Alitalia erneuert Marke und Kabine
Die Filme im Alitalia-Hangar 7 am Flughafen Rom-Fiumicino kündeten bei der Präsentation des neuen Marken-Erscheinungsbildes „Un nuovo Futuro“ von Alitalia, Anfang Juni, vor allem von deren großer Vergangenheit: Sie zeigten elegant gekleidete Fünfziger-Jahre-Filmstars beim Boarding, eine frühere, hauseigene Düsenjäger-Staffel für das Pilotentraining, gediegenen Kabinenkomfort mit weiß bezogenen, breiten Sesseln und aufwendigem Catering vom Servierwagen, die einstigen Jumbo Jets und die verwegen-modisch gewandeten Stewardessen-Uniformen der siebziger Jahre. Alitalia als unsterbliche Marken-Ikone.
Doch schon lange befand sich das Unternehmen wirtschaftlich im Sinkflug. Trotz vielerlei Reformanläufen und Führungswechseln überlebte Alitalia nur noch mit immer neuen Regierungshilfen, bis die EU dieser Praxis Einhalt gebot. Beeindruckende 7,4 Milliarden Euro italienischer Staatshilfen sollen in den letzten 40 Jahren an „AZ“, so das Airlinekürzel, geflossen sein.
Nur noch ein externer Investor konnte Alitalia retten. Diese Chance bot sich Ende 2014 mit dem Einstieg der gleichermaßen wachstumshungrigen wie wohlhabenden Etihad Airways aus Abu Dhabi bei den Italienern. Für 387,5 Millionen Euro kauften die Emiratis nicht nur 49 Prozent der Alitalia-Aktien, sondern gleich auch noch für 112,5 Millionen Euro 75 Prozent der Anteile an deren Vielfliegerprogramm-Holding Alitalia Loyalty Spa sowie für 60 Millionen Euro fünf Slotpaare in London-Heathrow. Außerdem wurden 598 Millionen Euro für die Restrukturierung von Krediten zur Verfügung gestellt und für 300 Millionen Euro zusätzliche Kredite für die italienische Airline mit vollen EU-Verkehrsrechten bei italienischen Banken ermöglicht. Alles in allem dürfte sich Etihad ihren Einstieg um die 1,7 Milliarden Euro kosten lassen.
„Alitalia ist eine Legende“, schwärmte Etihad-Vorstandschef und nun auch Alitalia-Großaktionär James Hogan bei der Vorstellung des neuen Erscheinungsbildes in Rom. „Von Anfang an war klar, dass sie viel Potenzial hat. Wir haben die Marke Alitalia und den Markt Italien vorher genauestens studiert“, verriet Hogan. „Und wir haben gesagt, wenn wir Italien stark mit Alitalia verknüpfen, haben wir eine große Chance, das Geschäft zu entwickeln.“ Nach diesem Grundsatz will Alitalia jetzt ihre legendäre Marke überarbeiten und die Kabinenausstattung mit italienischen Luxuszutaten aufwerten: Die Flugzeuge verlieren ihr grünes Fensterband und tragen nun auch unter dem Rumpf den großen Namensschriftzug. Neuerdings glitzert der Rumpf in einem leicht an Etihad erinnernden Speziallack mit Perlmutt-Effekt, unter dem sich erst am Heck mit einem Streifenmuster das klassische Alitalia-A herausschält.
In der Kabine des ersten Airbus A330 im neuen Alitalia-Standard – übrigens einem jungen Gebrauchtflugzeug aus Etihad-Beständen, das jetzt nach der römischen Barockmalerin Artemisia Gentileschi benannt wurde – dominieren italienischer Stil und ein Markenfeuerwerk italienischer Ausstatter: Die elegante Business Class ist in Grau- und Beigetönen gehalten. Ihre Ledersessel stammen von Luxusmöbelhersteller Poltrona Frau, der auch die A380-Kabine bei Etihad ausstattet. Die roten Kissen auf den Sitzen stammen von der Edel-Stofffirma Frette, das feine Porzellangeschirr von Richard Ginori und der Kulturbeutel von Salvatore Ferragamo. Alitalia will wieder in der Spitzenliga mitspielen.
