Grüner fliegen – dieses Konzept wird in der Verkehrsluftfahrt schon seit vielen Jahrzehnten messbar umgesetzt: Immer weniger Verbrauch, immer weniger Lärm, immer weniger Emissionen und eine immer höhere Effizienz haben die Epoche der kerosinsaufenden, rußenden und tosend lauten frühen Turbojets abgelöst. Zugegeben: Dies geschah nicht unbedingt immer schon unter vorrangigen Umweltschutzgesichtspunkten, sondern vor allem aus kaufmännischem Denken heraus. Denn spätestens seit der Ölpreisverteuerung Anfang der 1970er-Jahre gerieten durstige Jets immer weiter unter Kostendruck. Nur wenige Stellschrauben auf der Kostenseite kann eine Airline selbst so stark beeinflussen wie die ihres Kerosinverbrauchs. Viele andere liegen in engen Bandbreiten fest: Landegebühren, Terminalmieten, Personalkosten, Flugzeugeinkaufspreise, Ersatzteile, Verfahren, Wartungskosten und Flugsicherungsgebühren.
Entsprechend pumpen Triebwerkshersteller und Flugzeugbauer mehrstellige Milliardenbeträge in immer sparsamere und leisere Jets und die Airlines schulen ihr Personal im schonenden Umgang und in der möglichst optimalen Anwendung der aufwendigen Spartechnik.

Grüner Fliegen als Verkaufsargument
"Wir investieren weiter in verbrauchseffiziente, umweltfreundliche Flugzeugtechnik", kündigte Ryanair-Chef Michael O’Leary bei der jüngsten Vorlage seiner Halbjahreszahlen im November an, bei der er mehr Passagiere als "vor Corona" und einen Halbjahresgewinn von 1,15 Mrd. Euro vermelden konnte. Ryanair werde bis zum Jahr 2050 "Net-Zero" fliegen, also "netto" kein Kohlenstoffdioxid mehr ausstoßen, versprach der irische Airline-Chef. Seine neu zulaufende Boeing 737-8200 – eine Version mit mehr Sitzen als die Standardausführung der 737 MAX 8, von der bei Ryanair bereits 73 hier sogenannte Gamechanger im Einsatz standen – verbrauche 16 Prozent weniger Kerosin als die 737-800 und sei 40 Prozent leiser, sagte O‘Leary. Gegenüber einem Flug mit traditionellen Linienairlines (vermutlich bei weniger Sitzen an Bord und niedrigerer Durchschnittsauslastung, d. Red.) könnten die Passagiere bei Ryanair ihre Emissionen um 50 Prozent senken und künftig weiterhin "nachhaltig" in den Urlaub reisen, warb der Ire. Ryanair habe zudem die Lieferung von 160 000 Tonnen SAF vereinbart, um ab dem Jahr 2030 rund 12,5 Prozent ihrer Flüge mit diesem synthetischen, nachwachsenden Treibstoff durchzuführen. Damit werde Ryanair den CO2-Ausstoß pro Passagierkilometer um zehn Prozent auf 60 Gramm senken. Schon heute finde ein Drittel aller Ryanair-Flüge ab Amsterdam mit einer 40-prozentigen SAF-Beimischung statt.
Laute Jets zahlen richtig drauf
Um die Kohlendioxidemissionen zu senken, werde man bis Ende des Winters auch 409 ältere Boeing 737-800 mit verbesserten, zweiteiligen "Split-Scimitar"-Winglets nachrüsten, die gegenüber den serienmäßig installierten Winglets noch einmal 1,5 Prozent Kerosin sparten. Ryanair investiere für die Umrüstaktion über 200 Millionen Dollar, rund 500 000 Dollar pro Flugzeug.
Viel Wert auf neueste Winglets legt traditionell auch TUIfly aus Hannover, die deren geteilte Säbelformbauart (Split Scimitar) in Deutschland zuerst einsetzte und die ebenfalls neueste Boeing 737 MAX betreibt. Die Winglets helfen besonders bei schwerer Startmasse und langen Flugstrecken, schneller auf wirtschaftlichere Höhe zu steigen. TUIfly gehört auch zu den Lärmschutzpionieren. So entwickelte man für die Heimatbasis Hannover in Zusammenarbeit mit der DFS gebogene Anflugkurse, die einer Autobahn folgen, weil dort ein Flugzeug im Sinkflug keine zusätzliche Lärmbelastung gegenüber dem ohnehin vorhandenen Autolärm mehr verursacht.
