Besuch im A350-Cockpit
Die Gestaltung des A350-Cockpits ruht auf zwei Säulen, erklärt Airbus-Testpilot Jean-Michel Roy. „Auf der Gemeinsamkeit mit unseren anderen Cockpits und auf Innovation.“ Einer der wichtigsten Aspekte sei dabei der Komfort. „Wenn Sie stundenlang im Cockpit sitzen, brauchen Sie eine möglichst angenehme Umgebung. Wenn es innen leise war und nichts vibriert hat, landen sie nach zehn Stunden einfach ausgeruhter und damit besser.“ Dazu gehörten bequeme Sitze, ausreichend große Ablagen, selbst für 1,5 Liter Wasserflaschen, wirksame Sonnenblenden, eine gute Luftqualität und kein Steuerhorn, so Roy.
Er selbst sei in früheren Zeiten als Trainingskapitän am Steuer eines zweimotorigen Regionalflugzeugs einmal Zeuge geworden, wie ein Pilotenkollege ohnmächtig über dem Steuerhorn zusammenbrach und durch sein Körpergewicht dabei gleich noch unwillentlich stark abwärts gesteuert habe. Statt des Steuerhorns gebe es bei Airbus Sidesticks und einen ausklappbaren Tisch mit großer Computertastatur, wirbt der A380-Testpilot, der auch entscheidend an der Entwicklung des A350-Cockpits beteiligt ist, beim Besuch der FLUG REVUE im Airbus-Entwicklungsgebäude in Toulouse.
„Iron Bird“-Systemsimulatoren

Hier stehen die „Iron Bird“-Systemsimulatoren von A380, A400M und A350 einträchtig in einer Halle nebeneinander. Sie bilden in Originalgröße mit Originalsystemen, Ventilen, Leitungen und Kabelwegen alle elektrischen und hydraulischen Bordsysteme mit beweglichen Steuerorganen, Klappenantrieben, Rudermassen und Fahrwerksmassen nach. Alleine der A350-Iron Bird wiegt 170 Tonnen, ist 14 Meter hoch und mit 500 Sensoren instrumentiert. Er entspricht systemtechnisch und funktional einem kompletten Flugzeug.
Jeder Iron Bird kann von einem originalgetreuen Versuchscockpit seines Musters angesteuert werden. Wenn die Testpiloten im Cockpit an den Rudern ziehen, bewegt sich am Iron Bird das entsprechende Höhenruder. Die Iron Birds von A380 und A400M laufen hier schon lange, nun folgt auch der A350-Iron Bird mit einem originalähnlichen Cockpit, dem sogenannten „Aircraft minus one“.
A350-Cockpit
Die neue Zweistrahlergeneration erhält einen Electronic Flight Bag (EFB) der Kategorie „Class 2+“, bei der die Piloten ihre eigenen Laptops anschließen, deren übertragene Daten jedoch auf den sechs großen Hauptdisplays im Cockpit angezeigt bekommen. Viele Airlines nutzten lieber eigene EFB-Systeme, statt eines Standardsystems vom Flugzeughersteller, erläutert Roy.
Durch die frei austauschbare Belegung der technisch baugleichen 15,4 Zoll-Bildschirme könne man sich auf Wunsch etwa auch die elektronische Liste der Wegpunkte aus dem Flight Management System aus der Mitte direkt auf Monitore „vor der Nase“ legen und dafür etwa eine „High-Enroute“-Flugkarte für ein Streckensegment in die Mitte, so dass dort beide Piloten die Köpfe zusammenstecken könnten, um etwa eine Ausweichroute zu erörtern, schwärmt Jean-Michel Roy. Bisherige EFB-Monitore zwängen die Piloten grundsätzlich zu seitlichen Blicken, also weg voneinander. Das neue Cockpit ermögliche dagegen eine bessere Kommunikation.
Das A350-Cockpit sei eigens noch einmal leicht verändert worden, um fünf große Monitore in einer optimal übersichtlichen, frontalen Reihe sauber nebeneinander unterbringen zu können. Die oberen Ecken der äußeren Monitore hätten deshalb die endgültige A350-Cockpitbreite definiert.
Viele Elemente des A350-Cockpits lehnen sich eng an der A380 an, zum Beispiel die KCCU-Geräte, mit denen man wie bei einer Maussteuerung kleine Zeiger auf den Cockpitbildschirmen bewegen kann, um etwa Werte „anzuklicken“ und zu verändern. Wie in der A380 bietet Airbus in der A350 auch Head-up-Displays (HUD) als Option an, anders als in der A380 grundsätzlich aber nur noch für beide Piloten zugleich.
Auf Wunsch erhalten die Piloten dann ein herunterklappbares Blickfelddarstellungsgerät, auf dessen halbdurchlässigem Spiegel wichtige Flugdaten, wie Horizontlinie, Kurs, barometrische Höhe, Radarhöhe und Geschwindigkeit gestochen scharf in grüner Schrift eingeblendet werden, ohne dass man zwischendurch die Augen zum Instrumentenbrett senken muss. Bei kritischer Wetterlage, etwa bei Starts- und Landungen im Nebel, wo Befeuerung oder Landebahn oft erst in letzter Sekunde auftauchen, macht dies das Erkennen von Hindernissen wesentlich einfacher.
Hilfswinkel

