Die 747-8 ist das Flugzeug mit den niedrigsten Betriebskosten pro Sitz“, behauptet Boeings Jumbo-Programmvorstand Bruce Dickinson. „Sie schlägt sogar eine A380, obwohl die mehr Sitze hat. Der Flügel ist besser und die Triebwerke – die Dinge, auf die es ankommt, sind moderner als bei der A380“, sagt Dickinson bei einer Präsentation in Everett. „Der Jumbo hat seine eigene Nische. Besonders, wenn man, so wie Lufthansa, eine große Premium-Kabine einbaut. Deshalb passt die 747-8 auch perfekt in Boeings künftige Produktfamilie.“ Von der kleinen 737 MAX 7 bis zur großen 747-8 könne der US-Hersteller damit das gesamte Kapazitätsspektrum fein abgestuft abdecken, erklärt der Ingenieur anhand einer Grafik. Beim europäischen Konkurrenten Airbus klaffe dagegen eine größere Sitzplatzlücke zwischen der A350-1000 und A380-800. Boeing rechnet langfristig mit der 747, selbst wenn es eines Tages parallel die zweistrahlige 777X gibt, dies soll der Auftritt des Programm-Managers demonstrieren.
Seine neue Zuversicht begründet er auch mit einer steigenden Frachternachfrage: „Der weltweite Frachtermarkt erholt sich schon seit einem Dreivierteljahr und wächst in den Jahren 2014 und 2015. Das ist wichtig fürs 747-Programm“, sagt Dickinson. Noch entscheidender werde aber mittelfristig der wachsende Ersatzbedarf für die heutige Frachterflotte sein, darunter viele 747-400F. Ab den Jahren 2022 und 2023 müssten viele dieser Frachter ersetzt werden. Laut Boeing-Marktforschung würden in den nächsten 20 Jahren weltweit insgesamt 840 neue Frachter benötigt, darunter 590 große, wie 777F und 747-8F. Hier winken dreistellige Aufträge für neue Frachtjumbos, hofft Bruce Dickinson. „Wir blicken einfach auf die Ersatzzyklen der Airlines.“
Damit die 747-8, angesichts der allgemeinen Nachfrageschwäche bei Vierstrahlern und eines schwindenden Auftragsbestandes, die Zeit bis dahin übersteht, setzt Boeing auf Sparmaßnahmen. „Wir bauen derzeit 16 Flugzeuge pro Jahr, aber wir könnten die 747 auch mit geringerer Stückzahl profitabel herstellen“, sagt Dickinson. Immer höhere Produktionseffizienz und eine immer besser eingespielte, allerdings auch leicht verkleinerte Mannschaft verbilligten den Aufwand pro Flugzeug. Gerade baut Boeing gleich zehn Passagierflugzeuge der Version Boeing 747-8 Intercontinental in Folge, unter anderem für Lufthansa, Korean Air und Air China. Auch damit will der Hersteller Kosten sparen. Denn der aufwendigere Bau der Jumbo-Passagierausführung mit großem Buckel, Küchen, Waschräumen und Passagierkabine dauert erfahrungsgemäß 25 bis 30 Prozent länger als der Bau eines Frachters, von denen Boeing dreimal so viele produziert. Durch den Bau in Reihe, mit den immer gleichen Handgriffen, habe man pro „Intercontinental“ rund 15 000 Mannstunden gespart, gab Boeing bekannt.
Bruce Dickinson will aber auch sein Produkt noch optimieren, um dessen Absatz wieder anzukurbeln. „Wir investieren immer weiter in den Jumbo.“ Neu gebaute 747-8 seien im Kerosinverbrauch schon jetzt 3,5 Prozent niedriger als die ersten Exemplare von 2012, rechnet Dickinson vor. Auch die Betriebskosten seien um zwei Prozent gesenkt worden. Boeing habe die Jumbo-Struktur schon um über vier Tonnen abgespeckt und nehme gerade nochmals 450 Kilogramm Masse heraus. Zunehmend rücken jetzt Detailarbeiten ins Blickfeld. So verbessere man gerade die Aerodynamik, indem man die Aufhängung aller Ruderflächen für die Verhältnisse in extrem kalter Höhenluft, also für den Reiseflug, feinjustiere, so dass dann keinerlei Ritzen oder Fugen mehr bestünden.
