Der Jet-Beschaffer
Wie Lufthansa ihre Flugzeuge einkauft

Wenn der Lufthansa-Konzern neue Flugzeuge benötigt, kommt das Frankfurter Spezialistenteam von LH-Flottenmanager Nico Buchholz zum Einsatz.

Wie Lufthansa ihre Flugzeuge einkauft

Mancher Flugzeugmodellsammler würde wohl feuchte Augen bekommen, wenn er die meterlangen Vitrinen voller Raritäten sähe, die man abschreitet, bevor man das Büro von Nico Buchholz, Leiter Konzern-Flottenmanagement der Deutschen Lufthansa AG, im Frankfurter Hauptquartier von Lufthansa erreicht. Die Vielfalt der originalen Herstellermodelle, von der Concorde, DC-9 oder Galaxy, hier sogar in Lufthansa-Farben, bis zur modernen C919 aus China, vermittelt einen Eindruck vom weltweiten Flugzeugmarkt, den Buchholz für Lufthansa beruflich beobachtet und aus dem heraus die Flugzeughersteller Lufthansa als Schlüsselkunden umwerben.

„Flugzeugeinkäufer ist kein klassischer Beruf“, sagt der studierte Luftfahrtingenieur mit Zweiststudium Luftfahrtmanagement, der nach ersten beruflichen Stationen bei Airbus und Rolls-Royce zur Lufthansa kam. Von Technik, Wirtschaft bis hin zu Recht- und Vertragswesen reichen die Themenfelder, mit denen er und seine Mitarbeiter zu tun haben. „Wir brauchen Kenntnis des gesamten Luftfahrtsystems. Es dreht sich um Produktionsmittel.“ Eine Flugzeugbeschaffung beginne mit der Bedarfsanmeldung durch die Fachabteilungen der Lufthansa. „Wir möchten 500 Sitze von Frankfurt nach Tokio schicken. Was gibt es, was könnte es geben, was sind die Betriebskosten und Unterschiede?“, fragt Buchholz mit der sprichwörtlichen Nüchternheit des Ingenieurs. Dabei blickt er weit voraus auf die Technologien und Märkte der Zukunft, denn ein Flugzeug habe eine wirtschaftliche Lebensdauer von 20 oder 25 Jahren und technisch gesehen einen Lebenszyklus von 40 Jahren. Die milliardenschweren Flottenbestellungen müssen sich amortisieren. Einen Fehlkauf kann sich keine Airline leisten. Die Flugzeuge müssen zuverlässig funktionieren, Geld verdienen und genau den Bedarf des Unternehmens treffen.

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Lufthansa hat 34 Boeing 777X als Boeing-747-400-Ablösung bestellt. Foto und Copyright:

Schon heute gehört deshalb auch eine Einschätzung der Kraftstoffpreise für das Jahr 2030 zu seinen Aufgaben. „Vorhersagen kann man sie nur sehr schwer, das zeigt auch der Rückblick“, räumt Buchholz ein. Stattdessen lässt er drei  Szenarien durchrechnen: fortgeschriebene Preise von heute, tiefere Preise als heute und ein verdoppelter Preis. 

Gleichzeitig melden die Lufthansa-Geschäftsfelder, etwa Passage oder Fracht, bei Buchholz ihren Bedarf an. Die planerische Grundannahme für den Flottenbedarf liegt bei Lufthansa bei einem jährlichen Wachstum von drei Prozent. Zusätzlich rechnen die Planer aber auch ein höheres Wachstum von fünf Prozent und ein geringeres von nur einem Prozent durch. Bei unerwartet starkem Wachstum kann die Fluggesellschaft ältere Flugzeuge länger in der Flotte halten, sodass diese mit den Neuzugängen wächst. In schwachen Nachfragephasen nutzt man Neuzugänge dagegen für den Ersatz der Bestandsflotte. Auch gegen verspätete Auslieferungen ist Buchholz planerisch gewappnet: „Wir unterstellen das Beste, aber verkaufen nicht, bevor wir den Ersatz auf dem Hof haben. Wenn ein Muster später kommt, ist es unschön, aber meistens können wir trotzdem fliegen.“ Nicht immer kauft Buchholz neue Flugzeuge nach. So habe sich der Boeing-747-400-Bestand bei Lufthansa zehn Jahre lang nicht verändert. Dank guter Wartung habe sich die Zuverlässigkeit in dieser Zeit sogar um ein Prozent verbessert.

„Lohnt es sich zu warten?“, nennt Buchholz eine Kernüberlegung, wenn neue Technologien vor der Tür stehen. Außerdem sei Lufthansa beim Kaufverhalten konservativ. „Wir kaufen auch mal 14 und nicht 15 Flugzeuge und rechnen das genau aus. Zu viel zu haben kann, auch mit guten Konditionen, sehr teuer sein.“

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Auch vom neuen Jumbo Jet hat Lufthansa „nur“ 19 Flugzeuge bestellt. „Die Boeing 747-8 ist für uns das richtige Flugzeug. Sie liegt 130 Sitze unter der A380. Das ist definitiv ein anderes Marktsegment.“ Mit 14 Airbus A380, 19 Boeing 747-8 und 34 bestellten Boeing 777X sieht Buchholz sich gut gerüstet, die 30 vorhandenen Boeing 747-400 bei Lufthansa allmählich abzulösen, Wachstumsreserven inklusive. 

Begeistert ist er von den nächsten Standardrumpfflugzeugen: „neo oder MAX, das sind Riesenschritte. Eine Verbrauchsverbesserung von 15 Prozent ist gigantisch“, lobt er beide Hersteller. Bei einem Anteil der Treibstoffkosten von 20 bis 40 Prozent bei Kurzstreckeneinsätzen verbesserten sich die Betriebskosten im Ergebnis dadurch um drei bis sechs Prozent, überschlägt Nico Buchholz. „Aber ohne die C-Series hätte es nie die neo gegeben und ohne die neo nie die MAX“, bilanziert der Flottenbeschaffer. 

Buchholz kauft für den gesamten Lufthansa-Konzern ein. So habe die türkische Tochter SunExpress die Boeing 737 MAX schon „auf dem Schirm“. Auch für Edelweiss und Germanwings sei ein 189-Sitzer grundsätzlich interessant, verrät er.

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