Mit Rekordkäufen an die Airline-Spitze? Saudi-Arabiens Luftfahrtpläne

Saudische Luftfahrtoffensive
Mit Rekordkäufen an die Airline-Spitze?

Veröffentlicht am 07.06.2025

Dieser Kauf ist ein Meilenstein für unsere Flottenmodernisierung und unser Flottenwachstum," sagte Ibrahim Al-Omar, Generaldirektor der Saudia Group, nachdem er am 23. April bei Airbus in Toulouse zehn A330-900 für flyadeal bestellt hatte. Die Niedrigpreistochter der Saudia Group soll mit der jüngsten Flotte des Nahen Ostens ausgerüstet werden, um entsprechend kostengünstig fliegen zu können. Schon letztes Jahr hatten die Saudis dafür 105 weitere Flugzeuge geordert. Bis 2030 will Saudi-Arabien Flugverbindungen zu 250 Zielen anbieten und 330 Millionen Reisende, davon 150 Mio. Touristen, abfertigen.

Ibrahim Al-Omar und Benoît de Saint-Exupéry verkünden in Toulouse zehn A330-900 für flyadeal
Airbus

Ehrgeiziges Wachstum

Mehr Besucher im Land sind ein wichtiger Teil der Strategie, die Saudi-Arabien weniger abhängig von Ölexporten machen soll. Bisher sorgt der Ölexport für 43 Prozent des saudischen Bruttosozialprodukts und sogar für 75 Prozent der Steuereinnahmen. Rund 17 Prozent der Welt-Ölreserven liegen als Bodenschatz in Saudi-Arabien. Diese Abhängigkeit vom Öl will die Regierung verringern und zugleich neue, qualifizierte Arbeitsplätze für eine nachwachsende, junge Generation unter den 36,5 Millionen Einwohnern schaffen. Für die lange Zeit streng von touristischen Besuchern abgeschirmte Nation ist das eine völlige Kehrtwende. Ab 2026 soll an 600 lizensierten Touristenorten sogar der Ausschank von Wein und Bier gestattet werden, auch in Vorbereitung der Expo 2030 und der Fußball-WM 2034. Alleine am Roten Meer soll dafür mit der futuristischen Retortenstadt Neom und dem dort für bis zu 170 km Länge projektierten, verspiegelten Wüstenhochhaus "The Line" bis 2045 eine gigantische, neue Touristenattraktion entstehen. Beworben werden bereits Tauchausflüge in die malerische Unterwasserwelt des Roten Meeres und Wüstenausflüge in den kühleren Morgen- und Abendstunden, wenn man die dortige Tierwelt beobachten kann. Neben dem Fremdenverkehr will Saudi-Arabien auch seine Wirtschaftsstruktur von reinen Rohstoffexporten um neue Geschäftsfelder erweitern. Dazu gehören strukturell die Förderung eines neuen mittelständischen Industriesektors und die Erhöhung des Beschäftigungsanteils von Frauen von 22 auf 30 Prozent.

In Sachen Luftfahrt öffnet sich Saudi-Arabien sogar gerade wieder in Richtung Iran: Seit Mitte Mai gibt es, nach fast zehnjähriger Unterbrechung wegen politischer Querelen, wieder Flüge zwischen dem Iran und Saudi-Arabien. Den Erstflug absolvierte am 17. Mai die private saudische Niedrigpreis-Airline Flynas von Dschidda nach Teheran und zurück. Damit können wieder iranische Pilger an der diesjährigen Hajj-Pilgersaison teilnehmen. Alleine Flynas will bis zum ersten Juli rund 37 000 iranische Pilger nach Saudi-Arabien befördern. Sie konzentriert sich dabei auf einige Flüge nach Teheran und vor allem die Route ins iranische Mashhad, während Iran Air Teheran selbst und weitere Abflughäfen bedienen will.

Airbus A321neo von Air Arabia im Flug mit ausgefahrenem Fahrwerk
AirTeamImages / Martin Stovey

