Der Streik beginne am Freitag mit Tagesbeginn, teilte die Gewerkschaft IAM mit. 94,6 Prozent der IAM-Mitglieder hätten bei einer Abstimmung am Donnerstag gegen die Annahme des Verhandlungsangebotes gestimmt und sogar 96 Prozent für einen Streik. Damit ruht die Boeing-Fertigung im pazifischen Nordwesten der USA voraussichtlich ab Freitag, wo die Flugzeugbaugewerkschafter mit ihren Distrikten IAM 751 und W34 traditionell eine wichtige Rolle spielen.
Forderung: 40 Prozent mehr Lohn
Die Gewerkschaftsmitglieder wiesen ein Verhandlungspaket mit einer Lohnerhöhung von 25 Prozent zurück und fordern stattdessen die ursprünglichen 40 Prozent Lohnerhöhung. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass seit dem letzten Boeing-Lohnabschluss vor 16 Jahren die Einkommen stagnierten, so dass eine Lohnerhöhung um 40 Prozent angesichts der Geldentwertung in den USA jetzt nur zehn Prozent reale Lohnsteigerung bedeuten würde. Zudem hatten sich die Lebenshaltungskosten im Großraum Seattle, dem Herz der Boeing-Verkehrsflugzeugproduktion, angesichts der hier wachsenden Computerindustrie sehr stark erhöht.
Finanzen werden zum Problem
Der aktuelle Arbeitskampf trifft Boeing in einem besonders ungünstigen Moment, in dem sich die neue Unternehmensführung nach jahrelangem Konfrontationskurs endlich um eine versöhnlichere Gangart gegenüber den Beschäftigten bemüht. Seit 2018 hat der Konzern keine Jahresgewinne mehr ausgewiesen und mittlerweile 33 Milliarden Dollar Schulden angehäuft. Der Aktienkurs sank in den letzten fünf Jahren im Wert um 60 Prozent. Dem gegenüber stehen allerdings erhebliche, feste Auftragsbestände in dreistelliger Milliardenhöhe und erwartete Einnahmen aus Ersatzteilgeschäft und Dienstleistungen.
Steht der Konzern an einem Wendepunkt?
Ein Streik dürfte das Unternehmen etwa 1,5 Mrd. Dollar pro Streikmonat kosten. Wenn keine Einigung gelingt, droht möglicherweise eine Zerschlagung des Unternehmens in einzelne Sparten oder eine Abwanderung der Verkehrsflugzeugproduktion in US-Bundesstaaten ohne gewerkschaftliche Vertretung, wie etwa zum 787-Werk in Charleston in South Carolina.