Der Flughafen Hannover bestraft, wie viele andere Airports auch, laute Flugzeuge mit überproportional steigenden Gebühren. Gemäß ICAO-Annex 16 haben die Niedersachsen Flugzeuge in elf Lärmkategorien unterteilt. Eine landende A340 (mittlere Kategorie 6 mit 80 bis 82 dB(A) Lärm) zahlt in Hannover zum Beispiel 68 Euro pro Flugbewegung, plus gegebenenfalls Nachtzuschlag in Höhe von bis zu 170 Euro. Eine deutlich lautere Boeing 747-200 oder C-5 Galaxy (Kategorie 11 mit "über" 90 db(A) Lärm) muss dagegen 6856 Euro für die eigentliche Flugbewegung und bis zu 17 144 Euro Nachtflugzuschlag berappen. Kein Wunder, dass auf den Nachtflugbetrieb angewiesene Frachtairlines, wie z. B. UPS, AeroLogic, LH Cargo und FedEx Express, heutzutage bevorzugt das leiseste, aber auch in der Anschaffung kostspieligste Gerät ordern, das man für Geld kaufen kann, darunter die Boeing 747-8F oder die 777F. Ältere, lautere Jumbos oder auch ältere Dreistrahler, wie DC-10F und MD-11F, sind dagegen oft in Nebenrollen abgewandert. Aus Lärmschutzgründen will der israelische Flughafen Tel Aviv ab Ende März 2023 sogar den Betrieb sämtlicher Vierstrahler verbieten. Die ungewöhnliche Lärmeinstufung nach der Zahl der Triebwerke geht allerdings auf einen jahrelangen Streit in Tel Aviv zurück, aus einer Zeit, in der El Al noch ältere, sehr laute Boeing 707- und 747-Frachter betrieb. Heute erwischt das Limit auch leisere Vierstrahler, wie moderne Jumbo-Versionen mit 787-Triebwerken und sogar die A380, die selbst am besonders strengen Flughafen London-Heathrow alle Lärmlimits erfüllt und deshalb dort sogar nachts verkehren darf.

Sparerfolg durch Detailverbesserungen
Neue Flugzeuge mit den sparsamsten, leisesten und saubersten Triebwerken sind eines der wichtigsten Werkzeuge zum grünen Fliegen. Neben TUIfly, die neben neuen MAX auch Dreamliner bestellt hat, bereitet sich Condor auf die Indienststellung neuer A330neo vor, die ihre in Ehren ergrauten Boeing 767 ablösen. Lufthansa erneuert nach der Konzern-Mittel- und Langstreckenflotte, für die bereits A320neo, A321neo, A350, 777-9, 777-8F und 787 in großem Stil bestellt wurden, nun auch die Regionalflotten. Hier stehen 2023 die A220 und Embraer E2 zur Auswahl an, beides vorbildlich leise und saubere Flugzeugmuster.
Natürlich endet das Kerosinsparen nicht mit dem Kauf der jeweils neuesten Flugzeuge; man muss diese auch optimal einsetzen. Hier kommen viele unscheinbare Mosaiksteinchen zusammen, die am Ende beachtliche Einsparungen ausmachen können. Boeing hat einmal vorgerechnet, welchen Einfluss schon die bestmögliche Landeklappenstellung beim Start auf den Kraftstoffverbrauch hat: So verbrauche eine Boeing 717-200 bei einer Startmasse von 51,2 Tonnen mit der höheren Landeklappenstellung 18 Grad pro Start 438 Kilogramm Kraftstoff und damit rund 15 Kilogramm Kerosin mehr, als wenn man die niedrigste Stellung 5 Grad wähle. Dies klingt zunächst nicht viel. Setzt man aber pro Flugzeug zehn tägliche Flüge an, macht die Ersparnis – bei einem im Beispiel von Boeing angenommenen Preis von 3,70 Dollar pro Gallone – 175 Dollar pro Tag und Flugzeug aus. Bei einer Flugzeugnutzung von 350 Tagen im Jahr summiert sich dies bei einer kleinen Beispielflotte von 20 Flugzeugen auf immerhin 61 000 Dollar Ersparnis pro Jahr bei den Treibstoffkosten. Gerade Niedrigpreis-, aber auch Frachtairlines sind bekannt dafür, viele derartige Details per zentraler Anweisung zu optimieren. Natürlich dürfen die Piloten aber bei Bedarf davon abweichen.
