Buffalo Airways
Zu Besuch bei den Ice Pilots

Die Reality-Doku über die Fluglinie im hohen Norden Kanadas ist ein Dauerbrenner im Programm zahlreicher Fernsehsender. Wir waren zu Besuch bei Buffalo-Joe und seinem Team.

Zu Besuch bei den Ice Pilots
Foto: Timo Breidenstein

Wenn man Joe McBryan ind der TV-Reality-Doku Ice Pilots sieht, ist er mürrisch, laut oder gestresst. Im Hangar den Mechanikern über die Schulter schauen, wie sie an den doppelreihigen 1200 PS starken Sternmotoren vom Typ Pratt & Whitney R-1830 Twin Wasp Schläuche wechseln; draußen auf dem Vorfeld mit anpacken, wenn eine Frachtpalette in den Rumpf einer fast 80 Jahre alten Douglas DC-3 passen soll. Joe ist kein Chef, der seine Firma vom Ledersesssel hinter dem Schreibtisch lenkt. Joe hält die Dinge selbst am Laufen. Immer.

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Ein "Nein" gibt es nicht

So hat der Besitzer und Präsident von Buffalo Airways seiner Fluggesellschaft einen Ruf erarbeitet, der sie weit über die Grenzen der Northwest Territories bekannt machte und zudem ins Fernsehen brachte. Wann immer es etwas zu befördern gibt, wird geflogen. Ein "Nein" gibt es nicht. Zumindest nicht für Joe. Das das nicht wirklich der Einstellung entspricht, die zu einer ansonsten in der Verkehrsfliegerei üblichen Sicherheitsstatistik führt – dazu später mehr.

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Weil Joe beschäftigt ist, führt uns sein jüngster Sohn Mickey im Hangar am Yellowknife Airport herum – Buffalo Airways ist ein Familienbetrieb. Hangar? "Fliegendes Museum" wär wohl eine treffendere Bezeichnung. Buffalo Airways hat die älteste Flugzeugflotte der Welt. Die Douglas DC-3 hat einst Fallschirmspringer abgesetzt: 1944 während der Landung der Alliierten in der Normandie. Und die Curtiss C46D Commando flog von März bis November 1969 im Dienst der Lufthansa.

Der hohe Norden ist nichts für modernes Fluggerät

Hier im hohen Norden ist für historische Sentimentalität jedoch wenig Platz. Es zählen andere Werte. Beispielsweise, dass die Curtiss etwa die selben Betriebskosten hat wie die Douglas DC-3, aber rund die doppelte Menge Fracht transportieren kann. Und dass die Maschinen nach einem 600-Kilometer-Trip auf einer Schotterpiste im Nirgendwo landen können, auch wenn dort weder Tankstelle noch Groundpower-Aggregat oder Mechaniker warten. Die Oldtimerflotte von Buffalo Airways kann das. Würden moderne Flugzeuge es genauso bringen, würden sie längst auch im hohen Norden fliegen, glaubt Mickey. Doch hier sind alte Kolbenmotoren im Vorteil gegenüber Turboprops oder gar Jets.

Die Northwest Territories sind einer der einsamsten Flecken der Erde: 40.000 Einwohner verteilen sich auf eine Fläche, die fast viermal so groß ist wie die Bundesrepublik Deutschland. Knapp die Hälfte lebt in der Hauptstadt Yellowknife. Die Region erzielt pro Einwohner das höchste Bruttoinlandsprodukt Kanadas. Grund sind die Minen nördlich der Hauptstadt, wo vor allem Diamantan, Gold und Silber geschürft werden. Straßen führen nicht dorthin: Was zu oder von den Minen transportiert werden muss, nimmt den Luftweg.

Gold- und Diamantminen sorgen fürs Geschäft

Seit ihrer Gründung 1970 hat sich Buffalo Airways auf dieses Geschäft spezialisiert, im Auftrag der Regierung oder der Minenbetreiber. Verpflegung und Maschinenteile fliegt das Unternehmen in seinen alten Frachtern, für den Kraftstofftransport hat es einige Flugzeuge zu Tankern umgerüstet. "Your passage to the north" ist das Firmenmotto von Buffalo Airways:´- Ihre Passage in den Norden. "Wir fliegen dorthin, wo der Auftragsgeber uns braucht – wie ein Taxiunternehmen", erzählt Mickey. Dabei ist im Geschäft mit den Diamant- und Edelmetallminen Diskretion angesagt. Details über die exakten Frachtmengen will Mickey uns deshalb nicht geben. Doch klar ist: Der Umsatz steht und fällt mit den Aufträgen der Minen. Als 1980 die Ausbeute beim Goldschürfen immer mehr zurückging und eine Mine nach der anderen ihren Betreib einstellte, musste auch Buffalo Airways den Kunkurs anmelden und alle Maschinen bis auf eine einzige DC-3 verkaufen. Patriarch Joe ließ sich davon aber nicht unterkriegen.

