FlySafair in neuer Rolle: Wachstumskurs in Südafrika

FlySafair - Erfolg in neuer Rolle
Südafrikas Marktführer mit glorreicher Geschichte

Veröffentlicht am 09.03.2024

Ein Sommertag am OR Tambo International Airport in Johannesburg, der Himmel sieht bedrohlich aus, Gewitter sind im Anmarsch. Gegenüber des Passagierterminals, auf der anderen Seite von Afrikas größtem Flughafen, liegen die Hangars von FlySafair. Etwas abseits steht beim ersten Besuch der FLUG REVUE im Februar 2023 ein Frachtflugzeug in neutral weißer Bemalung, bei genauem Hinsehen schimmern noch die Schriftzüge "United Nations" durch. "Dies ist die letzte ihrer Art, und die wird auch bald weg sein", sagte damals Natasha Kotze von Safair, die den Gast auf dem Vorfeld herumführt. Es handelt sich ohnehin um die ganz seltene Spezies einer zivilen Lockheed L-100-30 Hercules, von denen nur wenige gebaut wurden, ist dieser Typ doch vorrangig ein seit 1956 geschätzter Militärtransporter. Dieses Flugzeug war das letzte von ehemals 17 "Hercs", wie sie hier allgemein genannt werden, welche die südafrikanische Chartergesellschaft Safair betrieben hat. Damit verfügte sie über die weltweit größte Flotte an zivilen Hercules, doch deren Lebensdauer kam Anfang vergangenen Jahres nach vielen Jahrzehnten treuer Dienste, auf oft extremen Missionen, an ihr Ende.

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Ein letzter Test der Motoren

Die vier Motoren erwachten auf einmal zum Leben, die Piloten ließen sie im Leerlauf auf volle Touren hochlaufen. "Ein letzter Probelauf vor dem langen Überführungsflug nach Alaska", erklärte Natasha Kotze, neuer Besitzer ist Lynden Air Cargo in Anchorage. "Lynden hat alle unsere Hercs gekauft, aber fliegt nur zwei von ihnen mit Ausnahmegenehmigungen der FAA – unsere beiden jüngsten, die 1976 gebaut wurden", erklärt Elmar Conradie, CEO von FlySafair, im Gespräch mit der FLUG REVUE. "Die haben insgesamt sieben übernommen, die anderen aber in der Wüste abgestellt. Bis 2021 haben wir noch fünf betrieben, 2022 waren es noch drei bis zum letzten Flug im Oktober. Dabei hatten wir vor gar nicht langer Zeit noch neun Hercs in der Flotte", erinnert sich Conradie mit etwas Wehmut. Bei Safair ging die Ära der legendären Hercs unweigerlich zu Ende, über diese Arbeitspferde und ihr unglaublich breites Einsatzspektrum definiert sich die ganze Firma bis heute.

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Reederei als Gründer

Safair war 1965 von der führenden Seereederei Safmarine gegründet worden, firmierte ab 1969 unter diesem Namen und übernahm ihren ersten Frachter im September 1970. Schnell erwarb sich die Charterfirma einen guten Ruf, auch außergewöhnliche Aufträge zuverlässig zu erfüllen. Da wurden Ölbohranlagen auf unbefestigte Pisten in Madagaskar geflogen, jede Menge wilder Tiere vom Nashorn bis zum Hai in Schutzgebiete, aber in den siebziger und achtziger Jahren auch Mirage-Kampfflugzeuge von der Fabrik in Bordeaux nach Südafrika oder Soldaten an die Front in Angola, wo damals das weltweit geächtete Apartheid-Regime kämpfte. Safair hat diese Aufträge immer als zivile Firma erledigt und blieb all die Jahre unfallfrei – eine große Leistung unter oft schwierigsten Bedingungen.

