Luftfahrtschau
Rückblick Paris Air Show 2015

Die zivile Luftfahrt hat die Paris Air Show in diesem Jahr dominiert wie noch nie zuvor in der Geschichte. Auch UAVs waren ein Top-Thema der Messe auf dem Pariser Stadtflughafen Le Bourget. Allerdings fehl­ten auch einige namhafte Aussteller bei der 51. Ausgabe der Veranstaltung.

Rückblick Paris Air Show 2015

Die 51. Ausgabe der Paris Air Show hat die Ambitionen der Veranstalter der weltweit größten Luft- und Raumfahrtmesse unterstrichen. Airbus und Boeing konnten ihre Auftragsbücher weiter füllen, und so hing der Erfolg der Show in diesem Jahr von der zivilen Luftfahrt ab. Hier hatte sich vor allem Qatar Airways ins Zeug gelegt und zeitweise fünf Flugzeuge nach Le Bourget geschickt: Boeing 787, Airbus A319, A319ACJ, A350 und A380. Nie zuvor hatte eine Airline so viele verschiedene Muster auf der Messe gezeigt.

Die Militärluftfahrt war – wenn man von vielen kleinen Drohnenprojekten einmal absieht – spärlich vertreten. Die Ausstellungshallen und das Static Display waren nach Veranstalterangaben zwar komplett ausverkauft, aber mit BAE Systems, Northrop Grumman, Eurofighter und Saab fehlten doch einige Branchengrößen. Im täglichen Flugprogramm war außer der Dassault Rafale und der pakistanischen JF-17 Thunder kein anderer Fighter zu sehen. Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg war kein rein russisches Flugzeug auf der Messe, lediglich der in internationaler Kooperation entstandene Suchoi Superjet hielt die russische Fahne hoch.

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Aufträge für Airbus & Boeing

Luftfahrtmessen mag ich nicht, man kauft immer noch irgendwas“, scherz­te der Vorstandschef von Wizz Air, József Váradi. Der Ungar hatte noch bis in die Nacht mit Airbus verhandelt und per Absichtserklärung eine baldige Festbestellung von 110 Airbus A321neo besiegelt sowie „Erwerbsrechte“ (Lieferpositionen) für weitere 90 Flugzeuge vereinbart. Die Paris Air Show besteht eben nicht nur aus inszenierten Auftragsbekanntgaben. Schließlich treffen sich hier Flugzeughersteller, Leasingfirmen, Airlines und zahlreiche Zulieferer. Allein Airbus meldete nach der Messe neue Fest- und Vorbestellungen für Verkehrsflugzeuge im Listenwert von 57 Milliarden Dollar, Boeing lag mit einem Listenwert von gut 50 Milliarden Dollar nur unwesentlich darunter.

Beide Hersteller rechnen mit steigender Produktion. Alle 15 Jahre verdoppelt sich der Luftverkehr. Die neue Mittelklasse in China, und zeitversetzt auch in Indien, werde das stärkste Luftverkehrswachstum erzeugen. Binnen 20 Jahren werde Chinas Inlandsflugverkehr den heute führenden US-Inlandsflugverkehr als größten Markt ablösen, sagt Airbus voraus. Insbesondere für Standardrumpf­Flugzeuge, aber bald auch für Großraumflugzeuge wie die A330-300 Regional gebe es eine besonders starke Nachfrage. Für diese neue A330-Version ging der erste Auftrag in Paris ein: Saudi Arabian Airlines bestellte 20 Flugzeuge und zusätzlich 30 Airbus A320 mit herkömm­lichen Triebwerken.

Boeing konnte mit dem Jumbo-Frachter punkten und 20 weitere 747-8F an Air Bridge Cargo aus Russland verkaufen. Bis auf das Kooperationsprojekt Superjet war Russland in Paris nur mit Pressekonferenzen und Ständen vertreten, Folge der jüngsten Ost-West-Spannungen. Während der Messe wurde die Abbestellung von 22 Dreamlinern seitens Aeroflot bekannt. Der Dreamliner war dennoch einer der Messestars: Ein Trainingsvideo des Pariser 787-Flugprogramms lockte im Internet über zehn Millionen Betrachter.

Immer wichtiger wird der Markt für gebrauchte und umbaufähige Flugzeuge. Gebrauchte A320 und A321 in Frachter umbauen will ein Joint Venture der Airbus-Tochter EFW aus Dresden und von ST Aerospace aus Singapur. Die Asiaten, sie übernehmen 55 Prozent des Gemeinschaftsvorhabens, entwickeln eine besonders kostengünstige Umbauvariante, bei der das seitliche Frachttor am Bug und nicht mehr, wie in einem früheren Airbus-Projekt mit Russland geplant, am Heck platziert wird. Dadurch spart man aufwendige Eingriffe in die komplizierte Heckstruktur, was den bisher sehr hohen Endpreis senkt. Nur die A380 ging in Paris leer aus. Airbus bekräftigte, dass die Produktion des Riesen in diesem Jahr schwarze Zahlen erreichen werde. Erst danach denke man über eine Streckung und Modernisierung nach.

