Comac C919: Chinas Airbus nimmt fahrt auf

Comac C919
Chinas Airbus nimmt Fahrt auf

Veröffentlicht am 06.01.2025

Die C919 sieht auf den ersten Blick wie eine A320-Kopie aus, doch natürlich besteht Comac darauf, dass dies das erste Düsenverkehrsflugzeug in dieser Klasse ist, "das von China unabhängig und in Übereinstimmung mit interna- tionalen Lufttüchtigkeitsstandards entwickelt wurde und über ein eigenes geistiges Eigentumsrecht verfügt". Der Programmstart war 2008, und damals sah man den Erstflug im Jahr 2014 vor.

Sicht auf einen Comac C919-Prototypen im Steigflug.
AirTeamImages/Weimeng

Unterstützung durch westliche Zulieferer

Als Triebwerk wurde im Dezember 2009 das Leap-X von CFM International ausgewählt. Ein entsprechender Vertrag wurde beim Besuch des damaligen französischen Premierministers Francois Fillon in Peking unterzeichnet. Auch eine ganze Reihe von weiteren westlichen Zulieferern kam zum Zug. So liefert Hamilton Sundstrand das elektrische System, während Honeywell für die APU und das Fly-by-Wire-System (Joint Venture mit dem Flight Automatic Control Research Institute) und Parker für Hydraulik- und Kraftstoffsysteme ausgewählt wurden. Liebherr-Aerospace erhielt einen Vertrag über die Konstruktion und Lieferung des Fahrwerks. Der Mitte 2010 verkündete Deal beinhaltete die Gründung eines Joint Ventures mit AVIC Landing Gear Advanced Manufacturing in der Provinz Hunan. Am 24. November 2011 verkündete Comac (Commercial Aircraft Corporation of China, Ltd.) den Abschluss der Definitionsphase. Mithilfe des Supercomputers Tianhe-2 wurde die Aerodynamik der C919 entworfen. Im Juni 2011 unterzeichneten Comac und die irische Billigfluggesellschaft Ryanair sogar eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Entwicklung der C919. Diese ist für 160 bis 190 Passagiere vorgesehen, bei Reichweiten von 4000 bis 5500 Kilometern. Bereits im August 2010 begann die Jiangxi Hongdu Aviation Industry (Provinz Nanchang) mit dem Bau der ersten vorderen und hinteren Rumpfsektionen für die C919. Die Produktion des ersten C919-Prototyps lief dann am 9. Dezember 2011 an. Zwischenzeitlich konnte Comac zahlreiche Bestellungen von chinesischen Firmen verkünden. Bis zur Singapore Airshow im Februar 2012 gab es elf Kunden für 235 Flugzeuge.

Die Comac 919 bei ihrem Erstflug im Landeanflug.
Airteamimages/Weimeng

Erstflug im Mai 2017

Die Endmontage der C919 begann dann offiziell im September 2014. Parallel liefen die Tests auf dem Iron Bird auf Hochtouren. Die Endmontage verlief im Vergleich zum Regionaljet ARJ21 deutlich reibungsloser, sagte Comacs Chef-ingenieur Jiang Liping. Im September 2015 war die Montage der Zelle weitgehend abgeschlossen und die Installation von Kabelbäumen und Rohren wurde begonnen. Die Roll-out-Feier, an der die wichtigsten Politiker des Landes, Airline-Chefs und Vertreter von Luftfahrtbehörden teilnahmen, fand schließlich Anfang November 2015 statt. Zwar erklärte das Unternehmen, dass das Flugzeug bereit für die Bodentests sei, in Wirklichkeit war jedoch noch viel zu tun. Teile der Maschine 101 mussten wieder demontiert werden – darunter die Triebwerke und die Steuerflächen, um Arbeiten an verschiedenen Systemen durchführen zu können.