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Von der Sand- in die Eiswüste

Seit 1993 flog Safair mit ihren Hercs regelmäßig Versorgungsflüge in die Antarktis, damals gelang ihr als erster Fluggesellschaft die Landung auf Rädern auf einer Eispiste des südpolaren Kontinents; bis 2018 versorgte sie die italienische Forschungsstation in Terra Nova Bay. Durch das Hereinschieben von Passagiersitzen, zunächst montiert auf Paletten, später auch mit in einem Container installierten VIP-Abteil, nahmen die Safair-Frachter auch Fluggäste mit. Viele Missionen hatten humanitäre Hintergründe – von Versorgungsflügen für die UN zu Such- und Rettungsflügen oder der Ölbekämpfung im Meer.

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Ein Ende mit Ankündigung

"Das waren wunderbare Flugzeuge, aber es wurde für uns immer schwieriger, etwa Ersatzteile zu bekommen oder Leute, um sie zu fliegen. Vorallem Flugingenieure als ausgestorbene Spezies findet man kaum noch", sagt Elmar Conradie. "Die Bestimmungen für den Flugbetrieb entwickeln sich weiter, und das ist dann schwierig für Flugzeuge, die 40 oder 50 Jahre alt sind." Als etwa aus ETOPS (Extended Range Twin-Engine Operations) vor einigen Jahren EDTO (Extended Diversion Time Operations) wurde, gelang es Safair nicht, dafür eine Genehmigung für ihre Flüge in die Antarktis ab Christchurch zu bekommen. Es fehlte dem Hersteller Lockheed für die ein halbes Jahrhundert alten Flugzeuge an den nötigen Daten. "Es war einfach nicht länger möglich, sie so zu betreiben, wie es für uns nötig ist", bedauert der CEO. Da das absehbar war, traf Safair schon 2013 eine Entscheidung: "Wir gründeten eine Airline, weil absehbar war, dass mit dem Ende der Hercules auch unser Chartergeschäft enden würde und damit die Essenz dessen, wofür unsere Marke stand." Eine Neuausrichtung war gefragt.

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Endlich sollten Endkunden mit der eigenen Marke fliegen

Dabei hatte Safair bereits Erfahrung mit dem Passagiergeschäft, wenn auch nicht im Linienbetrieb. Zwischen 1985 und 1992 wurden zwei Boeing 707 betrieben für Charterflüge und Sondereinsätze, 1988 flog Safair auch zwei Convair 580 unter eigener Marke. Ab 1994 baute man zügig eine große Flotte von Boeing 727-Passagierjets auf, die bald 16 Flugzeuge umfasste, aber ausschließlich für andere Airlines betrieben wurde, sieben etwa für Comair. Die flog sie mit den auffälligen "Ethnic Tails" jener Zeit in Südafrika im Franchise für British Airways. Zwischen 1988 und 2013 betrieb Safair auch insgesamt 13 Zweistrahler der McDonnell-Douglas-MD-Reihe für andere Airlines. Nur ihre eigene Marke kannte nahezu kein Endverbraucher. Das sollte sich jetzt ändern, denn Safair wollte sich auf dem extrem umkämpften südafrikanischen Inlandsmarkt als neuer Billiganbieter positionieren. Dabei stand sie gegen mächtige Wettbewerber – sowohl die staatliche SAA mit ihrer Billigtochter Mango als auch Comair, die als Franchise unter der British-Airways-Marke flog und dazu mit Kulula noch eine eigene Billigtochter hatte.

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Rechtliche Hürden mussten überwunden werden

Comair zog denn auch prompt vor Gericht, als der neue Wettbewerber unter der Marke FlySafair im Oktober 2013 mit zunächst vier Boeing 737-400 abheben wollte. Die Richter stoppten den Start mit dem Argument, mehr als die erlaubten 25 Prozent der Anteile seien in ausländischer Hand. Damals war die irische ASL-Holding Haupteigentümer, und erst nach einer Änderung der Eigentümerstruktur durfte FlySafair dann ein Jahr später am 14. Oktober 2014 den Flugbetrieb aufnehmen. Von der Basis in Kapstadt aus waren die ersten Ziele Johannesburg, George und Port Elizabeth. 2017 begann die Kooperation zwischen FlySafair und der südafrikanischen RugbyUnion. Die Airline wurde Sponsor der Springboks, des Rugby-Nationalteams. Auf allen 737-Winglets findet sich auf der Innenseite der Springbok. Immer wieder gab es spektakuläre Überflüge vor wichtigen Rugby-Spielen, dem Nationalsport des Landes.

