Feindesland: Antonows aus Russland für ukrainische Airline

Import aus „Feindesland“
Russische Antonows für ukrainische Airline

Veröffentlicht am 14.10.2021

Glaubt man einem Bericht des ukrainischen Fachportals Mintrans, steht Air Ocean Airlines bereits in den Startlöchern. Im August 2020 gegründet, besitzt das Airline-Startup zwar noch kein einziges Flugzeug. Aber das soll sich schon bald ändern: Bis Ende des Jahres, so schreibt Mintrans, will Air Ocean Airlines ihre beiden ersten Antonow An-148 in Empfang nehmen. Anders als der Herstellername vermuten lässt, stammen die Maschinen allerdings nicht aus der Ukraine, sondern aus Russland – dem ungeliebten großen Nachbarn, mit dem die Ukraine seit 2014 massiv über Kreuz liegt. Beide An-148 wurden vor zehn Jahren im WASO-Flugzeugwerk Woronesch gebaut und flogen bislang für die russische Regional-Airline Angara aus Irkutsk. Eigentümer ist die russische Leasinggesellschaft Ilyushin Finance Co. (IFC). Ukrainischen Boden hatten die Flugzeuge bisher noch nie unter ihren Rädern.

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Import über Moldawien

Das könnte sich inzwischen geändert haben: Schon vor einigen Wochen erschienen im Netz Schnappschüsse, die beide An-148 noch in Angara-Grundfarben, aber bereits mit den ukrainischen Kennzeichen UR-CTC und UR-CTF zeigen. Aufgenommen wurden die Fotos in Moldawien, das offenbar als Drittland für den Leasing-Deal fungiert: denn seit der Krimkrise 2014 ist der Flugverkehr zwischen Russland und der Ukraine eingestellt. Ein direkter Luftweg existiert derzeit nicht. Mintrans zitiert in seinem Artikel den Luftfahrtblogger Wladimier Belenky, nach dessen Angaben die beiden An-148 Ende August in Chisinau eintrafen. Bei Angara Airlines trugen sie zuvor die Kennungen RA-61711 und RA-61714. "Mit Hilfe der beiden Flugzeuge wird Air Ocean Airlines in der Lage sein, ein Betreiberzertifikat zu erhalten", schreibt Mintrans. Das ukrainische Luftverkehrsgesetz schreibe vor, dass eine neue Fluggesellschaft mindestens zwei Flugzeuge in ihrer Flotte haben muss, bevor sie Flüge durchführen darf.

Oleg Belyakov (CC BY-SA 3.0)

Ein Opfer des Bruderkriegs

Dass Air Ocean Airlines Flugzeuge eines ukrainischen Herstellers aus Russland importiert, hat einen einfachen Grund. Von den 47 An-148 (und An-158), die zwischen 2009 und 2018 gebaut wurden, entstanden nur zwölf bei Antonow in der Ukraine, aber 35 bei WASO in Woronesch. Während es gegenwärtig in der Ukraine nur vier Exemplare gibt, die alle noch bei anderen Dienstherren aktiv sind, stehen in Russland gleich mehrere An-148 mehr oder minder ungenutzt herum.

Das An-148-Programm oblag bis 2015 dem ukrainisch-russischen Joint Venture UAC-Antonov – und fiel letztlich den politischen Differenzen beider Nationen zum Opfer. Während Antonow in der Ukraine mangels weiterer Versorgung mit russischen Komponenten keine neuen Flugzeuge bauen konnte, hatten Airlines in Russland, die die An-148 einsetzten, zunehmend mit dem versiegenden Nachschub von Ersatzteilen aus ukrainischer Produktion zu kämpfen. Das war letztlich auch der Grund, warum Angara Airlines ihre insgesamt fünf ab 2012 gelieferten An-148 nach und nach aus dem Betrieb nahm. Der Carrier konnte nach eigenen Angaben nicht mehr für die Lufttüchtigkeit der Jets garantieren. "Die Situation mit den Komponenten und der technischen Unterstützung für die An-148 hat sich bis zum Äußersten verschlechtert", kommentierte Angara-Chef Sergej Salamatow Ende 2020.