Im Dezember 2016 erreichte CFM International die EASA- und FAA-Zulassung für das Leap-1C. Das aus Triebwerk, Triebwerksgondel und Schubumkehr bestehende Leap-1C Integrated Power System ist die dritte Version der neuesten Triebwerksfamilie von CFM. Die Hochgeschwindigkeits-Rolltests begannen schließlich im April 2017, und der Erstflug in Shanghai fand am 5. Mai 2017 statt. Die Maschine B-001A hob um 14:00 Uhr Ortszeit von der vierten Startbahn des internationalen Flughafens Pudong ab. Im Cockpit saßen Flugtestkapitän Cai Jun, Copilot Wuxi und der Flugbeobachter Qian Jun, während in der Kabine die Flugtestingenieure Zhang Da Wei und Ma Fei dabei waren. Nach knapp eineinhalb Stunden wurde wieder gelandet. Der Jungfernflug wurde live im chinesischen Fernsehen übertragen. Für das Testprogramm waren 4200 Flugstunden vorgesehen. Erst Ende September folgte dann der zweite Flug, der über zweieinhalb Stunden dauerte. Der zweite Prototyp absolvierte am 17. Dezember 2017 einen zweistündigen Jungfernflug ab ShanghaiPudong. Die erste Maschine wurde derweil am10. November nach Xi’an Yanliang überführt, um die Tests fortzusetzen. Bis Mitte Juli 2018 wurden etwa 100 Flüge erreicht. Parallel liefen die Bruchtests am Boden, wobei ein Manöver mit 2,5 g und eine maximale Flügelbelastung von 150 Prozent simuliert wurden.

Blick in eine volle Flugzeugkabine einer Comac C919 der Airline China Eastern.
China Eastern

Sechs Prototypen

Am 28. Dezember 2018 kam die dritte C919 (B-001D) in die Luft. Der Flug dauerte eine Stunde und 38 Minuten und es wurden 31 Testpunkte abgedeckt, sagte Comac. Nummer vier folgte am 1. August 2019. Der Testflug dauerte eine Stunde und 25 Minuten und umfasste Avioniktests, Start und Landung sowie Prüfung der Enteisung. Die beiden weiteren C919 für die Flugtests starteten dann am 24. Oktober und am 27. Dezember 2019. Knapp ein Jahr später folgte von der Zivilluftfahrtbehörde CAAC die sogenannte "type inspection authorisation". Da standen die Kältetest noch aus, die im Januar 2020 in der Inneren Mongolei mit Flugzeug Nummer 105 bei Temperaturen von bis zu -40 °C durchgeführt wurden. Das erste Kundenflugzeug war im Frühjahr 2022 fertig und flog am 16. Mai in Shanghai. Im Juli wurde dann bekannt gegeben, dass die "Testflüge erfolgreich abgeschlossen" worden seien. Sechs C919 hatten das Programm durchgeführt, bei dem "die Schwierigkeiten der chinesischen Pandemiemaßnahmen berücksichtigt werden mussten". Die feierliche Übergabe der Zertifizierungsurkunde durch die CAAC an Comac fand schließlich am 29. September 2022 in Peking statt. Bei der Airshow in Zhuhai kurz zuvor waren noch einmal 300 Bestellungen von CDB Leasing, ICBC Leasing, CMB Financial Leasing, Bocom Leasing, CCB Financial Leasing, SPDB Financial Leasing sowie Jiangsu Financial Leasing bekannt gegeben worden. China Eastern Airlines erhielt im Dezember 2022 als erster Kunde eine C919. Das Flugzeug mit der Kennung B-919A (MSN107) wurde von Pudong zum Flughafen Hongqiao überführt, der sich ebenfalls in der ostchinesischen Stadt befindet. Nach einem Testprogramm nahm China Eastern am 28. Mai 2023 den regulären Betrieb mit der C919 auf. Der Flug MU9191 startete um etwa 10:33 Uhr Ortszeit vom Flughafen Hongqiao in Shanghai und flog in knapp zwei Stunden zum Hauptstadtflughafen von Peking. Regulär wurde die C919 zunächst auf täglichen Flügen von Shanghai Hongqiao zum Flughafen Chengdu Tianfu eingesetzt. Bis zur zweiten Lieferung dauerte es jedoch noch bis zum 14. Juli 2023, als China Eastern die B-191C (Ex-Testflugzeug B-001K) übernahm.

