Das Jahr 2016 hat die Erwartungen übertroffen“, sagte Fabrice Brégier, Chef von Airbus Commercial Aircraft, wie sich die Verkehrsflugzeugsparte der Airbus Group nun offiziell nennt, bei seiner Pressekonferenz am 11. Januar in Toulouse. Mit einem furiosen Auslieferungsfeuerwerk von 111 Flugzeugen alleine im Monat Dezember trieb Airbus die Lieferbilanz zum Jahresende noch in unerwartete Rekordhöhen. Ursprünglich hatte Airbus nur 650, dann 670 Auslieferungen für 2016 zum Ziel erklärt. Schließlich wurden es 688. Noch im Dezember war das Toulouser Werksvorfeld in langen Reihen mit Neuflugzeugen vollgeparkt, im Januar ging der Blick dort über deutlich geleerte Betonflächen. Zum 14. Mal in Folge konnte Airbus damit die Auslieferungen steigern.
Bereinigt wurde dagegen der Auftragsbestand von 6871 Jets um 82 Flugzeugbestellungen für Kingfisher aus Indien. „Es gab dort sehr ernsthafte Anläufe, das Unternehmen doch noch zu retten, aber jetzt haben die Investoren das Handtuch geworfen. Deshalb streichen wir diese Bestellung erst jetzt aus den Büchern“, erläuterte Airbus-Verkaufsgeschäftsführer John Leahy. Auch Aeroflot cancelte eine Bestellung für acht Airbus A350-800. „Diese Version wollen wir möglichst gar nicht mehr bauen“, verriet John Leahy über das kleinste Familienmitglied, in dessen Marktsegment der Hersteller mittlerweile lieber mit der A330neo antritt.
Damit hat nur noch Asiana Bestellungen für acht kurze A350-800 offen. Mit 49 im Jahr 2016 ausgelieferten A350 konnte Airbus die Schlagzahl der Produktion seit Jahresmitte deutlich erhöhen. Nach den ersten sechs Monaten hatte man erst zwölf Flugzeuge geschafft – weniger als allein im Dezember. Ab Ende 2018 will Airbus zehn A350 im Monat bauen. Bei den Kabinenausstattungsproblemen habe man einen Durchbruch erreicht, sagte Brégier: „Bis zum Sommer hatten wir Probleme mit den Zulieferungen für die Kabine. Dann stieg die Stückzahl, aber wir bekamen Qualitätsprobleme, was die Kunden unzufrieden machte. Das haben wir geklärt mit strikten Qualitätskontrollen und einer Übereinkunft mit den Lieferanten. Jetzt läuft es richtig.“
Erbitterter Kampf um die „Mitte des Marktes“

Unter den Standardrumpfflugzeugen der A320-Familie ist die A321 vom einstigen Exoten zum Star avanciert. 40 Prozent der Lieferungen entfallen bereits auf das größte Familienmitglied, Tendenz weiter steigend. Laut Airbus hat die A321neo gegenüber der Boeing 737-900 beziehungsweise 737 MAX 9 einen Marktanteil von 84 Prozent erobert. „Wir beherrschen diesen Markt“, sagte Fabrice Brégier. Boeing erwägt aber schon, die 737 MAX 9 zur 737 MAX 10 zu strecken, um der gegenüber der MAX bisher unerreicht großen A321neo mit ihren 240 Sitzen Paroli bieten zu können.
Will Airbus die A321neo dann vielleicht auch vergrößern, um den Vorsprung zu wahren – zu einer Art A322? „Nein, unsere 240 Sitze sind ideal“, entgegnet John Leahy auf die Frage der FLUG REVUE. Es werde keine A322 geben. Leahy bestätigte aber Studien, die Reichweite der A321neo um rund 200 Kilometer zu erhöhen. Außerdem habe eine Airline angefragt, ob man nicht auch 243 Sitze an Bord installieren könne.
Deutlich schwächer nachgefragt sind die kleineren Typen der A320-Familie. Trotzdem bekräftigte Airbus, auch die A319neo – nach A320neo und A321neo – auf jeden Fall entwickeln zu wollen, und selbst die klassische, kleine A318 steht noch in der neuesten Preisliste. Ab Mitte 2019 will Airbus die A320-Produktionsrate von 50 auf 60 Flugzeuge im Monat steigern.
Ab Sommer 2017 hilft dabei auch die neue, vierte Endmontagelinie in Hamburg. Diese nutzt Teile der dort nicht voll ausgelasteten Infrastruktur der A380-Halle und ist mit modernsten Industrierobotern bestückt, die völlig neue Produktionsabläufe erfordern. Gleichzeitig entlastet Airbus damit das A380-Programm in der Bilanz. Von dem sich nur noch schlecht verkaufenden Riesen, 28 Stück wurden 2016 ausgeliefert, wird bald nur noch ein einziges Flugzeug pro Monat produziert. 2017 und 2018 seien dennoch schwarze Zahlen in der reinen Produktion gesichert, sagte Fabrice Brégier. Der Schlüssel hierzu sei die Senkung der Fixkosten.

