An Premieren mangelte es der Business Aircraft Convention & Exhibition der NBAA Mitte Oktober in Las Vegas nicht. Bombardier Global 7000, Gulfstream G600 und Stratos 714 waren zum ersten Mal auf der weltgrößten Messe für Business Aviation zu sehen, und Embraer brachte ein Update seiner Phenom 300 mit nach Las Vegas. Mehr als 1100 Aussteller und über 100 Flugzeuge sowohl am Henderson Executive Airport als auch im Convention Center machten die Dimensionen des Branchentreffs deutlich.
Pilatus

Gute Nachrichten gab es aus der Schweiz: Noch in diesem Jahr erwartet Pilatus die EASA- und FAA-Zulassung für die Pilatus PC-24. Dann soll auch die Übergabe des ersten Jets an das US-Unternehmen PlaneSense erfolgen. Die drei Prototypen haben in 1250 Flügen zusammen mehr als 2000 Stunden absolviert. Nach Las Vegas kam Prototyp P02.
Pilatus selbst bezeichnet die PC-24 als „Super Versatile Jet“, der auch auf unbefestigten Pisten starten und landen kann. Zeitgleich mit der Zertifizierung für das Flugzeug wird auch der Simulator zugelassen sein. Das Training übernimmt dann Flight Safety. Kunden, die den Zweistrahler bestellen möchten, müssen sich in Geduld üben: Pilatus hat nach den ersten 84 Bestellungen aus dem Jahr 2014 das Auftragsbuch noch nicht wieder geöffnet.
Bombardier
Bombardier landete mit dem vierten Prototyp seines Long-Range-Business-Jets Global 7000 in Las Vegas. FTV4 (Flight Test Vehicle), getauft auf den Namen „The Architect“, dient der Erprobung der Kabinensysteme und des Komforts für die Passagiere.
Die Flotte hat bisher rund 900 Stunden in der Luft verbracht; die Tests beinhalteten Flüge bei großer Hitze in Kalifornien ebenso wie Flüge bis fast zum Nordpol. Der Jet mit einer Reichweite von 13 705 Kilometern und Platz für bis zu 19 Passagiere soll in der zweiten Hälfte 2018 in Dienst gestellt werden. Ein fünfter Prototyp soll folgen. Die Produktion der ersten acht Kundenflugzeuge ist angelaufen.
Textron
Textron gab die anstehende Auslieferung der 100. Cessna Latitude bekannt, sie ist das derzeit größte Muster im Portfolio des Flugzeugbauers aus Wichita. 26 Monate nach der Übergabe des ersten Exemplars geht das Jubiläumsflugzeug an NetJets. Der Fractional-Ownership-Betreiber hat 200 Bestellungen für den Midsize Business Jet getätigt. „Vor zweieinhalb Jahren gab es dieses Geschäft für uns noch gar nicht. Heute ist es ein Milliardengeschäft“, sagte Scott Ernest, Chef von Textron Aviation.
Unterdessen ist die Cessna Longitude auf der Zielgeraden zur Zulassung. Knapp 1300 Flugstunden war der Jet bislang in
der Luft. Das Honeywell-Triebwerk HTF7700L hat kürzlich die FAA-Zulassung erhalten, und die Produktion ist angelaufen. Auf dem Freigelände konnten die Besucher die Longitude in Augenschein nehmen. Auf Kurs sieht sich Textron auch bei der Entwicklung des neuen Topmodells Cessna Hemisphere sowie der Turboprop Denali.
Embraer

Embraer hat seinen Light Jet Phenom 300 einer Modellpflege unterzogen. Die neue 300E – das E steht für „Enhanced“ (verbessert) – legt mit einer verfeinerten Kabine den Fokus auf den Komfort für die Insassen. Die neuen, noch bequemeren Sitze, gefertigt und entwickelt bei Embraer Aero Seating Technologies in Titusville, Florida, sind in verschiedenen Variationen erhältlich.
Das Kabinensteuerungs- und Unterhaltungssystem kommt von Lufthansa Technik. Embraer will die Phenom 300E ab dem ersten Quartal 2018 ausliefern.
Dassault Aviation
Dassault Aviation übt sich derweil in Krisenmanagement. Die Franzosen mussten einen weiteren Schlag für ihr ohnehin verzögertes Falcon-5X-Programm einstecken. „Safran hat uns gerade darüber informiert, dass sich bei Tests Leistungsprobleme mit dem Hochdruckverdichter gezeigt haben. Wir haben noch nicht alle Konsequenzen analysiert, aber wir wissen bereits, dass sich die mit Blick auf die Triebwerksentwicklung ohnehin bereits auf 2020 terminierte Indienststellung noch einmal verschieben wird“, sagte Eric Trappier, Präsident und CEO von Dassault.
Cédric Goubet von Safran Aircraft Engines versicherte, dass man mit Hochdruck an einer Lösung arbeite. In bestimmten Flughöhen und bei bestimmten Geschwindigkeiten reagieren die Triebwerke verzögert auf Leistungsänderungen. Der Langstreckenjet war am 5. Juli im Werk Bordeaux-Mérignac mit nicht serienkonformen Triebwerken zum Erstflug gestartet.
Gulfstream