Andreas Spaeth

Wachstumsschub im Inland

In jüngster Zeit hat sich der Inlandsflugmarkt in Südafrika dramatisch verändert, und FlySafair ist quasi über Nacht zum Marktführer geworden. SAA stellte im Mai 2020 den Flugbetrieb ein und kam erst im September 2021 in limitierter Form zurück. Heute hat sie erst acht eigene Flugzeuge. Billigableger Mango fliegt seit Juli 2021 nicht mehr. Dann schied auch noch Comair samt Billigtochter Kulula im Juni 2022 aus dem Markt aus und ging in die Insolvenz. Innerhalb kurzer Zeit sind also alle vormals mächtigen Konkurrenten verschwunden, und FlySafair steht nach angebotenen Sitzen weit an der Spitze. Ihr Marktanteil im Inland hat sich von 22 Prozent vor der Pandemie 2019 auf 48 Prozent im Jahr 2022 gesteigert (OAG-Daten). Derzeit betreibt die Airline eine neue Rekordzahl von 34 Boeing 737, 29 davon 737-800 und 5 737-400. Noch 2022 entfielen fast 49 Prozent der auf Inlandsflügen in Südafrika verfügbaren Sitze auf FlySafair, während Airlink mit kleineren Flugzeugen und mehr Zielorten 46 Prozent aller Flüge für sich reklamierte (FlySafair lag bei 29 Prozent) und damit die Spitzenposition hielt. Während Ethiopian Airlines in allen Kategorien unangefochten die Nummer eins in Afrika ist und neun Prozent aller Sitze offeriert, folgt FlySafair schon auf dem zweiten Platz mit fast fünf Prozent aller Sitze – weit vor allen anderen nationalen Airlines Afrikas.

AirTeam Images: Simon Willson

Rapides Flottenwachstum – durch Gebrachtmaschinen

Um einen solchen Angebotssprung zu ermöglichen, musste die Flotte quasi über Nacht aufgestockt werden. "Bis April 2023 kamen sieben zusätzliche Flugzeuge. Wir halten uns an gebrauchte 737-800, aber wir bringen jetzt neuere Maschinen hinein, die erst 2016 gebaut wurden, weil wir die gerade zu guten Bedingungen bekommen. Typischerweise schauen wir nach zehn Jahre alten Flugzeugen, manchmal sind sie auch jünger", erklärt Elmar Conradie. Bis Ende 2025 steht die Ausmusterung aller 737-400er an, geplant ist Ersatz durch die 737 MAX 8. "Die kommen anschließend, sobald die Preise für NGs für uns passen, aber das kann noch ein paar Jahre dauern", so Marketingchef Kirby Gordon zur FLUG REVUE. FlySafair hat eine Flotte mit einem weit höheren Durchschnittsalter als in Europa oder Amerika üblich, Anfang 2024 betrug es fast 21 Jahre. Die älteste 737-400 mit dem Kennzeichen ZS-DMI wurde im Mai 1989 an die damalige britische Air Europe ausgeliefert.

AirTeam Images: Simon Willson

Kunden schätzen die Airline

"Wir waren völlig unterbesetzt für das Wachstum und den Flugbetrieb, den wir hatten, aber dann begannen wir, wieder Leute einzustellen, bevor jeweils neue Flugzeuge kamen", sagt Elmar Conradie zu den Schwierigkeiten bei der Flottenerneuerung. Heute wird FlySafair von vielen Passagieren wegen ihrer Pünktlichkeit und ihres guten Preis-Leistungs-Verhältnisses geschätzt. Anfang 2024 wurde sie als pünktlichste Low-Cost-Airline der Welt ausgezeichnet vor Azul aus Brasilien. FlySafair konnte dafür über 92 Prozent ihrer Ankünfte zur geplanten Zeit vorweisen, in Afrika eine Besonderheit.

