Gulfstream G500 im Testprogramm

Business Jet
Gulfstream G500 im Testprogramm

Veröffentlicht am 20.02.2017

Gleichteile sparen Geld und vereinfachen den Betrieb. Was in der Automobilindustrie bis zur Perfektion praktiziert wird, wurde von Airbus bereits Ende des letzten Jahrhunderts auf Flugzeuge übertragen und macht auch vor den Business Jets nicht halt. Dassault hat es mit dem Paar Falcon 7X und 8X vorgemacht, Gulfstream zieht jetzt mit den Zweistrahlern G500 und G600 nach. Die gleichen und doch ungleichen Geschwister sollen mit etwa einem Jahr Versatz Ende 2017 beziehungsweise 2018 ihren Dienst antreten.

Nicht verwechselt werden darf die nun kommende G500 mit der „alten“ G500, die 2004 in Dienst gestellt wurde und eine abgespeckte Variante der bis heute gebauten und erfolgreichen G550 ist. Die etwa 45 Millionen Dollar (ca. 43 Mio. Euro) teure G500 wird dann die Nachfolge der G450 antreten, deren Produktionsende zum Jahr 2018 Gulfstream bereits bekannt gegeben hat. In Branchenkreisen wird spekuliert, ob der G550 mit der G600 ein ähnliches Schicksal widerfahren wird. Deren Abmessungen sind nahezu identisch, die 600 unterliegt ihr bei der Reichweite zwar um 1020 Kilometer, verfügt allerdings über die deutlich modernere Architektur und Technologie im Cockpit.

Wer nicht weiter als 9260 Kilometer weit reisen will, ist mit der G500 sehr gut bedient. Für Strecken bis 11 480 Kilometer steht die G600 bereit. Die größere Reichweite wird mit größeren Tanks erkauft. Der eineinhalb Meter längere Rumpf kommt auch der Kabine zugute, sodass sich die entsprechend längere Flugzeit in einem weniger gedrungenen Ambiente genießen lässt. Ansonsten nutzen beide Modelle dieselbe Grundstruktur mit den für Gulf­stream typischen großen, ovalen Seitenfenstern.

Beiden gemein ist damit auch das, wo-rauf der Hersteller besonders stolz ist: Symmetry Flight Deck ist die Marketingbezeichnung des neuartigen Cockpits. Dahinter verbirgt sich ein Instrumentenbrett, das speziell auf den Zweimannbetrieb ausgelegt ist. Alle Anzeigen und Displays sind in gleicher Form auf beiden Seiten vorhanden, Schalter und Bedienknöpfe sind von beiden Seiten aus gleich gut zu erreichen.

Touchscreens und Sidesticks

Herzstück des Cockpits und zugleich eine Premiere für die Amerikaner sind Sidesticks, die in eine Fly-by-Wire Steuerung münden. Laut Flugtestpilot Eric Holmberg orientiert sich das Design am Kampfjet F-35. Im Vergleich zu den sonst meist nicht miteinander gekoppelten Joysticks anderer Flugzeugmodelle bewegen sich die in der G500/G600 synchron. Das hat den Vorteil, dass der jeweils nicht-fliegende Pilot stets durch seine Hand auf dem Steuerknüppel intuitiv spürt, was sein Kollege macht, und eine eventuelle Gefahrensituation nicht erst über die Instrumente interpretieren muss. Den Piloten im „Loop“ zu halten, das ist allgemein die dem Cockpit zugrunde liegende Philosophie. So hat sich Gulfstream gegen ein automatisches Trimmsystem entschieden, die Piloten müssen manuell trimmen, sobald der Autopilot ausgeschaltet ist.

Ein weiteres Novum ist die Bedienkonsole an der Cockpitdecke: Hier kommen fast ausschließlich Touchscreens zum Einsatz. Lediglich die häufig genutzten Schalter, wie die für die Lichter, sind noch herkömmlich ausgeführt. Diese Herangehensweise erlaube es, das Flugzeug in einer viel kürzeren Zeit vom Einschalten bis zur fertigen Startkonfiguration vorzubereiten, da sich die meisten Systeme um sich selbst kümmern und keinen Input des Piloten benötigen.

Die Interaktion mit dem Flugmanagement-System findet ebenfalls über Touchscreens statt. Die Navigationsanzeigen lassen sich mittels Joystick, der auch einen Cursor auf dem Display steuern kann, frei nach Flugphase konfigurieren. So können beispielsweise Anflugkarten eingeblendet sowie Triebwerks-parameter größer und kleiner angezeigt werden. Am Boden gibt es zur Unterstützung beim Rollen eine 3D-Karte. Diese Karte ähnelt einem Navigationssystem im Auto und erleichtert es den Piloten, Rollwege korrekt zu identifizieren und die Anweisungen des Lotsen schnell umzusetzen. Ein Synthetic Vision System, das die Sicht bei Schlechtwetteranflügen durch Infrarotkamera und Rückgriff auf Kartendaten verbessert, ist in dieser Klasse mittlerweile fast obligatorisch.