Luftlinie fliegen in optimaler Höhe
Auch im Reiseflug optimieren die Airlines systematisch ihren Verbrauch und damit den Schadstoffausstoß. So werden bei den neuesten Flugzeugen während des Fluges aktuelle Höhenwinddaten ins Cockpit gefunkt. Damit können die Piloten immer eine optimale Flughöhe wählen, mit möglichst wenig Gegenwind und möglichst viel Rückenwind. Früher veralteten die nur einmal vor dem Start vorhergesagten Wetterberichte mit fortschreitender Flugdauer. Auch die Fluggeschwindigkeit wird heute verbrauchsgünstig optimiert und generell niedriger geplant. Besonders Niedrigpreisairlines achten darauf, eine eher längere Flugdauer anzusetzen, um möglichst niemals "Vollgas" geben zu müssen, womit man bei einem zu engen Plan Verspätungen unter Mehrverbrauch wieder aufholen müsste. Die Lowcost-Airlines nutzen außerdem optimierte Flugprofile, um den Verbrauch zu senken. So gibt es an vielen Airports mittlerweile eigene Verfahren für die sogenannten Continuous Descent Approaches, bei denen sich die Flugzeuge aus der Reiseflughöhe in einem gleichmäßigen, langen Sinkflug mit niedriger Leistung statt des sonst oft üblichen stufenweisen Absteigens zur Landung gleiten lassen. Landeklappen und Fahrwerk werden erst ganz zuletzt ausgefahren, um den Widerstand möglichst lange gering zu halten. Wie oben im Boeing-Beispiel ergeben sich im Einzelfall oft nur unscheinbar wirkende Verbesserungen, die sich aber in der Gesamtheit schnell zu beachtlichen Einsparungen addieren. An größeren Flughäfen und Drehkreuzen sind diese Verfahren wegen der hohen Verkehrsdichte allerdings nicht immer so perfekt umzusetzen wie an einsameren Sekundärflughäfen auf dem Lande.
Mehrjähriges Forschungsprogramm
Dennoch erprobt Airbus in Zusammenarbeit mit Eurocontrol energetisch optimierte Flugprofile auch für den restlichen Linienverkehr. Über 1000 Testflüge gehören zu diesem mehrjährigen Forschungsprogramm, das durch die EU im Rahmen des Forschungsprogramms SESAR gefördert wird. Unter den Partnern sind Flugsicherungsorganisationen, Forschungseinrichtungen, Industrieunternehmen und Airlines. Wie schon beim Airbus Summit 2021 wurde auch beim Airbus Summit 2022 (lesen Sie dazu auch den Beitrag in diesem Heft) ein Testflug vorgeführt – in diesem Jahr mit dem A350-Prototyp MSN2, der auch als Kabinendemonstrator dient. Das Flugzeug startete aus Toulouse nach München und flog – in Zusammenarbeit mit Eurocontrol und den Flugsicherungen Frankreichs, der Schweiz und der DFS – in gerader Linie von Südfrankreich durch Zürichs hochbelasteten Luftraum bis in den Münchener Endanflug. Der Steigflug wurde in einem Rutsch als sogenannte Continuous Climb Operation ohne zwischenzeitliches "level off" bis auf die Reiseflughöhe von 33 000 Fuß durchgeführt. Der Sinkflug begann südwestlich des Bodensees am vom Flugzeug gewählten optimalen Punkt (Preferred Top of Descent) mit niedriger Leistung in einem Zug bis zu einer Rechtskurve in den Endanflug. Selbst am Boden wurde das Energiesparen durch das Abschalten eines der beiden Triebwerke beim Rollen fortgesetzt. Im Idealfall lasse sich mit durchgehend optimierten Flugprofilen der Treibstoff- bzw. Energiebedarf um bis zu 30 Prozent vermindern, hat Airbus errechnet. Ob sich diese Verbesserungen aber auch praktisch erzielen lassen, ist fraglich. So werden die Lufträume in Europa auch vom Militär genutzt, das hoheitliche Aufgaben erfüllen muss und deswegen Vorrang beansprucht. Dies dürfte mit der gewünschten Vereinheitlichung aller nationalen Lufträume kollidieren.

Erleichtertes Gewissen dank Wasserstoff
Derweil ließen Rolls-Royce und easyJet Ende November erstmals ein umgebautes Rolls-Royce-AE-2100-A-Turboproptriebwerk auf einem Teststand mit Wasserstoff laufen, der "grün" mit Strom aus einem Gezeitenkraftwerk vor den Orkneyinseln erzeugt worden war. Der britische Wirtschafts-Staatssekretär Grant Shapps sagte dazu, sein Land führe damit einen globalen Wandel an, um künftig ohne schlechtes Gewissen fliegen zu können.