Der Auftragseingang im ersten Quartal war schwach“, räumte Airbus-Konzernchef Tom Enders Ende April bei der Vorlage der Konzern-Quartalszahlen in Amsterdam ein. „Das war so vorhergesagt. Lassen Sie uns aber nicht vergessen, dass wir noch feste Bestellungen für 6700 Flugzeuge haben, die unsere steigenden Produktionsraten rechtfertigen. Die Programmumsetzung bleibt der Schlüssel für alle Geschäftsfelder“, gab Enders die Richtung vor.
Im ersten Quartal 2017 erhielt Airbus auf Konzernebene Bestellungen im Wert von 3,8 Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor waren es im gleichen Zeitraum noch satte Aufträge im Wert von 7,2 Milliarden Euro gewesen. Immerhin stieg der Konzernumsatz im ersten Quartal 2017 um sieben Prozent, jener der Verkehrsflugzeugsparte Airbus Commercial Aircraft sogar um deutliche 13 Prozent auf konzernweit 13 Milliarden Euro. 136 Airbus-Verkehrsflugzeuge konnten ausgeliefert werden, gegenüber 125 im Vorjahresquartal. Darunter waren alleine 13 Airbus A350 – ein Programm, bei dem die Produktionsrate bis Ende 2018 sogar auf zehn Flugzeuge im Monat steigen soll. Eine Kraftprobe, denn Airbus muss den Einbau der verspätet angelieferten Inneneinrichtung noch nachträglich in Zelthallen auf dem Vorfeld bewerkstelligen. Der Zulieferstrom wird im Hintergrund aber auf die Re-kordrate vorbereitet, die dann ohne Zelthallen auskommt. Spätestens zwei Jahre vor der Auslieferung beginnt die Teileproduktion für ein Verkehrsflugzeug. Deswegen sind jetzt die Teile für 2018 längst bei den Zulieferern bestellt und im Bau.
A320neo Kommt nur langsam in Fahrt

Trotz ihrer noch immer nicht ganz abgestellten Kinderkrankheiten, insbesondere mit den PW-Getriebefan-Triebwerken, wurden auch 26 Airbus A320neo an 14 Kunden ausgeliefert. Außerdem begannen die Flugerprobung des kleinsten Familienmitglieds A319neo, und die erste A321neo wurde ausgeliefert. Die A321neo ist der neue Superstar. Das längste Standardrumpf-Flugzeugmuster von Airbus hat sich vom Exoten der Familie zu deren Flaggschiff gemausert. Mit bis zu 240 Sitzen Passagierkapazität und interkontinentaler Reichweite profitiert das größte Familienmitglied am stärksten von den Leistungsverbesserungen der neo-Generation. Schon lauert eine Reihe von Niedrigpreis-Airlines darauf, den besonders sparsamen Zweistrahler möglichst bald auf Transatlantikstrecken einzusetzen.
Hier könnte – vielleicht schon in Paris – Boeing, wie von uns berichtet, mit einer gestreckten 737 MAX 10 zum Gegenschlag ansetzen. Ebenfalls werden den Amerikanern Pläne nachgesagt, einen gänzlich neu konstruierten Mittelstrecken-Großraumjet zwischen der 737 MAX und der 787 am Markt platzieren zu wollen, also leicht oberhalb des bislang unangefochtenen Marktsegments der A321neo und unterhalb der A330neo. Mit dem möglichen, auch schon inoffiziell als „Boeing 797“ titulierten Muster könnte sich für Airbus die Frage stellen, ob und wie man selber reagiert. Airbus hätte hier die Option, die A321 mit einem neuen Flügel nochmals zu strecken. Schon deuten Maßnahmen zur durchgehenden Digitalisierung der A320-Konstruktionspläne und der testweise Bau eines einteiligen CFK-Flügelkastens in diese Richtung. Unabhängige Marktanalysen sagen, so Airbus, ein weiterhin steigendes Luftverkehrsaufkommen voraus. Deswegen bleibe man bei der Vorhersage, im Gesamtjahr 2017 rund 700 Verkehrsflugzeuge ausliefern zu können.