Lufthansas Nummer 20 bleibt bei Boeing





Ironischerweise haben gerade Boeings erfolgreiche Bemühungen, die 747-8 zu verbessern, den Hersteller einen festen Auftrag gekostet: Ursprünglich hatte Erstkunde Lufthansa nämlich 20 Flugzeuge geordert, darunter die erste gebaute 747-8 Intercontinental, für die nur ein kleines Testprogramm als Ergänzung zum Frachter vorgesehen war. Weil aber dieses Flugzeug für die mittlerweile erfolgten Triebwerksupdates, die verspätete Zulassung des Hecktanks und weitere Verbesserungen länger als erwartet in der Luft war, passen seine Wartungsintervalle nicht mehr zu denen der restlichen Flotte. Deshalb war Lufthansa von der Abnahme dieses – jedenfalls für ihren Bestand - „Exoten“ wieder zurückgetreten. Boeing hat diese 747-8 dennoch im Serienstandard bis vor kurzem aufwendig nachgerüstet, vermutlich, um sie als VIP-Jet zu verkaufen.
Mit der Auslieferung des „größten Retrojets der Welt“, wie der Lufthansa-Direktor für den Flugzeugeinkauf, Stefan Sippel, in Everett seine in historischen Farben lackierte 747-8, Nr. 18, D-ABYT, nannte, und mit der bei Erscheinen dieser Ausgabe geplanten Übernahme der abschließenden Nr. 19, D-ABYU, geht bei Lufthansa eine Ära zu Ende. Nicht weniger als 80 Jumbo Jets der unterschiedlichen Generationen hat die deutsche Airline seit 1970 übernommen. Auch von Airbus hat Lufthansa kürzlich ihren vorläufig letzten neuen Vierstrahler – von 14 bestellten A380 – erhalten.
Neue Flugzeuge, auch aus Everett, erhält Lufthansa aber weiterhin. So sind die örtlichen Abnahmeteams von Lufthansa Technik bereits mit den ab Anfang 2016 an Swiss auszuliefernden sechs Boeing 777-300ER beschäftigt. Der Kauf dreier weiterer 777 für Swiss ist bereits von Lufthansa genehmigt und angekündigt. In den Jahren 2019 und 2020 kommen von hier auch neue Boeing 777-9X für Lufthansa. Und nicht zu vergessen die 777-Frachter, die nach dem Joint Venture Aerologic nun auch Lufthansa Cargo direkt erhält.
Stille Einführung ohne Fanfaren





Die geplante Feier in Seattle zur Übernahme der „Yankee Tango“ wurde von Lufthansa, wie auch ein Festakt zum 60-jährigen Bestehen des 1955 juristisch neu gegründeten Unternehmens, wegen des Germanwings-Unglücks kurzfristig abgesagt.
Nach der Auslieferung erhielt der Retrojet in Frankfurt bei Lufthansa Technik die noch fehlenden Sitze für die Premium Economy und die Economy Class, bevor die „Köln“ am 15. April erstmals mit zahlenden Passagieren nach New York startete. Lufthansa bedient die Ziele Bangalore, Boston, Buenos Aires, Chicago, Hongkong, Los Angeles, Mexiko-Stadt, New York und Rio de Janeiro mit ihrem zweiten Flaggschiff. Mit ihren knapp 400 Plätzen gilt die leise 747-8 bei Lufthansa als Ergänzung für die A340-600 mit rund 300 Sitzen und die A380-800 mit 526 Sitzen. Obwohl die Boeing 747-8 rund 5,6 Meter länger ist als eine Boeing 747-400 und 50 Sitze mehr hat, verbraucht sie weniger als ihre kürzere Vorgängerin.
FLUG REVUE Ausgabe 06/2015