Erfolgreich laufen die Tests bei Gulfstream. Die beiden Langstreckenjets G500 und G600 haben die Erwartungen an die Reichweite deutlich übertroffen. Die G600 schafft bei einer Geschwindigkeit von Mach 0.85 jetzt 12 040 Kilometer nonstop, das sind 555 Kilometer mehr als erwartet. Die G500 kann bei gleicher Geschwindigkeit 9630 Kilometer zurücklegen, ohne aufzutanken, 370 Kilometer mehr, als anfangs kalkuliert.
Zur Demonstration war eine G500 die 8685 Kilometer lange Strecke von London nach Las Vegas mit Mach 0.88 geflogen. Angetrieben von zwei Pratt & Whitney Canada PW800, erreichen G500 und G600 maximal Mach 0.925. Gulfstream erwartet die Zulassung für die G500 Anfang 2018, gefolgt von der G600 später im Jahr.
Nextant Aerospace
Nextant Aerospace zeigte die 604XT, eine modernisierte Ausführung von Bombardiers Challenger 604. Das Upgrade besteht aus drei Elementen: Das Glascockpit Rockwell Collins Pro Line Fusion mit drei berührungsempfindlichen Bildschirmen ersetzt die alte Avionik. Aerodynamische Optimierungen und verlängerte Flügel sollen die Reichweite um 925 Kilometer erhöhen. Damit könnte die 604XT nonstop von der Ostküste der USA nach Europa fliegen.
Schließlich wurde das Konzept für ein neues Interieur gezeigt. Die 604XT absolvierte ihren Erstflug mit der neuen Avionik am 12. September. Nextant rechnet mit 18 bis 24 Monaten bis zur vollständigen Zulassung.
Stratos 714

Einer der Newcomer auf der NBAA-BACE war der Einstrahler Stratos 714. Seit dem Erstflug Ende 2016 war der Personal Jet 80 Stunden in der Luft. Erflogen wurden vorerst 590 km/h in maximal 5500 Meter Höhe. In der Serie sollen 740 km/h und bis zu 12 500 Meter möglich sein.
Bei der Auslegung des Sechssitzers hat Stratos Aircraft den US-Markt im Visier: 2775 Kilometer Reichweite sind ausreichend, um mit höchstens einer Zwischenlandung jeden Punkt innerhalb des Landes zu erreichen. Zurzeit fliegt der Jet mit einem Pratt & Whitney Canada JT15-D, in der finalen Konfiguration soll das 535E von P&WC zum Einsatz kommen. Knackpunkt ist die Finanzierung: CEO Michael Lemaire sprach von bis zu 200 Millionen US-Dollar (170 Mio. Euro), die erforderlich seien, um den Jet zu Ende zu entwickeln.
XTI Aircraft

Auch XTI Aircraft sucht Investoren für den hybridelektrischen VTOL-Jet TriFan 600. In den Hallen war ein Mockup im Maßstab 1:3 zu sehen. David E. Brody, Gründer und Vorsitzender, sprach von 400 Millionen US-Dollar, die insgesamt benötigt werden. 20 Millionen Dollar sollen zunächst in den Prototyp fließen, der in zwei Jahren fertig sein soll.
Der TriFan 600 wird von drei Mantelpropellern angetrieben, von denen jeder über zwei Elektromotoren verfügt. Dies ermöglicht den Senkrechtstart mit anschließendem Übergang in den Vorwärtsflug. Eine Turbine dient als Generator, um die Batterien zu speisen. XTI verspricht 500 km/h Reisegeschwindigkeit und 1425 Kilometer Reichweite – 200 Kilometer weniger sind es, wenn der Flug mit einem energiehungrigen Senkrechtstart beginnt.
Honeywell-Prognose: Verhaltene Aussichten

„Rückläufige Preise für Gebrauchtflugzeuge, weiterhin niedrige Rohstoffpreise sowie politische und wirtschaftliche Unsicherheiten
in vielen Märkten sind die Sorgen mit Blick auf die Bestellungen neuer Jets, sodass es 2018 nur ein moderates Wachstum geben wird“, sagt Ben Driggs, Vorsitzender für den amerikanischen Gebrauchtmarkt bei Honeywell Aerospace. „Abgesehen davon kommen einige neue und spannende neue Muster auf den Markt, die langfristig zu einem soliden Wachstum bei den Bestellungen neuer Business Jets führen werden.“
Mit 620 bis 640 neuen Jets in diesem Jahr setzt sich der rückläufige Trend der vergangenen Jahre fort (minus 30 Exemplare). Als Ursache nennt Honeywell eine abwartende Haltung der Betreiber mit Blick auf neue Modelle. Die Betreiber planen, in den kommenden fünf Jahren 19 Prozent ihrer Flotten zu ersetzen, das sind acht Prozent weniger, als 2016 angegeben. Die meisten Investitionen sollen dabei in Jets mit großen Kabinen und großer Reichweite fließen – ausgerechnet in jenes Segment, das aktuell schwach dasteht.
In der Langfristvorhersage bis 2027 sieht Honeywell ein jährliches Wachstum von drei bis vier Prozent. Ursache: neue Modelle, Wirtschaftswachstum und höhere Rohstoffpreise. Insgesamt nennt Honeywell einen Bedarf von 8300 neuen Flugzeugen im Wert von 249 Milliarden US-Dollar bis 2027. Das sind zwei bis drei Prozent weniger als im Vorjahresreport.
Der wichtigste Markt für die Business Aviation bleibt Nordamerika; trotz rückläufiger Bestellungen seien innerhalb der kommenden fünf Jahre 61 Prozent der Nachfrage dort zu erwarten. Die Prognosen für Europa sind verhalten: Brexit, Flüchtlingskrise und Bedrohung durch Terrorismus würden das Wachstum bremsen. 14 Prozent der Bestellungen seien aus Europa zu erwarten. Wachstum stellt der Report nur für Lateinamerika in Aussicht.
FLUG REVUE Ausgabe 12/2017