Anfang Mai 2016 veröffentlichte das amerikanische Verkehrsministerium (DOT) die Branchenbilanz der US-Airlines für das Jahr 2015: Deren Netto-Jahresgewinn nach Steuern stieg demnach von 7,5 Mrd. auf satte 25,6 Mrd. Dollar. Alle US-Airlines zusammen machten 2015 einen Gesamtumsatz von 168,9 Mrd. Dollar. Davon stammten 75,1 Prozent aus Ticketverkäufen. Immerhin 3,8 Mrd. Dollar Umsatzanteil erzielten die US-Airlines mit Gepäckgebühren, dies entspricht 2,3 Prozent. Weitere drei Milliarden Dollar erbrachten Gebühren für die Änderung von Reservierungen.
Nicht aufgeschlüsselt werden in der DOT-Übersicht Einnahmen für Wunschsitzplätze, den Verkauf von Speisen, Getränken, Kissen und Decken sowie für die Bordunterhaltung. Diese Extragebühren haben dazu geführt, dass Passagiere nach Möglichkeit auf die Gepäckaufgabe verzichten und mit maximalem Handgepäck an Bord gehen. Auf vielen US-Flughäfen gibt es mittlerweile noch kurz vor den Boarding Gates Imbissstände, an denen man kleine Speisen und Getränke als private Bordverpflegung erwerben kann.
Auf der Kostenseite standen bei den US-Passagierairlines branchenweite Betriebsaufwendungen in Höhe von 141 Mrd. Dollar. Daran hatten die Etatposten „Arbeit“ mit 45,4 Mrd. Dollar und „Treibstoff“ mit 27 Mrd. Dollar den größten Anteil. Für die Gruppe der 25 größten US-Linienairlines war das Jahr 2015 bereits das sechste Jahr in Folge, das mit schwarzen Zahlen endete. Allerdings war zuvor teilweise nur knapp die Gewinnzone erreicht worden. Dies hat sich nun geändert. Die Gewinnmarge kletterte aktuell gegenüber 2014 um 4,4 Prozent auf 15,2 Prozent.
Sucht man nach den Ursachen für die finanzielle Erholung der Linienfluggesellschaften, stößt man, neben dem deutlich gesunkenen Ölpreis, vor allem auf einen starken Konzentrationsprozess der Branche. Diese wird heute von wenigen Akteuren beherrscht. Nach der Liberalisierung 1977 und bis 2009 hatten die US-Airlines Verluste in Höhe von 52 Mrd. Dollar angehäuft. Dann kam die Wirtschaftsflaute. Schon 2005 hatten sich US Airways und America West zusammengeschlossen, 2008 folgten Delta und Northwest, 2010 United und Continental und 2011 schließlich Southwest und AirTran.
Mit den Branchenriesen American und US Airways gab es 2013 die letzte Elefantenhochzeit. Die jetzt noch größer gewordenen vier Riesen haben einen Anteil von rund 85 Prozent am US-Markt. Sie können an ihren Heimatdrehkreuzen noch effizienter agieren und bei Flugzeugkauf, Leasing wie auch bei der Wartung bessere Mengenrabatte herausholen. In den Krisenjahren hatten viele US-Airlines zunächst versucht, sich hohe Investitionen in neue Flugzeuge zu sparen. Doch dann erzwang der hohe Ölpreis eine Erneuerung beziehungsweise Ergänzung der Flotte mit sparsamerem und leiserem Fluggerät. Heute zahlen sich diese Investionen aus. Davon profitieren neben Boeing auch Bombardier, Airbus und Embraer.
Airbus hat jüngst mit dem neuen Endmontagewerk in Mobile, Alabama, sogar ein eigenes Endmontagezentrum auf US-Boden für seine Standardrumpf-Kassenschlager A319/A320/A321 errichtet, das bevorzugt den US-Markt beliefert. Noch sind die großen Hersteller über Jahre ausverkauft. Aber lange Lieferzeiten, billiges Öl und teure Neuflugzeuge haben noch eine andere Flottenerneuerungsquelle ins Blickfeld gerückt, den Gebrauchtkauf: So ergänzen die hochprofitablen Texaner von Southwest ihre Flotte derzeit auch mit jungen Gebrauchtflugzeugen, die dank immer besserer und weltweit standardisierter Wartung lange im Topzustand bleiben.
