Gestern Abend haben wir noch gezittert, ob wir heute Morgen überhaupt starten können“, verriet Airbus-Flugtestchef Patrick du Ché beim Pressebriefing während des gut vierstündigen Erstflugs am 19. Oktober. „Wir brauchen eine Wolkenuntergrenze von mindestens 2000 Fuß (600 Meter), und heute Morgen wehte Nebel aus Südost heran. Deshalb sind wir auch etwas früher gestartet, um 9.57 Uhr, und nicht erst um Punkt zehn Uhr, um einem Regenschauer zuvorzukommen. Aber andererseits wird die A330neo auf diese Weise gleich mit dem richtigen Wetter getauft“, sagte der leitende Testingenieur. Die Erstflugbesatzung der ersten A330neo, Registrierung F-WWTN, Rufzeichen AIB01TN, bestand aus Kommandant Thierry Bourges und Thomas Wilhelm am Steuer, dem Testflug-Ingenieur Alain Pourchet – er begleitet „sein“ Testflugzeug bei sämtlichen Flügen und in allen Rüstzuständen und kennt jede Modifikation – und den Flugtest-Ingenieuren Jean-Philippe Cottet, Emiliano Requena Esteban und Gert Wunderlich. Die abweichend
bezeichneten Flugtestingenieure an den Konsolen in der Kabine sind bei Airbus für die eigentlichen Testabläufe verantwortlich. Auf Monitoren sehen sie alle Systemwerte, Instrumente und Kamerabilder und geben die Kommandos für die einzelnen vorgeplanten Testmanöver.
Nach der Landung sagte der deutsche Testpilot Thomas Wilhelm, der Erstflug habe nahezu problemlos geklappt, man habe alle gewünschten Manöver, Geschwindigkeiten und Kurvenlagen erfliegen können. Das Flugzeug habe keinerlei Störungen gezeigt und könnte gleich wieder starten.
Gut 1100 Stunden wird die Flugerprobung und Zulassung der A330neo dauern. Drei Flugzeuge übernehmen die Hauptarbeit. Das erste Flugzeug, MSN1795, noch ohne Passagierkabine aber mit einem Hecksporn ausgestattet, übernimmt davon rund 600 Flugstunden: Anfangsflugerprobung, Tests mit künstlichen Vereisungsprofilen, Kaltwettertests in Kanada, Autoland-Tests und Außenlärmtests.
Neueste Triebwerke sparen Kerosin und sind leiser
Ein zweites Testflugzeug, Werknummer MSN1813, ohne Hecksporn, absolviert weitere 500 Flugstunden mit Tests natürlicher Vereisung, Hitzetests, Einsatztests unter Hitze- und Höhenbedingungen und Streckenerprobungsflüge. Für die Erprobung und Zulassung der Serienkabine wird schließlich noch das erste Kundenflugzeug genutzt, MSN1819 für TAP aus Portugal. Dann folgt für die Zulassung der kürzeren A330-800 noch Flugzeug MSN1888. Und noch vor dem Erstflug der A330neo wurden mit der älteren A330-200, MSN871, 130 Stunden lang die neuen Modi der elektronischen Flugsteuerung, Kabinenkomponenten, darunter die vergrößerten Gepäckfächer und andere Elemente der „Airspace“-Kabine, überprüft. Schließlich half auch noch am Boden das Testcockpit SX1, eine Simulatorkabine, den Piloten beim Verfeinern des überarbeiteten Cockpits. Viele Systeme und Bordcomputer wurden auf den neuesten Stand gebracht und entsprechen dem der A350. Es gibt sogar zwei Head-up-Displays für die Piloten.
Wichtigste Änderung der neuen Langstreckenversion sind jedoch ihre hochmodernen Triebwerke, den Trent 7000 von Rolls-Royce. Ihr Nebenstromverhältnis wurde gegenüber dem des Trent 700 verdoppelt und beträgt nun 10:1. Dadurch haben die neuen Kraftpakete einen um zehn Prozent niedrigeren spezifischen Kerosinverbrauch, sind 6 dB(A) leiser, haben, bei vergleichbaren Wartungskosten, bessere Hitze- und Höhenleistungen und lassen sich von den Piloten ohne größere Unterschiede zu den Vorgängern bedienen. Das Trent 7000 ähnelt stark dem Trent 1000 des Dreamliners. Es wurde von Rolls-Royce für den Airbus-Einsatz aber mit einer Zapfluftentnahme, einem neuen Hilfsgetriebe, einem neuen Regelungscomputer (FADEC) nach Airbus-Vorgaben modifiziert und bereits während 2000 simulierten Flugzyklen getestet.
„Es ist fast alles neu an der A330neo“, sagt Programmchefin Odile Jubécourt über das Flugzeug. „Sie ist eine völlig neue Entwicklungsstufe, und trotzdem fliegt sie schon – nur drei Jahre nach dem Programmstart. Wir haben ein wesentlich größeres Triebwerk, für das wir eine neue, integrierte Gondel und eine neue Aufhängung entwickelt haben. Außerdem sind die inneren Vorflügel ‚Slat 1‘ neu profiliert, die Flügelverschränkung wurde dreidimensional neu ausgerichtet, die obere Rumpfverkleidung am Flügel ist neu, ebenso die Verkleidung der Landeklappenantriebe. Und schließlich haben wir zwei neue CFK-Sharklets, welche die Spannweite auf 64 Meter erhöhen.“ Außerdem sei der Materialeinsatz gegenüber den 1370 bisher gebauten herkömmlichen A330ceo optimiert worden, beispielsweise verwende man eine leichtere Aluminiumlegierung. Ab sofort baut Airbus beide Generationen parallel, jedenfalls so lange, wie die Kunden auch noch A330ceo bestellen. Die ersten Serienflugzeuge der A330neo sind bereits im Bau. Wie viele anteilig von insgesamt acht A330 pro Monat gebaut werden, wollte der Hersteller aber nicht verraten.
Kabine erhält mehr Sitze und wird schicker
Bei den Passagieren will Airbus mit der neuen „Airspace“-Kabine mit vergrößerten Gepäckfächern, schickerer Formgebung und farbiger LED-Beleuchtung punkten. Durch optimierte Toiletten und Küchen passen außerdem zehn Sitze mehr an Bord. Der Kabinenlärm sinkt um 3 dB(A). Zum neuen Image gehört auch die Außenumrandung der A330-Cockpitfenster mit der schwarzen Maske nach Art der A350. TAP Air Portugal erwartet ihren ersten neuen Langstreckler Mitte 2018.
Mit der A330neo nimmt Airbus künftig den Konkurrenten Boeing 787 mit der völlig neu entwickelten A350 nicht nur von oben in die Zange, sondern nun auch von unten – mit einer klassischen Zweistrahlerkonstruktion, die mit der neuesten Triebwerksgeneration der amerikanischen Rivalin aufgewertet wurde, aber mit 290,6 Mio. Dollar (A350-900) bzw. 254,8 Mio. Dollar (A350-800) relativ günstig angeboten werden kann. Die neue Generation für Mittel- und Langstrecken nimmt 257 bis 287 Passagiere auf und verbraucht laut Airbus 25 Prozent weniger Kraftstoff als ältere Konkurrenzmuster. Die Betriebskosten pro Sitz lägen sogar bei der modernen Boeing 787 um 15 Prozent höher, behauptet Airbus. Seit 2014 habe man 228 A330ceo und 212 A330neo verkauft, Boeing aber zusammen nur 272 Boeing 787-8 und 787-9.
FLUG REVUE Ausgabe 12/2017