Airbus A350 auf Linie

Erster Einsatz
Airbus A350 auf Linie

Veröffentlicht am 07.06.2015

Wir haben acht Jahre lang auf diesen Moment hingearbeitet“, sagte Fabrice Brégier, Chef der Airbus-Zivilflugzeugsparte, nach der Ankunft des ersten A350-Linienfluges am 15. Januar in Frankfurt erleichtert. „Ich habe jetzt 16 Stunden von Paris nach Frankfurt gebraucht, aber diesen Flug wollte ich nicht verpassen“, berichtete Brégier, der eigens nach Doha gereist war, um dort direkt in den A350-Premierenflug nach Frankfurt umzusteigen. Brégier durfte bei Start und Landung im Cockpit sitzen. „Heute ist ein sehr guter Tag für die Airlines und ein sehr guter Tag für meine 20 000 Airbus-Mitarbeiter in Deutschland. Die A350 ist innen sehr leise, aber auch außen. Gerade das ist ja besonders wichtig in Frankfurt. Die Kabine wirkt gar nicht mehr wie die eines herkömmlichen Flugzeugs. Und obendrauf noch der Service von Qatar Airways“, schwärmte Brégier. „Wir schulden Qatar Airways jetzt, dass die A350 ausgereift ist.“ An Bord nach Frankfurt begleitet wurde der Airbus-Vorstandsvorsitzende von Akbar Al Baker, dem Chef des A350-Erstkunden Qatar Airways: „Die Passagiere kriegen bei uns das Beste, was es gibt, in allen Klassen. Wir wollen neue Standards setzen. Deshalb ärgert sich Ihre nationale Airline so sehr über uns“, stichelte Al Baker in Frankfurt. 

Qatar Airways versuche derzeit, zusätzliche Streckenrechte nach Deutschland zu erhalten. Dabei fühle man sich behindert, beschwert sich die Fluggesellschaft, die als größter Kunde alleine 80 Airbus A350 bestellt hat. Die deutsche Regierung sei hier zu restriktiv. „Wir wachsen, weil wir besser sind“, so Al Baker. 1996 kam Qatar noch auf 400 000 Passagiere im Jahr, 2014 waren es bereits 19,5 Millionen Fluggäste. „Ich möchte mein Produkt hier genau jenen Airlines direkt vorführen, die unser Wachstum hemmen“, sagte er und kündigte bereits an, auch seine für Februar erwartete zweite A350, die am 21. Januar zum Jungfernflug gestartete MSN7, ab März als zweiten täglichen A350-Flug nach Frankfurt zu schicken. Erst danach sollen mit Singapur und weiteren Zielen in Asien und Europa auch andere Destinationen an die Reihe kommen. 

Bei einem Besuch an Bord erweist sich die A350 von Qatar Airways tatsächlich als beeindruckend komfortabel. Alle Passagiere, 36 auf den bis zu 2,03 Meter langen Schlafsesseln in der Business Class (Anordnung 1+2+1) und 247 in der Economy Class (Anordnung 3+3+3), verfügen über einen eigenen berührungsempfindlichen HD-Monitor am Sitz. Größe: 10,6 Zoll in der Economy Class und 17 Zoll in der Business Class. Das Thales-Avant-Unterhaltungssystem der vierten Generation mit „3D-HiFi“ bietet über Glasfaserkabel bis zu 1000 Programmoptionen auf Abruf. Auch USB-Steckdosen und ein WLAN- und GSM-Datennetz für SMS-Kurznachrichten und MMS-Multimedia-Nachrichten sind installiert. Farbige LED-Stimmungsbeleuchtung begrüßt die einsteigenden Passagiere. Der Haupteingang bei Tür 2 wird von zwei großen Tresen mit Rosendekoration eingefasst, auf die eine Lichtkuppel von der Decke strahlt. Die ungewöhnlich großen Handgepäckfächer schwenken beim Öffnen leicht nach unten und damit bequem dem Passagier entgegen. Besonders auf den Fensterplätzen der Economy Class machen sich die nun deutlich steileren CFK-Außenwände der A350 ohne „Dachschräge“ angenehm bemerkbar. Hier hat der Fluggast wesentlich mehr Kopfraum als ein Economy-Class-Passagier in einer älteren A330 oder A340 mit ihrem kreisrunden Rumpfquerschnitt. Auch im Fußraum hat Airbus besonders an die Economy-Class-Fluggäste gedacht und die verkleinerte Steuerbox des Bordunterhaltungssystems jeweils in den Sitzrahmen integriert, um möglichst volle Beinfreiheit zu erhalten.

