Seit Jahren schreibt das airberlin enorme Verluste, alleine im ersten Halbjahr 2016 waren es rund 271 Millionen Euro. Das Unternehmen leistet sich eine kostspielige doppelte Verwaltung in Düsseldorf und Berlin und die expandierende britische Niedrigpreiskonkurrenz sitzt ihm im Nacken. Ende September zog Stefan Pichler, seit Februar 2015 airberlin-Chef, die Notbremse: Ein radikaler Umbau soll Deutschlands Nummer zwei retten und ihr unübersichtlich verschachteltes Unternehmenskonzept zwischen Oneworld-Netzwerkairline, Etihad-Zubringer, klassischem Charterfliegen und Niedrigpreis-Fluggesellschaft entwirren. Dazu plant Pichler eine Dreiteilung von airberlin: 38 Flugzeuge der A320-Familie verleast er ab dem Sommerflugpan 2017 mit Besatzungen und Wartung für sechs Jahre an den Lufthansa-Konzern. Zwei weitere Flugzeuge ohne Besatzung kommen als „dry lease“ hinzu.
Dies sieht ein, noch nicht unterzeichneter, Vertragsentwurf vor, von dem sich airberlin über die gesamte Laufzeit Einnahmen von 1,2 Milliarden Euro verspricht. Lufthansa kündigte dagegen an, die airberlin-Flugzeuge zu „marktüblichen Konditionen“ leasen zu wollen. Der Konzern will die einsatzbereit gemieteten Jets als kurzfristige Verstärkung seiner Niedrigpreistochter Eurowings nutzen und mit einem schnellen Wachstumsschub bei der Flottengröße auf den verschärften Expansionskurs der Billigflug-Riesen Ryanair und easyJet in Kontinentaleuropa reagieren.
Neues Kerngeschäft zielt auf Geschäftsreisende
Teil zwei der neuen Strategie sieht als Kerngeschäft künftig airberlin als Linienfluggesellschaft vor. Sie bedient ab Sommer 2017 von Düsseldorf und Berlin-Tegel aus mit einer Flotte von 40 Flugzeugen der A320-Familie und mit 18 Bombardier Q400 nach Profitabilität ausgewählte Verbindungen zu den wichtigsten europäischen Wirtschaftsstandorten. Sekundärflughäfen sollen weitgehend vermieden werden, denn dieser Unternehmensteil zielt nun betont auf Geschäftsreisende. Sie gelten als margenstarke Kundengruppe und sollen die saisonale Abhängigkeit vom üblicherweise schwankenden Ferienfluggeschäft verringern. Auch 17 Airbus A330-200 gehören zum Kernbestand, den airberlin mit einer Flottengröße von insgesamt 75 Flugzeugen plant.
Dieser Unternehmensteil kann außerdem für den Großinvestor Etihad Airways sowohl Zubringerdienste für dessen Drehkreuz Abu Dhabi übernehmen als auch Langstrecken, etwa zwischen Deutschland und den USA, dank eigener Verkehrsrechte ergänzend für die Teilhaber aus Abu Dhabi bedienen. Mit ihrer hochwertigen, neuen Business Class nach Etihad-Vorbild dürfte airberlin im anspruchsvollen Liniengeschäft durchaus Chancen haben.
Tourismussparte wird mit TUIfly und NIKI vereinigt

Schließlich plant airberlin-Unternehmenschef Pichler als „dritten Streich“, das Touristikgeschäft mit 35 Jets in eine neue Holding in Österreich auszulagern, wo airberlin bereits die Tochter Niki Luftfahrt GmbH unterhält. Die neuen Tourismus-Holding-Teilhaber sollen airberlin-Großaktionär Etihad Airways (25 Prozent) und TUIfly (25 Prozent) sein, während die restlichen 50 Prozent eine österreichische Stiftung hielte.
Ferienflüge und Pauschalreisen sind seit einigen Jahren für Airlines und Reiseveranstalter wieder deutlich einträglicher geworden. Allerdings reagiert dieser Markt sehr empfindlich und schnell auf politische Unruhen und Terroranschläge, wie man zum Beispiel am jüngsten Einbruch des Geschäfts im östlichen Mittelmeer sieht, wohingegen das westliche Mittelmeer gerade einen Boom erlebt.
Die geplante, unerwartet enge Zusammenarbeit mit airberlin und flyniki trieb sogleich die TUIfly-Belegschaft auf die Barrikaden: Die Hannoveraner befürchteten angesichts der kargen Informationspolitik durch die TUIfly-Unternehmsführung, dass ihre Gehälter nach der Verschmelzung mit niedriger bezahlten Partnern stark sänken oder ihnen im Rahmen eines sogenannten Betriebsübergangs schon nach einem Jahr eine Auflösung aller bestehenden Verträge drohe.
Weil die TUIfly-Piloten wegen ihres erst kürzlich unterzeichneten Tarifvertrags in der „Friedenspflicht“ standen, also nicht offiziell streiken durften, kam es stattdessen großflächig zu „wilden Streiks“ in Form kurzfristiger Krankmeldungen, die, genau zur Herbstreisewelle, zu einer tagelangen Lähmung des gesamten TUI-Flugbetriebs führten. Alleine am 7. Oktober fielen 108 Flüge mit 9700 Passagieren aus. Mit Hilfe angemieteter Flugzeuge versuchte die Fluggesellschaft, ihre Feriengäste aus den Urlaubsgebieten nach Deutschland zurückzubringen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe hatte sich die Lage wieder beruhigt, nachdem TUIfly einen dreijährigen Bestandsschutz zugesichert hatte.
Während die airberlin-Führung mit der radikalen Aufteilung aus einer fast hoffnungslosen finanziellen Lage zu entkommen versucht, trifft es die Mitarbeiter ihrer Verwaltungen in Düsseldorf und Berlin am härtesten: Bis zu 1200 Stellen sollen hier abgebaut werden. Wenigstens will man diesen Mitarbeitern Anschlussbeschäftigungen bei der Etihad Group und deren Beteiligungspartnern in Europa und Abu Dhabi anbieten.
FLUG REVUE Ausgabe 12/2016