Die neue A330-Kabinenausstattungshalle in Tianjin wurde zum Festsaal, als Airbus Ende September das neue Completion und Delivery Centre für zweistrahlige Großraumflugzeuge in China eröffnete. Zunächst werden hier auf drei Standplätzen in Europa endmontierte und von dort aus eingeflogene A330 chinesischer Kunden mit ihren Kabinenausstattungen versehen. 250 Mitarbeiter rüsten hier künftig zwei Flugzeuge im Monat aus. Das sind meistens unkomplizierte Varianten mit großer Economy-Kabine und hoher Sitzplatzzahl. Auf mittlere Sicht könnte man hier aber auch zusätzlich die A350 ausstatten, heißt es bereits bei Airbus. In nur 18 Monaten von der Entscheidung bis zur Inbetriebnahme entstand das neue Werk. Gleich nebenan, nur getrennt durch einen Bombardier-Hangar für Business Jets, befindet sich die gerade erst auf die A320neo erweiterte A320-Endmontage FAL Asia, ein Gemeinschaftsunternehmen von Airbus mit chinesischen Partnern. Nur das eigentliche Auslieferungszentrum für die juristische Übergabe ist komplett in Airbus-Hand.
Die immer umfassendere Kooperationsstrategie soll den chinesischen Flugzeugmarkt – künftig wächst er zum größten der Welt – für Airbus erschließen. „Vor 20 Jahren hatten wir hier 15 Kundenflugzeuge im Einsatz und fünf bis sechs Prozent Marktanteil, heute fliegen hier alleine 1500 Airbus-Jets. Das ist China!“, schwärmt Eric Chen, Airbus-Vertreter im Reich der Mitte. Etwa 200 Flugzeuge liefere man alleine im Jahr 2017 an chinesische Betreiber. 29 Millionen auswärtige Besucher reisten pro Jahr nach China, aber 55 Millionen Chinesen ins Ausland. Deswegen sehe es in China für Langstrecken-Großraumjets besonders günstig aus, sagt Chen voraus. Schon heute sei China mit 300 A330 im Einsatz und über 600 Bestellungen der größte A330-Markt weltweit. Chinas Landfläche ist nur geringfügig größer als die der USA, die Bevölkerungszahl aber viermal so hoch. Es baue derzeit 100 neue Verkehrsflughäfen, und seine Passagierflugzeugflotte werde von heute 3000 Jets schon bis zum Jahr 2020 auf 4500 wachsen.
Natürlich rüstet sich auch China selbst für die hohe Nachfrage seiner Airlines und entwickelte bekanntlich ein eigenes Flugzeug in A320-Größe, die Comac C919. Stärkt Airbus mit seiner Kooperation nicht genau diese Konkurrenz und offenbart sogar Geschäftsgeheimnisse? „Wir sollten chinesische Wettbewerber nicht fürchten“, sagt Eric Chen. „Airbus ist im Wettbewerb groß geworden. Konkurrenz macht uns stärker. Der Himmel ist groß genug.“
Ist China nur Partner oder auch Konkurrent?
Allerdings streben die Chinesen erkennbar nach immer mehr Zulieferaufträgen für Airbus, um sich eine hochklassige eigene Flugzeugbauindustrie heranzuziehen. An chinesischen A320 aus Tianjin werden mittlerweile sogar die Flügel aus China zugeliefert. Im Rahmen der Brexit-Debatte räumte die britische Airbus-Chefin, Katherine Bennett, Ende November vor dem britischen Parlamentsausschuss für Industriestrategie ein, chinesische Zulieferer hätten bereits bei ihr „angeklopft“, ob sie nicht auch noch bisher britische Flügelaufträge für Airbus übernehmen könnten.
Im Gegenzug verknüpft Airbus die Expansion seiner Partnerschaft mit der Erteilung immer neuer Flugzeugbestellungen seitens China. „Ich bin zuversichtlich, dass China künftig mindestens ein Fünftel unserer A320neo-Gesamtproduktion abnimmt“, sagt Eric Chen. In Tianjin sei eine Steigerung der Produktionsrate möglich, aber bestimmte Voraussetzungen seien dazu noch nicht erfüllt, deutet er mit chinesischer Höflichkeit nur allgemein an und denkt schon an größere Jets: „In China wäre auch der Einsatz von 60 bis 100 Airbus A380 schon in den nächsten fünf Jahren gerechtfertigt, wenn man sich die Marktentwicklung ansieht. Das Land befördert erst ein Drittel seiner internationalen Reisenden in eigenen Flugzeugen. Ich erwarte einen Dominoeffekt“, sagt Chen. Allerdings trauten sich viele junge chinesische Airlines noch nicht den Betrieb eigener A380 zu, obwohl sie es bereits könnten.
„Manche sind sich noch nicht bewusst, was sich hier in den letzten zehn Jahren getan hat“, sagt der Chef der Airbus-Verkehrsflugzeugsparte und Konzern-COO, Fabrice Brégier. „Wir sind extrem zufrieden mit unserer Partnerschaft in Tianjin, die wir bis 2026 erweitern. Wir erwägen bereits, den Output aus China zu erhöhen, falls das nicht zu teuer wird. In weniger als zehn Jahren ist unser Marktanteil von 20 Prozent auf über 50 Prozent geklettert. Darauf hoffen wir auch bei den Großraumjets. Der Inlandsverkehr hier wird schrittweise zu Widebodies übergehen, denn der Verkehr nimmt zu, die Slots aber nicht.“
Neues chinesisches Airbus-Forschungszentrum
Als nächsten „Köder“ hat Airbus Mitte November den Aufbau eines Forschungszentrums im südchinesischen Shenzhen angekündigt. Es soll in Zusammenarbeit mit Industriepartnern unter anderem die Themen autonomes Fliegen, Drohnenverkehr über städtischen Gebieten und Passagierkabine der Zukunft untersuchen und arbeitet dabei mit den anderen Konzern-Forschungszentren, auch im Silicon Valley, zusammen. Geführt wird es vom chinesischen Elektroingenieur Luo Gang, der direkt Airbus-Technikvorstand Paul Eremenko untersteht.
Airbus in China

1985 flog Chinas erster Airbus A310 für den Vorgänger von China Eastern. Seit 1994 unterhält Airbus eine eigene Tochter in der Volksrepublik, der heute 1800 Mitarbeiter unterstehen.
Die wichtigsten Kooperationen sind die Endmontage in Tianjin für A319 und A320, das A330-Completion-Centre Tianjin, das Airbus Engineering Centre Peking und das Harbin Hafei Composite Manufacturing Centre.
Das jährliche Umsatzvolumen der industriellen Zusammenarbeit soll bis zum Jahr 2020 auf eine Milliarde Dollar steigen.
FLUG REVUE Ausgabe 01/2018