Ungelöste A380- Zukunftsfragen

Möglichst hohe Produktionsraten und möglichst viele Auslieferungen gelten bei beiden großen Flugzeugherstellern als Patentrezept, um den Flugzeugbau durch Skaleneffekte, wie höhere Produktivität und Mengenrabatte, zu verbilligen und im Gegenzug den Berg fest unterzeichneter Aufträge in Geld zu verwandeln. Schon im vergangenen Jahr hatte Airbus die Produktionsrate der A320-Familie von 42 auf 46 Flugzeuge monatlich angehoben. Bis Mitte 2019 soll sie nochmals steigen – auf dann 60 Flugzeuge oder mehr. Dabei hilft auch die neue, vierte A320-Endmontagelinie in Hamburg-Finkenwerder. Sie nutzt Hallenbereiche der nicht voll ausgelasteten A380-Produktion und soll mit modernsten Industrierobotern und völlig neuen Produktionsabläufen konzernweit Maßstäbe setzen.
Auch wenn sich in Paris beide großen Hersteller wieder mit spektakulären Großaufträgen gegenseitig übertrumpfen wollen, kündigen sich eine Abschwächung der Nachfrage und das Ende eines der üblichen Marktzyklen an. Die Nahost-Fluggesellschaften leiden nach sehr fetten Jahren unter dem Verfall des Ölpreises. Entsprechend langsamer fällt das Wachstum aus, entsprechend weniger und kleinere Flugzeuge werden benötigt.
So hat Emirates mehrere ihrer A380-Auslieferungen verschoben. Auch China, auf mittlere und lange Sicht weiterhin der unangefochtene weltweite Flugzeug-Schlüsselmarkt, musste wirtschaftliche Turbulenzen und Wachstumseinbrüche verschmerzen. Und sogar US-Branchenriesen wie American verschoben A350-Auslieferungen oder wandelten sie in kleinere Jets um, wie Delta, die statt zehn einst bestellter A350 nun weitere 30 kleinere A321 erhält.
Für die Flugzeugbauer, insbesondere Airbus, ist das Steigern der Produktionsraten in dieser Phase ein gewagtes Spiel. Keinesfalls will man nämlich auf Halde produzieren, die gefürchteten „White Tails“, also unverkaufte Jets mit weißen Heckflossen ohne Kundenlogo. Andererseits haben die großen Hersteller, anders als früher, ihre Aufträge seit Jahren systematisch gestreut: Kunden sind Low-Cost-Airlines und klassische Linien, Nahost-Riesen und neue Aufsteiger aus den Entwicklungsländern sowie grundsolide fernöstliche Marken und wieder hochprofitable US-Branchengiganten. Diese Balance lässt die aktuellen
Ungewissheiten am Markt weniger hart durchschlagen, da alle Geschäftsmodelle und Regionen verteten sind und einzelne Schwächen ausbügeln.
Nur der größte Airbus, die A380, befindet sich in einer Art Winterschlaf. Mit nur noch zwölf Flugzeugen pro Jahr hält Airbus die Produktion am Laufen, bis nach 2020 eine neue Triebwerksgeneration verfügbar wird, die für neue Nachfrage sorgen könnte. Die A380 leidet, wie noch stärker auch die Boeing 747-8, am Erscheinen moderner Großraum-Zweistrahler wie der A330neo, A350 und Boeing 777-9. Mit ihnen können die Airlines, fast zu den Sitzmeilenkosten einer A380 oder 747-8, kleinere Flugzeuge mit geringerem Auslastungsrisiko auf ihre Langstrecken schicken, die in der Anschaffung und im Unterhalt weniger kosten und sich später viel leichter weiterverkaufen lassen.
FLUG REVUE Ausgabe 07/2017