Sicht auf eine Comac C919 von China Eastern.
China Eastern

Debüt in Singapur

Ihr internationales Debüt auf einer großen Luftfahrtschau gab die C919 im Februar 2024 bei der Singapore Airshow. Ein Exemplar nahm an der Flugschau teil und ein weiteres war in der Ausstellung am Boden zu sehen. Christian Scherer, CEO von Airbus für Verkehrsflugzeuge, sagte auf der Messe, er gehe zwar nicht davon aus, dass der neue Zweistrahler Airbus und Boeing kurzfristig signifikante Marktanteile abnehmen wird, meinte aber auch, dass man "den Kopf nicht in den Sand stecken" dürfe, während China seine Marketingbemühungen für das Schmalrumpfflugzeug intensiviere. Vorerst geht es aber noch langsam voran. Im Juni 2024 nutzte China Eastern den Jet für einen Charterflug von Hongkong nach Shanghai. Laut der SkyTeam-Fluggesellschaft waren Studenten an Bord, die an einem Austauschprogramm mit ihren Shanghaier Kommilitonen teilnahmen. Ende August 2024 erhielten Air China und China Southern Airlines bei einem gemeinsamen Event ihr jeweils erstes Exemplar. Air Chinas erste C919 war dabei eine Variante mit längerer Reichweite (Kennzeichen B-919X). Air China und China Southern bestellten im April 2024 jeweils 100 C919. Insgesamt liegen nun wohl fast 1000 Festbestellungen vor, während für weitere 700 Flugzeuge vorläufige Verträge bestehen.

Sicht auf eine Comac C919 von China Southern.
GAMECO

Weitere Varianten

Comac entwickelt derweil weitere Varianten. Eine gestreckte Version bietet in einer Zweiklassenkonfiguration Platz für bis zu 210 Passagiere, während die Ausführung für den Betrieb auf hoch gelegenen Flugplätzen Kapazität für etwa 140 Fluggäste hat. Erster Kunde dafür ist Tibet Airlines, das 40 Maschinen geliefert haben will. Diesbezüglich führte die B-001G im September 2024 einen Demonstrationsflug von Chengdu nach Lhasa durch. Der Gonggar-Flughafen in Lhasa liegt etwa 3570 Meter hoch und ist einer der 24 Flughäfen im Land, die als hochgelegen eingestuft werden. China Eastern Airlines hat unter- dessen im Rahmen eines landesweiten SAF-Tests den ersten Flug einer Comac C919 durchgeführt, die mit nachhaltigem Flugkraftstoff (SAF) betrieben wurde. Der Flug MU9192 führte am 19. September 2024 von Peking Daxing nach Shanghai Hongqiao.

Blick in das Cockpit chinesischen Comac C919.
COMAC

Technische Daten Comac C919

Versionen

Es sind verschiedene Passagierkapazitäten geplant, momentan fliegt allerdings nur eine Variante

Design-Merkmale

Konventionell ausgelegter Tiefdecker ähnlich A320 mit Triebwerksgondeln unter den Tragflächen

Besatzung/Passagiere

Besatzung: 2 plus Flugbegleiter

Passagiere: 174 Maximum, 158 normal

Antrieb

2 x CFM International LEAP-1C

Startschub: 2 x 126,63 kN

Abmessungen

Länge: 38,90 m

Höhe: 11,95 m

Spannweite: 35,80 m

Flügelfläche: 129,1 m²

Spurweite: 7,62 m

Radstand: 13,47 m

Rumpfbreite: 3,96 m

Kabinenhöhe: 2,01 m

Laderaumvolumen: 21,73 m³

Massen

Einsatz-Leermasse: 45 700 kg

Nutzlast: 18 900 kg

max. Kraftstoff: 24 915 l

max. Masse ohne Kraftstoff: 64 600 kg

max. Startmasse: 75 100 kg oder 78 900 kg (C919 ER)

max. Landemasse: 67 800 kg

Flugleistungen

Reisegeschwindigkeit: Mach 0.785, ca. 840 km/h

Dienstgipfelhöhe: 12 100 m

Startstrecke: 2050 m mit max. Startmasse

Landestrecke: 1855 m mit 65 000 kg

Reichweite: 2630 km mit max. Nutzlast, 6200 km mit max. Kraftstoff

Struktur

Weitgehend konventionelle Aluminiumstruktur, nur etwa zwölf Prozent Verbundwerkstoffe

Fahrwerk

Bugfahrwerk mit zwei Rädern, Hauptfahrwerk mit insgesamt vier Rädern

Systeme

Avionik von Collins Aerospace und Honeywell.