Seit der Zulassung im Juni 2003 hat AgustaWestland fast 750 AW139 gebaut und sich mit weitem Abstand die Führungsposition im lukrativen Markt der mittelschweren Hubschrauber gesichert. Dieser Dominanz will sich Airbus Helicopters nun endlich entgegenstemmen, und zwar mit einem von Grund auf neu entwickelten Muster, das dank durchgehender Anwendung fortschrittlicher Technologie 15 bis 20 Prozent weniger Kraftstoffverbrauch bieten soll.
Der Schleier über dem 2011 gestarteten X4-Projekt wurde am 3. März auf der Heli-Expo gelüftet. Das 1:1-Modell des nun als H160 bezeichneten Musters glänzte mit einer ganzen Reihe von innovativen technischen Lösungen, die exzellente Leistungen in einem weiten Einsatzbereich – von Versorgungsflügen zu Ölplattformen bis hin zur Luftrettung und VIP-Flügen – ermöglichen sollen.
Weil die H160 nun mit 5,5 bis sechs Tonnen Masse deutlich über der 40 Jahre alten Dauphin/EC155 angesiedelt ist, hat sich Airbus Helicopters im Februar entschieden, nur das Arrano von Turbomeca als Triebwerk zu verwenden. Dieses bietet gegenüber dem PW210 wohl deutlich mehr Wachstumspotenzial – bis zu 1300 kW. Turbomeca verspricht zudem einen 10 bis 15 Prozent geringeren spezifischen Kraftstoffverbrauch.
Neben dem neuen Triebwerk wird die H160 einen Fünfblatt-Hauptrotor mit lagerlosem Spheriflex-Rotorkopf verwenden. Die Rotorblätter basieren auf der „Blue Edge“-Technologie mit geschwungenen Spitzen, die die Wirbel günstig beeinflussen und so den Lärm insbesondere im Anflug um etwa 3 dB senken sollen. Ein positiver Effekt sind auch 100 kg mehr Nutzlast. „Blue Edge“-Blätter wurden Ende der 1990er Jahre erstmals im Windkanal erprobt und ab 2007 an einer EC155 im Flug getestet.
Das Hauptgetriebe für die H160 hat Airbus Helicopters vereinfacht und mit einer doppelten Ölversorgung ausfallsicherer gemacht. Als Drehmomentausgleich wird der größte Fenestron (ummantelter Heckrotor) verwendet, den das Unternehmen je entwickelt hat. Er ist um 12 Grad geneigt. Die Höhenflosse ist als Doppeldecker ausgebildet, was vor allem im Schwebeflug Vorteile bieten soll.
Erstmals bei einem Zivilhubschrauber wird die Zelle der H160 komplett aus Verbundwerkstoffen bestehen. Bis auf den Heckausleger, der von Daher stammt, wurde sie im Werk Donauwörth gebaut. Das Fahrwerk wird elektrisch betätigt, so dass man auf Hydraulikleitungen verzichten kann. Bei der Avionik setzt Airbus Helicopters auf sein eigenentwickeltes Helionix-System, wie es derzeit in der H175 (früher EC175) und der H145 (früher EC145 T2) zum Einbau kommt.
Während der Hersteller die Nutzung neuer Technologien herausstreicht, gibt er sich bezüglich Leistungen, Kabinengröße und Preisen noch zurückhaltend. Einzig eine Reisegeschwindigkeit von 296 km/h, ein Aktionsradius von 220 km mit zwölf Passagieren im Offshore-Einsatz und eine Reichweite von 830 km wurden genannt. Bestellungen will man erst 2016 entgegennehmen, und die Lieferungen sollen 2018 beginnen.
Bis dahin steht ein umfangreiches Testprogramm an, für das in Marignane spezielle Prüfstände (Elektronik/Avionik und dynamische Komponenten) gebaut wurden. Die Flugerprobung will man mit drei Prototypen und einer Vorserienmaschine bewältigen. Der Erstflug wird im Laufe des Jahres erwartet.
AgustaWestland: Das Kipprotormuster AW609 kommt 2018

Während Airbus Helicopters mit der H160 und der ab letzten Dezember ausgelieferten, 7,5 t schweren H175 (EC175) zum Angriff bläst, bleibt AgustaWestland natürlich nicht untätig. Auf der Heli-Expo wurde die Verfügbarkeit der AW139 mit einer maximalen Abflugmasse von sieben Tonnen angekündigt, also 600 kg mehr als bei der bisherigen Standardausführung und 200 kg mehr als beim derzeitigen Maximum. Durch Gewichtseinsparungen in der Offshore-Ausführung soll die Nutzlast sogar um bis zu 700 kg steigen. Der Aktionsradius mit zwölf Passagieren soll 305 km betragen. Eine Nachrüstung vorhandener AW139 durch Verstärkungen im Heckausleger und beim Fahrwerk ist möglich.
Nach einer erfolgreichen Demonstration wird AgustaWestland die AW139 mit einer auf 60 Minuten verlängerten Flugzeit nach einem Ölverlust im Getriebe zulassen. Dies ist doppelt so lang wie bei konkurrierenden Mustern.