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Premiere der CSeries

Nach den Rückschlägen der Vergangenheit wollte Bombardier für das neue Flaggschiff eine Premiere nach Maß, und die ist auch gelungen. Mit dem Auftritt der CS100 und CS300 war die CSeries einer der großen Stars in Le Bourget. Neue Bestellungen gab es aber nicht, sodass es bei den 243 georderten Flugzeugen bleibt. Allerdings wandelte Swiss zehn der gekauften 30 CS100 in Orders für die CS300 um. Spielraum gibt es genug, schließlich erwarten die Kanadier einen Bedarf von 7000 neuen Flugzeugen im Bereich von 100 bis 150 Sitzen bis zum Jahr 2034.

Angesichts der zahllosen Delegationen, die den fünften Prototyp besichtigten, dürfte sich der Aufwand gelohnt haben. Negative Auswirkungen auf die Flugerprobung gab es keine: „Wir sind sehr stolz auf das Flugzeug, aber wir wären nicht hergekommen, wenn wir nicht genügend Spielraum gehabt hätten, das Programm pünktlich abzuschließen. Das war eine gute Motivation für das Team“, sagte CSeries-Programmchef Robert Dewar im Gespräch mit der FLUG REVUE. Seiner Aussage nach sind die Flugtests zu mehr als 70 Prozent abgeschlossen. Von den bis zur Zulassung der CS100 nötigen 2400 Flugstunden sind bereits 1750 erreicht, bei der CS300 sind es 170 von 800 Stunden. „Unser Plan ist, die Flugerprobung Ende Oktober abzuschließen.“ Im August stehen noch Lärmmessungen und Einsätze bei hohen Temperaturen an. Dann fehlen nur noch die letzten Vereisungsversuche.

Die bisherigen Ergebnisse seien besser als erwartet. Beispielsweise liegt die maximale Reichweite um fast 650 Kilometer höher als berechnet. „Beim Langstreckenflug nach Paris waren wir über den geringen Verbrauch verblüfft. Bei der Landung hatten wir noch rund 4500 Kilogramm Kraftstoff im Tank“, meinte Dewar. Zufrieden ist er auch mit der Einsatzzuverlässigkeit der CSeries im Flugtest. „Die aktuelle Rate beträgt 98,4 Prozent, weit besser als bei jedem anderen unserer Programme. Wir hatten anfangs Probleme mit der Einsatzreife der Software, und dann kam der Triebwerkszwischenfall. Wir arbeiteten hart an der Software, und als wir wieder fliegen konnten, gab es eine enorme Verbesserung.“ Einer der Hauptpunkte war die Fly-by-Wire-Flugsteuerung, deren Programmierung länger als erwartet gedauert hatte. Im August wird die sechste Software-Version aufgespielt, sie entspricht dem Zulassungsstandard. Im Oktober beginnt dann die Einsatzerprobung der ersten CS100 des Serienstandards. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen dann in die siebte Version für die Indienststellung ein.

Von den Änderungen im Bombardier-Management sind Dewar und sein Team verschont geblieben. Der neue Präsident, Alain Bellemare, ließ alle Bereiche auditieren. „Auf der Produktseite bekamen wir grünes Licht. Die Ergebnisse waren so gut, dass man ein zweites Team schickte, um sie zu überprüfen. Es kam zum selben Ergebnis. Alain war zufrieden und sagte, die Probleme lägen eher auf der kommerziellen Seite.“

Debüt der An-178

Da alle militärischen Programme mit Russland gestoppt sind, muss sich der ukrainische Hersteller neu orientieren. In Paris wurde die An-178 erstmals gezeigt. Foto und Copyright: Schwarz

Antonow erlebt wegen der wirtschaftlichen Turbulenzen in der Ukraine – bedingt auch durch die Kämpfe im Osten des Landes – schwere Zeiten. Dennoch will man wieder an die alte Größe anknüpfen und die Produktion, die zuletzt jährlich teils im einstelligen Bereich lag, deutlich hochfahren.

Der Bruch mit dem traditionellen Partner Russland bringt allerdings erhebliche Probleme. So sind die Tests mit dem Militärtransporter An-70 inzwischen zwar abgeschlossen, aber an eine Produktion ist wohl nicht zu denken. Deshalb untersuchen die Ingenieure unter Generalkonstrukteur Dmytro Kiva derzeit die An-188, die auf dem An-70-Entwurf aufbaut, aber auf Triebwerke, Avionik und Systeme aus ukrainischer und westlicher Produktion setzt. Statt vier Propellerturbinen sollen Turbofans wie das D436-148FM benutzt werden, das bereits die An-178 antreibt.

Die An-132 soll mit saudischem Geld westliche Ausrüstung erhalten. Foto und Copyright: Antonow

Bei einer maximalen Abflugmasse von 140 Tonnen und einer Nutzlast von 40 Tonnen sowie einer Startstrecke von weniger als 1000 Metern entspricht die An-188 in etwa der A400M-Klasse – aus Sicht von Antonow ein interessanter Markt. Genaue Zeitpläne für die Entwicklung wurden auf der Paris Air Show aber noch nicht genannt.