„Dieses Flugzeug hat eine Zukunft bei uns“, bekräftigte der Top-Manager. „Wir müssen den Bau so verbilligen, dass wir ein paar Jahre mit Rate eins (im Monat) hinkommen. Ich glaube, wir haben die Chance, weitere Aufträge zu gewinnen. Kampagnen laufen bereits, und dann bauen wir die A380 zur Familie aus.“
Die Durststrecke beim Verkauf der sehr großen Flugzeuge ende aber nicht vor 2018, sagt Airbus voraus. Immerhin arbeite die Zeit für die A380, denn die Nachfrage im Luftverkehr verdopple sich ungebrochen etwa alle 15 Jahre. Das steigende Aufkommen sei nur noch mit immer größeren Flugzeugen zu bewältigen, da sich viele Flughäfen nicht mehr erweitern ließen.
Mehrproduktion und leichter Sparkurs

Bei der Entwicklung einer verbesserten A380neo entscheide, wie viel die Kunden für deren neue Triebwerke zu zahlen bereit seien. Beim aktuellen Ölpreis um die 50 Dollar seien die Anforderungen völlig andere als beim früheren Extrempreis von über 100 Dollar, sagte John Leahy. Airbus werde künftig auf jeden Fall mehr Sitze in der A380 installieren, ohne den Komforteindruck zu stören. Airlines und Passagiere seien mit der A380 grundsätzlich zufrieden, und die Fluggäste seien noch immer bereit, für einen A380-Flug etwas mehr zu bezahlen oder sogar Umwege in Kauf zu nehmen.
Natürlich legte zum Jahreswechsel auch Boeing Bilanzzahlen vor. Die Amerikaner übertrumpften Airbus mit 748 Verkehrsflugzeug-Auslieferungen sogar noch, auch wenn der Rekord des Vorjahres (762) nicht ganz erreicht wurde. Der Boeing-Auftragsbestand kletterte auf 5715 Flugzeuge. Mit der 737 MAX, deren Produktion bereits hochläuft, hat der Hersteller auch in den kommenden Jahren einen Verkaufsschlager im Programm. Den größten Erfolg scheint, wie schon bei der Vorgängergeneration NG, die 737 MAX 8 zu haben, die nun 200 Passagiere fasst.

Natürlich legte zum Jahreswechsel auch Boeing Bilanzzahlen vor. Die Amerikaner übertrumpften Airbus mit 748 Verkehrsflugzeug-Auslieferungen sogar noch, auch wenn der Rekord des Vorjahres (762) nicht ganz erreicht wurde. Der Boeing-Auftragsbestand kletterte auf 5715 Flugzeuge. Mit der 737 MAX, deren Produktion bereits hochläuft, hat der Hersteller auch in den kommenden Jahren einen Verkaufsschlager im Programm. Den größten Erfolg scheint, wie schon bei der Vorgängergeneration NG, die 737 MAX 8 zu haben, die nun 200 Passagiere fasst.
Beide Branchenriesen liegen beim Wert ihrer Auslieferungen mit jeweils rund 23 Milliarden Dollar und beim geschätzten Realpreis ihrer erzielten Neubestellungen 2016 mit jeweils rund 28 Milliarden Dollar fast gleichauf.
Deshalb bleibt auf beiden Seiten des Atlantiks das Thema Produktion entscheidend. „Wir sind ausverkauft. Wir müssen jetzt erst mal bauen, was bestellt ist“, mahnte John Leahy. Für das Jahr 2017 sagt Airbus einen erneuten Auslieferungsrekord voraus. Unterdessen sind sich beide Hersteller über eine bevorstehende leichte Abschwächung der Flugzeugnachfrage einig, die allerdings keine bedrohliche Flaute zu werden scheint. Man bleibt aber mit zusätzlichen Großinvestitionen vorsichtig und versucht, Strukturen abzuspecken. Airbus hat gerade die Konzernführung in Toulouse zusammengeführt und ohne eigenen Unterbau auf die dortige Flugzeugbauverwaltung „aufgepfropft“. Boeing machte dagegen mehreren Hundert Mitarbeitern der Verkehrsflugzeugsparte Abfindungsangebote.
FLUG REVUE Ausgabe 03/2017