Bewegung auf dem Gebrauchtmarkt
Nicht weniger als 83 gebrauchte Boeing 737-700 akquiriert das Unternehmen derzeit auf dem Weltmarkt, darunter von Transaero Airlines. Gerade in Russland und Brasilien schwächt sich die Konjunktur ab, sodass junge Flugzeuge von dort aus günstig weiterverkauft werden. United-Continental hat aus China zwei Dutzend A319 übernommen, während Delta, die das Gebrauchtgeschäft wieder in Mode brachte, zurzeit den Kauf gebrauchter 737 bei GOL in Brasilien prüft. Hier lauert für die Neuflugzeugproduzenten und Leasingfirmen neue Konkurrenz: Ende März meldete Goldman Sachs, dass rund 900 schon bestellte Neuflugzeuge für Leasingfirmen noch keine Mieter gefunden hätten. Die Gebrauchtjets sind manchmal auch ein Hebel, um bei Tarifverhandlungen mit dem Personal die oft an Zusagen und Entgegenkommen geknüpfte Beschaffung neuer Flugzeuge hinauszuzögern. So hat, wie die Zeitung „Dallas Morning News“ berichtete, Southwest Airlines nach harten Verhandlungen mit ihren Piloten mithilfe der Gebrauchtjets wirkliche Neuanschaffungen um vier Jahre hinausgezögert, während die veraltete Boeing 737 Classic und von AirTran geerbte Boeing 717 dennoch ausgemustert werden konnten.
Für die Piloten scheinen, jedenfalls in den USA, wieder bessere Zeiten anzubrechen. Nach einer jahrelangen Durststrecke, bei der sich Nachwuchspiloten trotz hoher Ausbildungskosten mit Jahresgehältern um die 30 000 Dollar abfinden mussten, muss nun der Rückstand aufgeholt werden. Das ist für die Airlines nicht mehr so einfach wie früher, denn ein großer Teil ihres potenziellen Pilotennachwuchses hat sich umorientiert und ist in anderen Branchen tätig geworden. Oft sind auch die Fluglehrer, aus deren Kreisen der typische Pilotennachwuchs für den Regionalflugbereich stammte, längst zu den großen Airlines oder in andere Branchen abgewandert. Eine Studie der renommierten RAND-Corporation sagt voraus, dass die großen US-Airlines bereits mehr als 3000 zusätzliche Piloten pro Jahr benötigen. Der jährliche Bedarf werde bis zum Jahr 2020 bei 3000 bis 4000 bleiben, bevor er auf 4000 bis 5000 steige. Hinzu kämen Regionalairlines und kleinere Flugbetriebe, die ab 2018 mindestens weitere 5000 Piloten pro Jahr benötigten, mit steigender Tendenz. Mindestens 15 Jahre halte diese Bedarfsspitze an, so die Studie. Auch die allgemeine Airline-Belegschaft wächst in den USA mit 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Hier legen Netzwerkairlines und Niedrigpreis-Fluggesellschaften zu, während der Regionalflugmarkt stagniert oder schrumpft. Auch die Passagiere profitieren mittlerweile von der Erholung der Branche: Im vierten Quartal 2015 waren laut DOT die Inlandsflüge mit durchschnittlich 365 Dollar pro Ticket 8,3 Prozent billiger als ein Jahr zuvor. Im Vergleich zum Jahr 2000 waren die Flugpreise Ende 2015 sogar 14,4 Prozent billiger, während in der gleichen Frist die allgemeinen Verbraucherpreise um 34,9 Prozent stiegen. Inflationsbereinigt sind die Ticketpreise seit dem Jahr 2000 um 10,8 Prozent zurückgegangen, so das Verkehrsministerium.
FLUG REVUE Ausgabe 07/2016