Andreas Spaeth

Morgendliche Rush-Hour sorgt für Stau

Der Fokus der Gesellschaft lag immer auf Freizeitreisenden, obwohl sie auch eine "Business Class" anbietet vorn in der Kabine, die lediglich aus einem freien Mittelsitz und einem Verpflegungsguthaben sowie mehr Freigepäck besteht. FlySafair bietet oft die günstigsten Preise vor allem auf der Rennstrecke Johannesburg –Kapstadt, vor der Pandemie die neuntstärkste Inlandsroute der Welt mit 4,7 Millionen Passagieren im Jahr. Der Zweistundenflug ist hin und zurück meist schon für kaum mehr als umgerechnet hundert Euro zu haben. Die Gesellschaft bietet an Werktagen derzeit 20 Flüge je Richtung, davon allein sieben vor zehn Uhr. "Das führt vor allem früh morgens an beiden Enden zu Slot-Problemen", so Conradie.

FlySafair

Neues Auslandswachstum

FlySafair ist besonders zurückhaltend mit Zahlen, Finanzergebnisse gibt es gar keine und selbst die Anzahl der jährlich beförderten Passagiere behält die Firma lieber für sich, die gibt sogar Konkurrent Airlink heraus. Nur so viel wird verraten: "Unsere Kapazität liegt zwischen 950 000 und einer Million Sitzen im Monat." Und von denen scheint die Gesellschaft einen großen Teil zu verkaufen: "Wir haben immer Geld verdient seit dem zweiten Jahr unseres Flugbetriebs mit der Ausnahme von 2020", versichert der CEO. 2022 wurde mit Safair die bisherige Charter-Marke geschlossen, "aber wir waren immer eine Firma mit einem einzigen Luftfahrzeug-Betreiberzeugnis (AOC), aber zwei Marken", betont Conradie. Und der heutige effiziente Billigflugbetrieb ist weltweit einmalig in der Weise, wie er auf einer stolzen Geschichte als Frachtflieger aufbaut. "Ich hoffe viel von diesem Geist ist in FlySafair, auch wenn die heutigen Neueinsteiger oft nicht wissen, woher der besondere Zusammenhalt in dieser Firma stammt", so der Chef.

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Auslandsabfertigungen müssen sich einspielen

Inzwischen engagiert sich FlySafair, traditionell Inlandsbilligflieger, immer mehr über die Grenzen Südafrikas hinaus. Noch bis September 2023 flog sie grenzüberschreitend nur zweimal wöchentlich nach Mauritius, doch seit Oktober vergangenen Jahres nutzt sie erstmals neue Rechte, die ihr die südafrikanischen Behörden für etwa ein Dutzend ungenutzter Strecken innerhalb der Region zugesprochen hatten. Seitdem fliegt die Gesellschaft täglich von Johannesburg nach Harare in Simbabwe, außerdem im selben Zielland mehrfach wöchentlich nach Victoria Falls sowie nach Maputo (Mosambik) und Livingstone (Sambia). Das sei aber für jede neue Destination anfangs immer ein längerer Prozess und großer Aufwand. Erst wenn das eingespielt sei, werde man schneller nacheinander neue Ziele eröffnen, so der Firmenchef. Auch Sansibar wurde nach vorheriger Charterbedienung ein reguläres Linienflugziel. Die ebenfalls angekündigten internationalen Flüge ab Kapstadt, etwa nach Windhuk (Namibia), lassen dagegen auf sich warten. Man wolle sich erstmal auf den Auslandsrouten etablieren ab Johannesburg, danach stünden auch Flüge ab Kapstadt an, hieß es jüngst. "In fünf Jahren werden wir uns hoffentlich stabilisiert haben und stetiges, nachhaltigeres Wachstum als zuletzt sowohl im Inland als auch regional sehen", prophezeit Elmar Conradie, der bereits seit 19 Jahren bei der Firma tätig ist. "Dann werden wir sicher mehr als 40 Flugzeuge haben und eine starke Präsenz im ganzen südlichen Afrika haben", hofft er.