Warum Qatar Airways die Auslieferung verschob

„Wir wollen das Modernste und Beste, deshalb haben wir uns für die A350 entschieden“, antwortete Akbar Al Baker auf die Frage der FLUG REVUE, warum er mit der Boeing 777-300ER, Boeing 787 und Airbus A350 drei relativ ähnliche, zweistrahlige Großraummuster pa-rallel betreibt. Er habe die 787 nur als „Übergangslösung“ bis zur A350 beschafft. „Wir wussten ja nicht, wie viel später die 787 kommen würde, sonst hätten wir nur A350 bestellt.“ Zum baldigen zweiten täglichen A350-Flug nach Frankfurt sagte Al Baker: „Wenn Sie beim ersten Flug mit dem besten Flugzeug kommen, können Sie den zweiten Flug nicht mit dem zweitbesten machen.“ 

Noch vor kurzem war der Airline-Chef weniger zufrieden mit seiner Neuerwerbung und hatte sogar kurzfristig seine ursprünglich für den 10. Dezember erwartete erste A350-Übernahme verschoben. Airbus war davon auf einer Londoner Investorenkonferenz überrascht worden. Zusammen mit Schlagzeilen über eine angeblich ungewisse Zukunft der A380 und über Produktionsschwierigkeiten führte dies kurzzeitig zu empfindlichen Kursturbulenzen für den Hersteller, infolge derer Airbus-Produktionsgeschäftsführer Günther Butschek seinen Hut nahm. Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt. Ursache der Verschiebung seien kleinere Mängel am „Buyer Furnished Equipment“, also bei der durch die Airline eigenverantwortlich bestellten Zusatzausrüstung des Flugzeugs, wie zum Beispiel spezielle Küchenausrüstungen, gewesen, heißt es bei Airbus. 

Mit der schließlich am 22. Dezember 2014 doch noch erfolgreich absolvierten Übergabe habe der Flugzeughersteller seine vertraglich garantierte A350-Lieferung vor Jahresende einhalten können. Alleine im Jahr 2015 will Qatar Airways noch acht weitere A350 übernehmen. Die stark steigende Produktionsrate der A350 ist derzeit die größte Herausforderung für Airbus. Mit zusätzlichen Zelthallen auf dem Vorfeld in Toulouse schafft der Hersteller bereits Zusatzflächen, um die besonders aufwendige Ausrüstung  der jeweils ersten Kundenflugzeuge besser zu bewältigen. Ab dem Jahr 2018 will Airbus, laut Fabrice Brégier, statt heute drei und bis Jahresende fünf Flugzeuge pro Monat monatlich schon zehn A350 bauen. Die gesamte Zulieferkette muss hierfür zahlreiche Vorleistungen erbringen.

Ab Mitte 2017 wird die neue Zweistrahlerfamilie noch um eine längere Variante, die A350-1000, ergänzt.  Alleine Qatar Airways hat bereits 42 Flugzeuge dieser  Version bestellt, ergänzend zu ihren 38 Airbus A350-900. „Eine Verlängerung der Verlängerung wird es dann aber nicht mehr geben“, weist Fabrice Brégier Gerüchte über eine noch längere, etwaige A350-1100 zurück. „Aber wir werden zusätzliche Sitze in der A350 unterbringen.“ 

Erst im Januar hatte A350-Programmchef Didier Evrard, der künftig alle Airbus-Verkehrsflugzeugprogramme leiten wird, vor Journalisten erläutert, dass Airbus die A350-1000 in Zukunft statt mit bisher 369 Passagiersitzen auf Wunsch auch mit 389 Sitzen anbieten werde. Es sei branchenüblich, zur Effizienzsteigerung entweder den Treibstoffverbrauch zu senken oder die Kapazität zu erhöhen. Zahlreiche Airlines hätten bereits Interesse an dieser Variante angemeldet, mit der Airbus auch der mittlerweile angekündigten Boeing 777X entgegentreten könnte. Die erhöhte Sitzzahl in der Kabine der A350-1000 werde durch optimierte Übergänge zwischen den Küchen und den Sitzbereichen möglich, aber auch durch veränderte Grundrisse der Waschräume. Dagegen wird es um die ursprünglich geplante kleinste A350-Version, die A350-800, deutlich ruhiger. An ihre Stelle dürfte die mittlerweile aus der A330 abgeleitete A330neo treten.

FLUG REVUE Ausgabe 03/2015