Pilger-Hochsaison

Die Pilgersaison Hajj ist auch für Saudi-Arabiens Flag Carrier Saudia Hochsaison. 74 Tage dauert die Pilgerzeit, ihren Höhepunkt er- reicht sie in diesem Jahr zwischen dem 4. und 9. Juni. 11 000 Saudia-Mitarbeiter kümmern sich um die Pilger-Fluggäste, die in 158 Flugzeugen an 100 Startflughäfen weltweit eingesammelt werden, um zu insgesamt 28 Inlandsflughäfen reisen können. An Bord der Pilgerflüge wird spezielles Essen serviert und Durchsagen in der Kabine erinnern die Passagiere an die Gebetszeiten. Gebrechliche Pilger werden auf den Flughäfen von eigens verstärkten medizinischen Hilfsteams betreut. Eine Million Sitze sind für den jährlichen logistischen Kraftakt bei Saudia eingeplant. Nach eigenen Angaben erzielt Saudia bei den reisenden Pilgern einen Marktanteil von 35 Prozent. Ab Juni verteilt Saudia sogar neuartige Textilien: High-Tech-Pilgerkleidung mit Kühleffekt und dem offiziellen Label "The coolest Ihram" an ihre Fluggäste. Die weißen Überwürfe sehen aus wie die traditionellen weißen Pilgerhemden, aber sie bestehen aus spezieller Kunstfaser mit eingebetteten Mineralien und sollen die Temperatur am Körper um ein bis zwei Grad Celsius senken – ein Luxus in der heißen Wüstennation – und einen Lichtschutzfaktor über 50 bieten. Das Königreich will bis 2030 seine Menge jährlicher Hajj-Pilger auf sechs Millionen Menschen steigern, die der Umrah-Pilger sogar auf 30 Millionen. Die Hajj-Reise, einmal im Leben, gilt im Islam als religiöse Pflicht-Wallfahrt; die Umrah ist eine zusätzliche, weniger bindend vorgeschriebene Pilgerreise. Natürlich muss die wachsende Passagierzahl auch am Boden zuverlässig abgefertigt werden. Deswegen hat die Swissport International AG seit Juni neu sieben zusätzliche Flughafenstationen in Saudi-Arabien eröffnet. Somit ist sie nun an 13 Flughäfen des Königreichs vertreten. Gegenüber 2024 bedeutet dies einen enormen Wachstumsschub von 50 Prozent. Während Swissport anfänglich nur die Passagier- und Vorfeldabfertigung übernahm, gehören jetzt auch Frachtabfertigung, Loungebetrieb und Flugzeugreinigung zum Angebot, für das derzeit der Personalbestand mit einheimischen Mitarbeitern ausgebaut wird. Ein besonders enger Airline-Partner von Swissport ist dabei Air Arabia aus den Emiraten, die auch Erstkunde an vielen der neuen saudischen Destinationen wurde.

Boeing 787-9 von Riyadh Air im Flug über den Wolken
Riyadh Air

Riyadh Air vor dem Start

Als zweite nationale Fluggesellschaft Saudi-Arabiens will noch in diesem Jahr die Neugründung Riyadh Air starten, wie Airline-Chef Tony Douglas kürzlich bestätigte. Ihr Einsatzgebiet ist speziell der Langstreckenverkehr nach Europa und in dortige Hauptstädte. Linienziele sollen im Laufe dieses Jahres angekündigt werden. Riyadh Air hatte schon auf der letzten Paris Air Show 2023 eine Boeing 787 in lila Lackierung als Marken-Demonstrator vorgestellt. Mittlerweile gibt es noch ein zweites Flugzeug mit weißem Rumpf, das mit den Hitzebedingungen in der Wüste besser zurechtkommen dürfte, wo sich dunkle Farben stärker aufheizen. Noch nicht endgültig beschlossen ist dagegen eine weitere Airline-Gründung im Frachtbereich. Hierfür soll der allmächtige saudische Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) bereits die Bestellung von Boeing 777- und A350-Frachtern erwägen. Aufgabe könnte eine verbesserte Logistikanbindung für Saudi-Arabien sein, um regional konkurrierenden Drehkreuzflughäfen wie Dubai und Doha Paroli bieten zu können.

Modernes, neues Terminal des King Abdulaziz International Airport in Dschidda
Saudia

Großer Flughafenausbau

Beim Flughafenausbau hat Saudi-Arabien seine Hausaufgaben schon gemacht: Seit 2018 öffnete am King Abdulaziz International Airport in Dschidda, Drehkreuz von Saudia, flyadeal und Flynas, das neue Terminal 1 für alleine 30 Millionen Fluggäste. Der seit 1981 ausgebaute wichtigste Flughafen des Landes ist auch für Mekka zuständig, per "Haramain"-Hochgeschwindigkeitszug angebunden, und hat neben dem internationalen Nord-Terminal ein eigenes Abfertigungsgebäude für Pilger. Außerdem gibt es ein königliches Terminal und einen militärischen Luftwaffenstützpunkt auf dem Gelände. Dschidda hat bereits die nächste Erweiterung angekündigt und will ein weiteres Neubauterminal 2 errichten und eine zusätzliche vierte Start- und Landebahn bauen. Noch größere Pläne schmieden die Saudis mit dem Hauptstadtairport Riad: Starachitekt Lord Foster entwarf bereits einen Masterplan für den King Salman International Airport, ein Gelände mit 57 Quadratkilometern Fläche. Es soll mit sechs parallelen Start- und Landebahnen ausgestattet werden und 2030 bereits 120 Millionen Passagiere abfertigen. Bis 2050 soll diese Zahl auf 185 Millionen Passagiere und 3,5 Millionen Tonnen Fracht steigen. Foster schlägt ein Terminal aus engen Höfen vor, in dem begrünte Wasserläufe und Parks Kühle spenden. Als eigene Stadt soll der Flughafen von Wohn- und Geschäftsvierteln umschlossen werden und sich zur wichtigen Logistikdrehscheibe entwickeln.