Die Sensation ist perfekt: Auf der größten US-Luftfahrtveranstaltung, dem EAA AirVenture in Oshkosh, stellte Rimowa-Chef Dieter Morszeck Mitte Juli sein neuestes Produkt vor: eine originalgetreu nachgebaute und flugfähige Junkers F 13, das erste Ganzmetall-Verkehrsflugzeug der Welt. „Hugo Junkers war ein Visionär. Er war der erste, der Duraluminium im Flugzeugbau verwendete. Für Junkers-Flugzeuge und für Koffer von Rimowa wurden die gerillten Bleche weltweit zum Erkennungszeichen. Deshalb habe ich den Wiederaufbau einer flugfähigen F 13 verfolgt und gefördert. Mit der F 13 nimmt ein Kulturgut Gestalt an“, schwärmte der Kölner Unternehmer, der schon Ende 2013 zugesagt hatte, die komplette Finanzierung des Nachbauprojekts zu übernehmen.
Die erste neue F 13 entstand in 15-monatiger Bauzeit nach 9000 Baustunden aus 2600 Bauteilen, die von 35 000 Nieten zusammengehalten werden. Herstellungsort war Oberndorf am Neckar. Dort, zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb, hat die nur Insidern bekannte aber in Branchenkreisen bereits renommierte Firma Kaelin Aero Technologies ihren Sitz. Deren Schweizer Gründer und Chef, Dominik Kälin, lernte sein Flugzeugbauer-Handwerk einst bei Pilatus, repariert heute weltweit Flugzeuge und fertigt auch anspruchsvollste Strukturteile nach Luftfahrtstandards neu – zum Beispiel auch für die Breitling Super Constellation. Selbst seinen Oberndorfer Produktionshangar mit aufgesetztem Wohnhaus konstruierte der erfolgreiche Mittelständler selbst. Seine neue Junkers F 13 basiert auf dem exakten Nachbau eines deutschen Originals aus Paris. Im dortigen Musée de l´Air in Le Bourget befindet sich nämlich eine seltene Junkers/Larsen JL 6. Diese einst in Deutschland hergestellte, verbesserte Sternmotor-Version der F 13 für den US-Markt verfügt noch über einen „jungfräulichen“ Flügel, der niemals in der Luft war. Das Rimowa-Team durfte mit Erlaubnis der Franzosen 2013 die F 13 per Laser vermessen und dafür sogar deren Flügel abnehmen. Unterlagen aus dem Nachlass von Hugo Junkers und aus den Archiven des Deutschen Museums in München, des Schweizer Nationalarchivs in Bern und des britischen Nationalarchivs komplettierten die Konstruktionspläne. Schon seit 2013 wurde auch die Schweizer Zulassungsbehörde BAZL einbezogen. Wertvolle Informationen zum Fahrwerk konnten ergänzend in Schweden gewonnen werden. Dort ist eine Junkers W-34 erhalten, deren Module eng mit der F 13 verwandt sind. Für den Betrieb auf festen Pisten, nicht mehr auf Gras, erhält der neue Tiefdecker erstmals ein gebremstes Spornrad. Die Endmontage und Innenausstattung erfolgten in Dübendorf bei Zürich, dem Sitz der Schweizer Ju-Air, die auch den Flugbetrieb durchführen soll. Noch Ende 2015 könnte die neue F 13 zum Erstflug starten. Für 2016 ist die Zulassung geplant. Danach will Rimowa die F 13 in einer Kleinserie weiterbauen. Dazu wurde bereits die Rimowa Flugzeugwerke AG in Dübendorf gegründet. Schon in Oshkosh bot der neue Hersteller die 9,60 Meter lange Einmot mit 14,85 Meter Spannweite zum Einführungspreis von 2,2 Millionen Dollar an. Bis zu zehn Flugzeuge könnten entstehen. Die F 13 schafft bei einer maximalen Startmasse von 1999 Kilogramm mit sechs Passagieren eine Reichweite von 600 Kilometern. Die Dienstgipfelhöhe liegt bei 4000 Metern. Mit der Zulassung wird sie allerdings auf Sichtflüge bei Tag beschränkt.
Oshkosh-Gruppenbild mit dem Airbus A350

In Oshkosh begegnete die Junkers F 13, das weltweit erste Ganzmetall-Verkehrsflugzeug, dem Airbus A350, Europas erstem Verkehrsflugzeug aus Verbundwerkstoff.
Die beiden wegweisenden Muster verdeutlichten den technischen Fortschritt, den der Flugzeugbau in den letzten 100 Jahren gemacht hat.
Sie zeigen aber auch, wie früh Hugo Junkers unser heutiges Zeitalter der Passagierluftfahrt mit modernen Großserien-Verkehrsflugzeugen vorausahnte.
Meilenstein Junkers F 13

Das erste Ganzmetall-Verkehrsflugzeug der Welt startete zum Erstflug am 25. Juni 1919. Es wurde in zahlreichen Versionen und Motorisierungsvarianten gebaut und, auch als Schwimmerflugzeug, weltweit erfolgreich eingesetzt. Alleine die Deutsche Luft Hansa betrieb bis zu 46 F 13.
Insgesamt 350 F 13 entstanden bei Junkers in Dessau. Ein Teil davon wurde für den US-Markt (mit Sternmotor) unter anderem bei der Junkers-Larsen Aircraft Corporation in New York City endmontiert, einige – für den sowjetischen Markt – in Fili bei Moskau.
FLUG REVUE Ausgabe 09/2015