Ungestört sollen auch die Passagiere sein. Für bis zu 19 ist die Kabine beider Modelle zugelassen, und sie kann in unzähligen individualisierbaren Versionen bestückt werden. Dort kommt die gleiche Ausstattung wie in Gulfstreams Spitzenmodell G650 zum Einsatz. Bis zu vier Zonen für Arbeit, Essen oder Schlafen sind in der G600 möglich.

Angetrieben werden beide Modelle mit Triebwerken aus der jüngsten Pratt &Whitney-Canada-Serie PW800 in zwei unterschiedlichen Schubratings. Die Neuentwicklung wurde 2015 zertifiziert und wird ihr Debüt an den Gulfstream-Geschwistern geben. Eine weitere Version war für die inzwischen eingestampfte Cessna Citation Columbus vorgesehen.

Lieferungen sollen Ende 2017 beginnen

Derzeit befindet sich die G500 im Zulassungsprogramm, welches 2017 abgeschlossen werden soll. Insgesamt sind vier Prototypen in der Luft. Während die ersten beiden für das Erfliegen des Flugspektrums eingesetzt wurden, konzen-trierte sich der dritte auf die einzelnen Systeme an Bord. Parallel zu den Flugtests, die im Oktober die Marke von 1600 Stunden überschritten hatten, führt Gulfstream umfangreiche Tests am Boden durch. So wurde zum Beispiel im Juni 2016 der Bruchtest bei 150 Prozent der maximalen Belastung bestanden. Die Ermüdungsversuche, die über die dreifache Lebensdauer laufen, sollten vor Ende 2016 begonnen haben. Darüber hinaus wurden Klimatests im McKinley Climatic Laboratory auf der Eglin AFB durchgeführt.

Eine große Rolle spielen auch Versuchsläufe auf dem sogenannten „Iron Bird“. Auf einem Metallskelett sind sämtliche Flugzeugsysteme wie Elektrik, Fahrwerke, Flugsteuerung und Hydraulik installiert und durchlaufen in Echtzeit Flugzyklen. Gesteuert wird die Prüfvorrichtung aus einem Cockpitsimulator. Insgesamt wurden auf dem Teststand bereits 57 000 Flugstunden simuliert. So konnte der Hersteller kostengünstig und bereits früh in der Entwicklungsphase etwaige Schwachstellen erkennen und abstellen. So kommt es auch, dass nur etwa 20 Prozent der Testflüge der Erprobung durch den Hersteller dienen. Der Großteil der realen Flüge ist notwendig, um den Anforderungen der Zulassungsbehörden zu genügen.

Mit dem fünften, mit einer vollständigen Kabinenausstattung versehenen Flugzeug wird aktuell die Zuverlässigkeit der Komfortfunktionen im täglichen Flugbetrieb getestet. Parallel dazu läuft bereits die Endmontagelinie mit ersten Serienflugzeugen hoch. Gulfstream hat daher die ursprünglich für 2018 geplante erste Auslieferung auf das vierte Quartal 2017 vorverlegt.

Um etwa ein Jahr zeitversetzt folgt die G600, die ebenfalls einen kleinen Vorsprung auf die Planung herausgearbeitet hat. Die Testpiloten Scott Martin und Todd Abler starteten mit dem ersten Prototyp am 17. Dezember 2016 zum Jungfernflug.

Daten: G500

Gulfstream Aerospace G500

Allgemeine Angaben

Typ: Langstrecken-Geschäftsreisejet
Hersteller: Gulfstream Aerospace, Savannah, Georgia, USA
Besatzung: 2
Passagieremaximal: 19
Antrieb: 2 x Pratt & Whitney Canada PW814GA
Startschub: 2 x 67,36 kN

Abmessungen

Länge: 27,78 m
Höhe: 7,78 m
Spannweite: 26,55 m
Kabinenlänge: 12,65 m
Kabinenhöhe: 1,93 m
Kabinenbreite: 2,41 m
Kabinenvolumen: 48,56 m3
Gepäckraumvolumen: 4,96 m3

Massen

Leermasse mit 3 Besatzungsmitgliedern: 21 137 kg
max. Nutzlast_2495 kg
Nutzlast mit max. Kraftstoff: 815 kg
max. Kraftstoff: 13.085 kg
max. Startmasse: 34.860 kg
max. Landemasse: 29.190 kg

Flugleistungen

Langstrecken-Reisegeschwindigkeit: Mach 0.85 / 904 km/h
Hochgeschwindigkeits-Reiseflug: Mach 0.9 / 956 km/h
maximale Reiseflughöhe: 15.545 m
Startstrecke (max. Startmasse): 1585 m

Reichweite:
bei Mach 0.8: 59260 km
bei Mach 0.9: 7035 km
(jeweils mit 8 Passagieren und Reserven)

FLUG REVUE Ausgabe 02/2017