In Paris präsentierte Antonow erstmals den Transporter An-178, der am 7. Mai zum Erstflug gestartet ist. Die Maschine soll bis Ende 2016 ihre zivile Zulassung erhalten, aber auch für militärische Einsätze angeboten werden. Den Markt in der Gewichtsklasse der An-178 – Nutzlast rund 15 bis 18 Tonnen – schätzt Antonow auf über 1000 Flugzeuge. Von der An-178, die erste Aufträge von Silk Airways aus Kasachstan erhalten hat, soll es eine Variante mit westlichen Systemen geben. Als Triebwerke kämen das CF34-10 von GE Aviation und das PW1500 von Pratt & Whitney in Betracht. Ebenfalls untersucht wird eine Tankerversion mit einem leicht einrüstbaren Tank im Frachtraum, der 15 000 Kilogramm Treibstoff aufnehmen könnte.

Neueste Idee von Antonow ist eine An-70-Version mit vier Turbofan-Triebwerken. Foto und Copyright: Antonow

Im Bereich der Transporter mit Turboprop-Antrieb hat Antonow einen Investor aus Saudi-Arabien gefunden. Zusammen mit der Taqnia Aeronautics Co., einem Ableger der staatlichen Investmentfirma Taqnia, soll eine neue Version der An-32 entwickelt werden. Die „Westernisierung“ des Musters betrifft den Einbau von PW150A-Triebwerken (3775 kW) von Pratt & Whitney Canada sowie von Avioniksystemen von Honeywell. Insgesamt soll die An-132 bessere Leistungen bieten als die An-24 oder die An-32. Die Reichweite mit der maximalen Nutzlast von 9,2 Tonnen wird mit 1400 Kilometern angegeben.

Nach der Vertragsunterzeichnung im April soll innerhalb von 18 Monaten ein Prototyp gebaut werden. Geplant  ist die Fertigung in Saudi-Arabien, wofür Antonow auch die Ausbildung von Ingenieuren und Technikern übernehmen wird. Der Vertrag für den Bau der neuen Anlagen wurde in Le Bourget unterzeichnet. Aus Deutschland ist hier Broetje-Automation beteiligt.

Airbus Helicopters H160 fliegt

In den Zeiten von Facebook und Twitter ist es mit Über­raschungen schwierig: Als Guillaume Faury am Dienstagmorgen auf seiner Pressekonferenz den Erstflug der H160 offiziell verkündete kursierten im Internet längst die ersten Bilder des neuen Hubschraubers. Testpilot Olivier Gensse war zusammen mit den Flugtestingenieuren Nocolas Certain und Laurent Maruejols am Samstag, den 13. Juni, in Marignane etwa 40 Minuten in der Luft gewesen, um das Verhalten der Maschine und ihrer Systeme im Schwebeflug sowie im langsamen Seitwärts- und Vorwärtsflug zu überprüfen. „Der Flug war sehr vielversprechend hinsichtlich der Stabilität, der Vibrationen und des Geräuschniveaus“, erklärte Gensse anschließend.

Das zweite große Thema von Airbus-Helicopters-Chef Faury in Paris war die X6. Unter dieser Bezeichnung laufen die Studien für einen neuen schweren Hubschrauber, der langfristig in die Fußstapfen der H225 (Super Puma) treten soll. Nachdem die staatlichen Finanzierungshilfen geklärt sind beginnt nun eine auf zwei Jahre angesetzte Konzeptphase, in der die optimale Größe und die zu verwendenden Technologien festgelegt werden sollen. Dazu sind intensive Marktstudien sowie ein enger Dialog mit potenziellen Kunden angesagt.

Ziel ist es, mit dem X6 die führende Marktposition im Offshore-Bereich zu halten. „mehr Komfort, weniger Lärm und ein geringerer Verbrauch“ sind dafür laut Faury wesentliche Merkmale des neuen Musters. Dessen Programm-, Entwurfs- und Fertigungsphilosophie soll auf den Erfahrungen mit der H160 aufbauen. So wird die X6 die „Blue-Edge“-Blätter erhalten und soll von Anfang an über ein Enteisungssystem verfügen. Eine bereits getroffene grundlegende Entscheidung betrifft die erstmalige Verwendung von Fly-by-Wire in einem zivilen Modell von Airbus Helicopters. Dies biete bei größeren Mustern Vorteile hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Sicherheit, so das Unternehmen. Als Antrieb kommt eine Wellenturbine von Turbomeca oder von US-Herstellern in Frage. Turbomeca arbeitet derzeit an seinem Tech-3000-Demonstrator.

Sobald mit der Konzeptphase die Grundlagen geschaffen und die Risiken eingegrenzt sind wird die eigentliche Entwicklung beginnen. Die erste X6 wird dann nach 2020 verfügbar sein, wobei sich die Produktion mit der H225/H225M überlappen wird.

FLUG REVUE Ausgabe 08/2015

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