Vom verschmähten Regierungsjet zum Mexicana-Partyflieger

Mexikos Präsidenten-787
Vom verschmähten Regierungsjet zum Partyflieger

Zuletzt aktualisiert am 16.11.2022

Als Andrés Manuel López Obrador 2018 für das Amt des mexikanischen Präsidenten kandidierte, war für ihn klar: Die Regierungsmaschine ist ein Symbol staatlicher Verschwendung. Niemals würde er den Präsidentenjet benutzen, in dem sein Vorgänger Enrique Peña Nieto regelmäßig unterwegs war. Das Flugzeug sei eine reine Geldverschwendung, viel zu protzig und luxuriös für den Staatschef eines so armen Landes wie Mexiko. "Nicht mal Obama hat ein solches Flugzeug", sagte er. Im Vergleich zur Boeing 747, mit der der US-Regierungschef reist, hatte der kurz als AMLO bekannte Politiker zwar allenfalls recht, was das Baujahr des 2010 produzierten Jets angeht. Seinem Versprechen ist der derzeitige Präsident Mexikos jedoch treu geblieben: Bis heute hat er das Flugzeug nicht ein einziges Mal benutzt. Stattdessen zieht es das Staatsoberhaupt tatsächlich vor, per Linie zu reisen – gerne auch in der Economy Class.

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ALEJANDRO MELENDEZ / AFP (via Getty Images)

Millionenkosten für die Wartung

Gleich nach seiner Wahl ließ López Obrado die 787 deshalb einmotten. Seitdem pendelt sie lediglich für Instandhaltungsarbeiten zwischen Mexico City und dem kalifornischen Victorville, wo der Dreamliner gewartet wird. Aber allein für Unterbringung und Instandhaltung, um das Flugzeug lufttüchtig zu halten, fallen jährlich Kosten in Millionenhöhe an. Dazu kommen die Leasingraten, die noch bis 2027 fällig sein werden. Über 16 Millionen Dollar sollen es allein im laufenden Jahr 2022 sein. Den Vertrag für die Anschaffung des Jets hatte 2012 der damalige mexikanische Präsident Felipe Calderón abgezeichnet. Den Kauf wickelte die staatliche Entwicklungsbank Banobras ab, der Leasingvertrag mit Banobras wurde auf 15 Jahre festgesetzt.

Ehemaliger Prototyp

Die Präsidentenmaschine ist die sechste 787-8, die Boeing produziert hat – eine der Testmaschinen, mit denen der Hersteller die Flugerprobung bestritt. Dass solche Prototypen später bei Airines, privaten oder gewerblichen Betreibern landen, ist nicht ungewöhnlich – in der Regel erhalten die Käufer einen signifikanten Preisnachlass. Mexiko soll nach Angaben lokaler Quellen seinerzeit 114,6 Millionen US-Dollar bezahlt haben.

Bis das Flugzeug aber den Anforderungen einer mexikanischen Regierungsmaschine entsprach, flossen insgesamt 218 Millionen US-Dollar in das Projekt. Die VIP-Kabine beherbergt eine Präsidentensuite mit Badezimmer, Dusche und Schlafzimmer. Auch ein Trimmfahrrad soll sich an Bord befunden haben, mit dem sich der Präsident während des Flugs fit halten konnte. Darüber hinaus verfügt die Kabine über 80 Sitzplätze für die Entourage des Regierungschefs.

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ALFREDO ESTRELLA / AFP (via Getty Images)

Schwer verkäuflich

Genau diese Ausstattung ist es jedoch, die den Jet so schwer verkäuflich macht: Für den Airline-Betrieb mit rund 300 Passagieren müsste die Kabine komplett umgebaut werden – zu aufwändig angesichts des Alters der 787. Und für den gemeinen Milliardär ist die Ausstattung mit 80 Sitzplätzen zu wenig exklusiv. Andere VIP-Maschinen bieten an deren Stelle oftmals Esszimmer und Lounge.

Dazu kommt: Auf dem Gebrauchtmarkt sind die ersten Flugzeuge einer Produktionsreihe – vorsichtig ausgedrückt – bei den Käufern nicht gerade die gefragtesten, stecken sie doch oft voller Kinderkrankheiten.

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ALFREDO ESTRELLA / AFP (via Getty Images)

Auch Kanada winkt ab

Die Verkaufsverhandlungen mit zwei privaten Interessenten blieben jedenfalls ergebnislos. Ebenso wie die Bemühungen, die Boeing 2020 an Kanada zu verkaufen. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau nutzt als Verkehrsmittel einen in die Jahre gekommenen Airbus A310-300. Der Dreamliner (geschätzter Marktwert: 130 Millionen US-Dollar) hätte auf alle Fälle den Bedarf nach mehr Reichweite gedeckt, die bestehende Kabine war ideal für den Einsatz als Staatsflugzeug. Der Deal scheiterte aber unter anderem daran, dass die Kanadier auf zwei identische Maschinen in ihrer Regierungsflotte bestanden, um im Falle von Problemen mit dem Jet gerüstet zu sein. Einen weiteren Dreamliner dazukaufen, Crews und Wartungspersonal auf das neue Muster schulen und die Verfahren der kanadischen Luftwaffe für Betrieb und Luftbetankung der 787 anpassen: All das wollten die Kanadier dann doch nicht.

Hauptpreis einer Lotterie

Seitdem versucht López Obradors hartnäckig, das Flugzeug loszuwerden. Unter anderem mit Mitteln, die Pressevertreter und Kritiker in die Kategorie "absurd" einreihen. Etwa einer Verlosung, mit der der Präsident den Jet vom Hof bekommen wollte. Sechs Millionen Lose für jeweils 500 Pesos (27 US-Dollar) wollte der Staatschef verkaufen und so 150 Millionen Dollar einnehmen. Die Idee scheiterte an solchen Kleinigkeiten wie der Frage, was denn ein potenzieller Gewinner mit dem knapp 57 Meter langen und 120 Tonnen schweren Flugzeug anfangen solle. Und vor allem, wo er es parken solle.

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ALEJANDRO MELENDEZ / AFP (via Getty Images)

Auferstehung von Mexicana

López Obradors neueste Idee ist nun, den Jet einer Fluggesellschaft zu überlassen, die es noch gar nicht gibt. Der Regierungschef plant nämlich die Gründung einer Airline unter der Schirmherrschaft des vom Militär geführten Unternehmens Olmeca-Maya-Mexica. Die soll Mexicana de Aviación heißen – genau wie die einstige, 2010 insolvent gegangene Nationalairline Mexikos. Jedermann solle den Regierungsjet mieten können, die Einnahmen würden dann den Unterhalt des Flugzeugs decken. Der Staatschef denkt dabei an Unternehmen, die mit einem Flug in der VIP-Boeing ihren Arbeitern eine besondere Prämie bescheren wollen. Auch als fliegendes Partymobil für ausgefallene Hochzeits- oder Geburtstagsfeiern an Bord soll der Dreamliner künftig herhalten. Wie er seine Kritik der Maßlosigkeit und Verschwendung damit vereinbaren will, sagte der Präsident nicht.