Im HUD sieht man zudem seitlich des dortigen Flugzeuglängsachsensymbols („Bird“) ein paar nach innen weisende Hilfswinkel („Chevrons“). Sie steigen oder sinken jeweils über oder unter den Bird und zeigen damit an, ob das Flugzeug über mehr oder weniger Energie verfügt, als es gerade benötigt. ‚Winkel oben‘ bedeutet ‚zu viel Schub‘ für das eingegebene Flugprofil, also die Schubhebel manuell zurücknehmen. Winkel unter dem Bird zeigen dagegen zu wenig Energie an, also Leistung erhöhen.
Die „Mohrrübe“





Zusätzlich erscheint seitlich der Horizontlinie noch ein kleines Balkendiagramm für die relative Abweichung zur Sollgeschwindigkeit. Es ist die sogenannte „Delta Speed Carrot“. Die „Mohrrübe“ zeigt – nur im Anflugmodus – als zunehmender oder abnehmender Balken an, wie weit man von der jeweiligen Sollgeschwindigkeit entfernt ist. Dadurch wird sehr wirtschaftliches und leises Fliegen möglich, bei dem wirklich nur die benötigte Leistung abgerufen wird. Die kompliziert klingende Symbolik funktionierte bei einem Probeflug im Simulator auf Anhieb auch mit dem FLUG REVUE-Redakteur am Steuer problemlos und geleitete ihn zu einer glatten Landung.
Wieviele Informationen werden tatsächlich benötigt?

Unter Piloten ist nicht ganz unumstritten, wieviele Daten man in einem HUD idealerweise anzeigen sollte. In der A350 kann man deshalb situationsbedingt mittels einer eigenen Taste „Declutter“ (wörtlich „Entrümpeln“) auf Wunsch weniger Symbole anwählen, etwa, wenn man nur über das Vorfeld rollt.
Der Verringerung der angezeigten Symbole dient auch eine neue Fahrwerksanzeige. Statt der bisher drei separaten grünen Kontrollleuchten für ein perfekt ausgefahrenes und verriegeltes Fahrwerk wird in der A350 nur noch ein einzelnes grünes Dreieck angezeigt. Bleibt dieses grüne Dreieck aus, zeigen die weiter führenden Bildschirme des Systemdisplays, wie schon bisher, den Piloten alle erforderlichen Details zur Fehlerbehebung. Dafür sind die Piloten im Routinebetrieb von weniger Anzeigen umgeben.
Stets aktuelle Informationen





Für die A350 und die A380 bereitet Airbus auch die Satellitenübertragung von Wetterdaten vor. Die ständige Internet-Anbindung von Flugzeugen könne man außerdem für iPad-Video-Konferenzen, etwa bei Störungen für Beratungen mit Wartungstechnikern in der Zentrale, nutzen.
Durch viele Details soll das neue Cockpit die Piloten im Routinebetrieb unterstützen und die Beherrschung von Ausnahmesituationen erleichtern. So gibt es im Flight Management System künftig vorbereitete Einstellungen für Kabinendruckverluste, Triebwerksausfälle und „gemäßigte“ Durchstartmanöver, sofern alle Triebwerke zur Verfügung stehen.
Wie die A380 verfügt auch die A350 über eine Darstellung des überflogenen Geländeprofils mit Bergen und höher liegendem Gelände voraus. Neu ist, dass auch hier Wetterradarbilder als Querschnitt des Wetters eingeblendet werden. Bisher wurde das Wetterradar nur auf Wunsch des Piloten eingeschaltet. Künftig sucht es automatisch und meldet bei erkannten Unwettern sogar von sich aus „Weather ahead“ (Schlechtwetter voraus). Möchte man seinen Kurs ändern, kann man künftig die Wegpunkte auch einfach grafisch „anklicken“ und auf der elektronischen Karte des Navigationsdisplays verschieben, sofern die Flugsicherung zustimmt.
Trotz aller Modifikationen und Detailverbesserungen hat Airbus die Familienähnlichkeit des A350-Cockpits so eng gehalten, dass ein A340-Pilot alleine an einem sogenannten „Flight-Training-Device“, einem Workstation-Computer mit mehreren Flachbildschirmen, und ohne Nutzung eines teuren Full-Flight-Simulators, umgeschult werden kann.
FLUG REVUE Ausgabe 09/2012