Langstreckenflotte wird deutlich ausgebaut





Ab Anfang 2016 wird hinter der Business Class noch ein Zwischenabteil der neuen Premium Economy Class installiert. Wi-Fi und Live-TV in allen Klassen sowie großzügige Menüs sollen allen Passagieren zugutekommen. Alitalia will die Zeiten des für den Passagier sichtbaren eisernen Sparens erkennbar beenden. Dies soll sich auch beim Service zeigen: In Dreitageskursen bei Etihad in Abu Dhabi wurden bereits 1000 Alitalia-Mitarbeiter im Kundenservice geschult. In der Business Class wird zum Beispiel das Essen künftig jederzeit auf Passagierwunsch serviert.
Alitalia-Führungspersonal wird sogar gleich in zweijährigen Programmen für Manager bei Etihad weitergebildet. „Beförderungen und Anerkennung erfolgen künftig alleine nach Leistung und nicht nach Beziehungen“, erklärte James Hogan in Rom. „Die Politik bleibt völlig außen vor.“ Der geborene Australier Hogan vermied es in Italien sorgfältig, etwa als herrischer Imperator oder Befehlsgeber aus Abu Dhabi aufzutreten. Dennoch wurde klar, dass die Emiratis strenge Vorgaben bei Sanierungskurs und -tempo machen und ihre neue Beteiligung keinesfalls als ein Fass von ohne Boden sehen.
„Wir investieren dank unserer neuen Mittel 350 Millionen Euro bis 2017“, verriet Alitalia-Vorstandschef Silvano Cassano auf derselben Veranstaltung. Bis Mitte 2016 sollen alle Großraumflugzeuge auf die neuen Kabinen umgerüstet sein; bis Mitte 2017 folgen die Standardrumpfflugzeuge. Im Gegenzug soll die komplett italienische Führungsmannschaft mit dem Unternehmen schon 2016 in die schwarzen Zahlen kommen und ab 2017 dauerhaft Gewinne ausweisen. Dafür beginnt man bereits eine ehrgeizige Expansion, vor allem im Langstreckengeschäft: Schon 2015 kommen die Ziele Peking, Seoul und Schanghai hinzu, 2016 Mexico City und Santiago de Chile und 2017 San Francisco. In Italien will Alitalia ihr Passagieraufkommen in Mailand-Malpensa von 240 000 auf 550 000 Fluggäste verdoppeln. Den sehr wohlhabenden norditalienischen Markt hatte sie während ihrer Unternehmenskrise notgedrungen vernachlässigen müssen. Die Märkte Indien, China, Afrika und Australien sollen für Alitalia künftig vor allem über das Etihad-Drehkreuz Abu Dhabi angebunden werden.
Für die neuen Langstreckenziele soll die Großraum-Flotte um stolze 32 Prozent wachsen, die Flotte der Standardrumpfflugzeuge dagegen um 13 Prozent schrumpfen. Die benötigten Flugzeuge könne Alitalia jederzeit aus dem laufenden Etihad-Auftragsbestand übernehmen, sagte Etihad-Chef Hogan in Rom. Im Europaverkehr merkt man bereits, wie dünn der Flugplan auf einzelnen Alitalia-Routen geworden ist. Hier hilft sich das Unternehmen mit Joint Ventures, darunter mit airberlin, die von den Italienern außerdem auch überzählige Standardrumpf-Airbusse übernommen hat. Am oberen Spektrum der Flottengröße gelten für die Zukunft der Airbus A350-900 oder A350-1000 und die Boeing 777X als effizienteste Idealmuster. Ein späterer Betrieb auch der A380 bei Alitalia, etwa auf Hauptstrecken, stehe aber nicht zur Debatte, schloss James Hogan auf Nachfrage der FLUG REVUE ausdrücklich aus.
Deutlich abkühlen dürften sich die Beziehungen der erstarkenden Italiener zu Air France-KLM. Die Franzosen waren 2009 mit einer 25-Prozent-Beteiligung bei den Italienern eingestiegen, hatten diesen Anteil aber auf mittlerweile sieben Prozent absinken lassen. Alitalia-Vorstandschef Cassano will den 2017 endenden Vertrag zur Zusammenarbeit nicht mehr verlängern: „Der Vertrag war nicht gut genug für Italien und Alitalia. Er schadet uns und lenkt Verkehr nach Paris und Amsterdam um. Air France hatte die Chance, größter Investor zu werden, und hat sie nicht genutzt.“
FLUG REVUE Ausgabe 08/2015