicht so leicht profitabel bedienen lassen, wird Emirates zwangsläufig in harten Wettbewerb mit Mitbewerbern treten. Eine Allianzmitgliedschaft könnte hierbei als Hemmschuh für eine weltweite Expansion wirken, da Partner-Airlines oft ein vertragliches Veto-Recht bei der Netzwerkplanung besitzen. Emirates ist bereits heute eine Bedrohung für die strategischen Geschäftskonzepte der meisten Netzwerkairlines und könnte so unter der Macht des Veto-Rechts zunehmend handlungsunfähig und unflexibel werden.

Ansprüche, die schwer zu bedienen sind
Emirates ist in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem für prunkvolle Kabinen- und Loungeausstattung sowie ein hohes Anspruchsdenken bekannt. Bei einem Beitritt zu einer Allianz würde dieses vermeintliche Alleinstellungsmerkmal in die Allianz eingegliedert werden und in Gefahr geraten. Wie stark würde wohl die Kundenbindung und die Passagierzufriedenheit leiden, wenn mittels umfangreichem Codesharing zwar Flüge unter Emirates-Flugnummer verkauft, in der Realität jedoch durch einen Partner-Carrier mit deutlich geringerem Serviceniveau durchgeführt werden? Außerhalb einer Allianz besitzt Emirates den Luxus, sich alle Codesharing-Partner individuell aussuchen zu können und steht nicht in der Pflicht, auf einen Pool von vorgegebenen Partner-Airlines zurückzugreifen.

Öffnung der Lounges wäre schlecht
Ebenso üblich wie das Codesharing ist auch der Zugang zu den Lounges aller Allianz-Airlines. Emirates besitzt an einem Großteil der aktuellen Destinationen eigene Lounges, die stets dem Image eines gehobenen Reisens gerecht werden sollen. Werden diese Lounges nun durch Beitritt einer Allianz auch für Passagiere anderer Airlines geöffnet, gibt die Fluggesellschaft nicht nur ein zentrales Alleinstellungsmerkmal auf, sondern lässt auch die Partnerunternehmen von einem Standard profitieren, der an den ausländischen Hubs nicht gewährleistet werden kann – eine klare Lose-Lose-Situation für den Golf-Carrier.

Selbiges gilt für das Terminal T3 in Dubai. Bis September 2012 war das größte und eines der glamourösesten Terminals der Welt exklusiv für die Abfertigung von Emirates reserviert. Dann zogen ebenfalls Codesharing-Partner Qantas und Schwestergesellschaft flydubai in Form einer intensiveren Zusammenarbeit mit in den Neubau aus dem Jahr 2008 ein. Gemäß dem "Unter-einem-Dach"-Prinzip der Luftfahrtallianzen würde das moderne Terminal für weitere Fluggesellschaften geöffnet werden müssen, was zwangsläufig zu einem weiteren Riss im exklusiven Image der Golf-Airline führt.
Emirates ist öffentlichkeitswirksamer als manche Allianz
Seilbahn im Ostzentrum Londons, das Heimatstadion des FC Arsenal, FIFA World Cup. Die Liste der aktuellen und ehemaligen Sponsoreninitiativen und der Finanzierung von öffentlichkeitswirksamer Infrastruktur ist lang. Über die Zeit hat sich Emirates damit maßgeblich als Premium-Carrier inszeniert und in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerufen. Ein Beitritt zu einer Allianz würde wohl kaum dem Unternehmen, sondern viel eher dem betreffenden Bündnis zu zusätzlicher Aufmerksamkeit verhelfen.

Partnerschaften fernab der Luftfahrt
Mit Flugmeilen den Hotelaufenthalt bezahlen und beim Automieten Meilen sammeln – was die Treueprogramme der Allianzen langezeitig nur für sich proklamiert haben, hat Emirates dank umfangreicher Treueabkommen und Verträge mit Partnerunternehmen im Alleingang gemeistert. Sogar das Sammeln und Einlösen von gesammelten Meilen ist bei vielen Partnerairlines, wie beispielsweise easyjet oder Alaska Airlines, möglich. Ein Eintritt in eine Allianz ist vor dem Hintergrund des eigenen umfangreichen Kundenbindungsprogramms nicht notwendig.

Die andere Seite: Würde Emirates gewollt werden?
Eingangs wurde bereits das Konkurrenzauftreten von Emirates in den Heimatmärkten verschiedener Netzwerkairlines erwähnt. Bei weiterer Betrachtung der jüngsten, zumeist öffentlich ausgetragenen, Streits über die zweifelhaften Finanzierungsquellen der arabischen Airline sowie ihrer Regierungsnähe, erscheint es ziemlich realitätsfern, zu glauben, die Allianzen würden Emirates ihrerseits mit offenen Armen willkommen heißen. Besonders die drei großen amerikanischen Netzwerkairlines pflegen einen sehr kritischen Umgangston zur arabischen Airline, sind zusammen zugleich jedoch auch in SkyTeam, der StarAlliance sowie oneworld vertreten. Ein Veto zum Beitrittsantrag erschiene hier ausgesprochen wahrscheinlich. Darüber hinaus verfügen oneworld mit Qatar Airways und SkyTeam mit Saudia und Middle East Airlines bereits über namhafte Mitglieder in der Nahost-Region. Eine Expansion in diese Region wäre, unter Ausklammern der weltweit entstehenden Konkurrenz durch Emirates, nur für die Star Alliance lukrativ.