Eine höhere Abflugmasse von 8165 kg verspricht AgustaWestland nun auch für sein Kipprotormodell AW609. Dies sei mit Triebwerksverbesserungen, einem verstärkten Fahrwerk und optimierten Flugsteueralgorithmen möglich. Mit Zusatztanks soll die maximale Reichweite 2040 km betragen. Sechs Passagiere kann die AW609 über 1480 km befördern, mit neun Passagieren wird eine Reichweite von 925 km in zwei Stunden angegeben.
Änderungen an der AW609 betreffen eine breitere Tür (88 cm), was vor allem bei SAR-Einsätzen hilfreich ist. Im Cockpit wird ein Pro-Line-Fusion-System von Rockwell Collins installiert. Bisher haben zwei Prototypen, in den USA und Italien, knapp 1200 Flugstunden absolviert. Mit zwei weiteren Prototypen wird die Zulassung bis Ende 2017 angestrebt. Dafür dürften weitere 1000 Stunden nötig sein. Die Endmontage der AW609 soll in Philadelphia erfolgen. Dort will man auch die weiteren Zulassungsarbeiten konzentrieren.
Ein weiteres Muster mit höherer Abflugmasse ist die S-92. Wie Sikorsky auf der Heli-Expo bekannt gab, wurden von der FAA dafür 12 565 kg zugelassen, was den Kunden 545 kg mehr Spielraum bei der Nutzlast (oder einem Mix aus Zuladung und Kraftstoff) gibt. Alle neu gebauten Hubschrauber können als Option mit dieser Masse gebaut werden. Auch ein Nachrüstkit wird angeboten.
Sikorsky hat in den vergangenen zehn Jahren über 240 S-92 ausgeliefert, die inzwischen mehr als 800 000 Flugstunden aufweisen. Zu den wichtigsten Kunden gehört Bristow Helicopters, die zum Beispiel vom 1. April an elf S-92 für einen über zehn Jahre laufenden Such-und-Rettungsdienst-Auftrag der britischen Maritime and Coastguard Agency (MCA) verwenden.
Bells Produktpflege-Neuheit in Orlando betraf das Modell 407. Die Änderungen der 407GXP gegenüber der 407GX liegen im Einbau des Rolls-Royce M250-C47B/8, das 642 statt 604 kW Leistung bietet. Dies kommt vor allem den Schwebeflugleistungen zugute, erlaubt aber auch 22 kg mehr Zuladung. Verbesserungen gab es auch bei der Software für die Garmin-G1000H-Avionik, um die Bedienung zu vereinfachen. Ein Autopilot kann nun optional installiert werden.
Kurz nach der Enthüllung der 407GXP präsentierte Bell das führende amerikanische Luftrettungsunternehmen Air Methods als ersten Großkunden. Ab 2016 will die Firma über zehn Jahre 200 Hubschrauber abnehmen. Das Geschäft erlaubt Air Methods die Erneuerung eines Teils seiner rund 400 Helikopter umfassenden Flotte.
Solche Verkaufserfolge geben neuen Schub nach einem Jahr, das durch einen unerwartet starken Produktionsrückgang gekennzeichnet war. Etwa 20 Prozent weniger Turbinenhubschrauber gingen 2014 an zivile Kunden. Dabei waren die größeren Modelle aber weniger betroffen, so dass der Umsatz nach vorläufigen Berechnungen der GAMA mit 4,9 Milliarden Dollar (4,5 Mrd. Euro) nur um zehn Prozent niedriger lag.
Trotz negativer Faktoren wie dem niedrigen Ölpreis, Einbrüchen aufgrund der Wirtschaftskrise in Russland und weniger private Abnehmer in Brasilien sieht Honeywell in seiner traditionell zur Heli-Expo veröffentlichten Prognose für die nächsten fünf Jahre jedoch stabile Aussichten. Bis 2019 könnten 4750 bis 5250 zivile Hubschrauber ausgeliefert werden – immerhin mehr als die 4300 in den letzten fünf Jahren.
Lieferbilanz 2014





AgustaWestland: 65* (131)
11 x AW119Ke, 1 x AW109 Power, 6 x GrandNew, 42 x AW139, 5 x AW189
Airbus Helicopters: 324 (364)
7 x EC120, 23 x AS350 B2, 122 x AS350 B3e, 58 x EC130, 3 x AS355 NP, 34 x EC135, 28 x EC145, 4 x AS365 N3, 10 x EC155, 3 x EC175, 2 x AS332, 30 x EC225
Bell Helicopter: 178 (213)
13 x 206L-4, 86 x 407, 53 x 429, 26 x 412
Enstrom Helicopter: 16 (17)
2 x 280FX, 14 x 480B
MD Helicopters:
keine Daten verfügbar
Robinson Helicopter: 329 (523)
42 x R22 Beta II, 41 x R44 Raven I, 145 x R44 Raven II, 101 x R66
Sikorsky: 59 (63)
17 x S-76, 42 x S-92
*Nur Zahlen für die ersten drei Quartale liegen vor. In Klammern die Stückzahl für 2013. Nur Zivilhubschrauber.
FLUG REVUE Ausgabe 05/2015