Heute sind es vor allem Diamantminen, die das Geschäft der Airline wiederbelebt haben und die Flotte auf knapp 30 Maschinen anwachsen ließen. Um die teils historischen Flugmaschinen in der Luft zu halten, bedarf es einer zuverlässigen Ersatzteilversorgung. Das ist nicht immer ganz einfach, denn die wenigsten Teile werden heute noch produziert. Deshalb verfügt Buffalo Airways vor allem am Standort Hay River über eine nochmal rund doppelt so große Flotte an gegroundeten Maschinen, die nun als Teilespender dienen. Wie viele Flugzeuge das genau sind, darüber spricht man bei Buffalo nicht – aber vielleicht hat selbst Joe irgendwann aufgehört zu zählen. Weil es ihm nicht allzu wichtig ist: Schließlich zählt nur, dass der Laden am Laufen bleibt. Immer.

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"Ice Pilots" machte die Airline schließlich über die Grenzen des Northwest Territories hinaus bekannt. Die kanadische TV-Reality-Doku begleitete die Fluglinie von 2009 bis 2014 und schliderte ihren Alltag in sechs Staffeln. Störte das Filmteam anfangs noch im Arbeitsablauf des täglichen Flugbetriebs, waren die Kameras bald fester Bestandteil des Firmenalltags und der anfangs noch kamerascheue Firmenchef Joe avancierte schnell zum oft schimpfenden und fluchenden Serienstar. Noch heute pilgern so viele Begeisterte nach Yellowknife, dass es eine tägliche Hangartour gibt. Im Fanshop verkauft die Airline Kapuzenshirts, Mützen und Fliegerjacken mit ihrem Logo.

Mittlerweile hat Buffalo Airways rund 120 Mitarbeiter. Keiner der etwa 30 Piloten ist direkt im Cockpit gelandet. Wen Joe fliegen lässt, der muss sich zuvor als Bodenpersonal bewähren. Paletten verzurren und für den Flug vorbereiten, tonnenweise Fracht be- und entladen, die Flugzeuge bei klirrender Kälte im Winter von Schnee und Eis befreien. Wer welchen Rang auf der Senioritätsliste einnimmt, entscheidet die Einsatzbereitschaft jedes einzelnen. In der bunten Flotte von Buffalo Airways ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Pilot gleich bis zu drei verschiedene Muster gleichzeitig fliegen darf.

Die einzige tägliche Linienverbindung der Airline, mit einer DC-3 von Yellowknife im Süden des Großen Sklavensees nach Hay River an dessen nordöstlichen Ufer, wurde 2015 eingestellt. Seither findet Passagiertransport bei Buffalo Airways im Charterbetrieb mit moderneren Maschinen statt: Das übernimmt jetzt eine Flotte von Beechcraft King Airs. Die DC-3 fliegt auf der Strecke nur noch Fracht.

Lizenzentzug nach Unfallserie

Das hat auch damit zu tun, dass die kanadische Zivilluftfahrtbehörde am 30. November 2015 Buffalo Airways die Betriebsgenehmigung entzog – wegen mangelnder Sicherheitskultur. Allein zwischen 2012 und 2015 hatte es vier Notlandungen gegeben. Eine wegen eines Triebwerksbrands, drei, weil sich das Fahrwerk nicht oder nur teilweise ausfahren ließ. Einmal war der Grund ein im Fahrwerksschacht vergessener Hammer, der die Mechanik blockierte. Ein externer Gutachter kam zu dem Schluss, der Hauptgrund liege in der Art, wie Joe McBryan das Unternehmen führe. Sein Fazit: Wann immer ein Kunde drigend noch ein Frachtstück auf dem Flieger benötigte, ließ Joe es einpacken – Beladungsgrenzen hin oder her. 50 Jahre Erfahrung hat Buffalo Joe mittlerweile in der Luftfahrtbranche, in den gesamten Northwest Territories schätzt man seine Einstellung, alles möglich zu machen. Erst als Buffalo Joe sich schriftlich verpflichtete, sich aus dem Alltagsgeschäft weitgehend zurückzuziehen, und Sohn Rod als verantwortlicher Geschäftsführer eingesetzt wurde, erhielt die Fluglinie ihre Lizenz zurück.

Joe weigerte sich während dieser Zeit, auch nur einen einzigen seiner 113 Mitarbeiter zu entlassen und zahlte die Gehälter weiter – obwohl Buffalo Airways keinen einzigen Dollar Umsatz machte. Joe hält die Dinge eben am Laufen. Immer.

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