Ost-West-Konzept: Wachstumspläne bei Air Astana

Nur sechseinhalb Stunden habe der Nonstopflug von Almaty nach London über Russland hinweg noch bis vor kurzem gedauert, jetzt seien es neun Stunden und vierzig Minuten, inklusive Tankstopp im westkasachischen Aktau, seufzt Richard Ledger, Senior Regional Manager bei Air Astana im Gespräch mit der FLUG REVUE auf der Internationalen Tourismusbörse. Grund sei das jetzt grundsätzlich nötige Umfliegen des russischen Luftraums durch Air Astana. Leasingfirmen und Versicherer bestünden wegen der Russland-Sanktionen seit dem Angriff auf die Ukraine darauf, erläutert der Brite. Vor März 2022 habe Air Astana bei 56 wöchentlichen Flugbewegungen den russischen Luftraum durchquert.

Britische Airline-Partner

Ledger arbeitet schon über 17 Jahre bei den Kasachen, darunter als Verkaufs- und Marketingvorstand. Dass es bei Air Astana viele Briten gibt, ist kein Zufall, denn die Airline gehört zu immerhin 49 Prozent dem britischen Luftfahrtkonzern BAE Systems und zu 51 Prozent (über den staatlichen Wohlfahrtsfonds Samruk-Kazyna) dem Staat Kasachstan. Die nach der Jahrtausendwende gegründete Airline nahm im Mai 2002 ihren Betrieb auf und hat sich seitdem zur größten Fluggesellschaft Zentralasiens entwickelt. Sie wird nach westlichen IATA- und EASA-Standards aufgebaut und betrieben.

Schnelle Corona-Erholung

"Wir haben gelernt, uns anzupassen", sagt Richard Ledger. Damit meint er nicht nur die neuerdings nötigen Umwege um Russland herum, sondern auch die Bewältigung der Corona-Flaute kurz zuvor, 2020. Damals setzte Air Astana auf sehr schnelle Kostensenkungen und ihre Liquiditätssicherung über kurzfristige Bankkredite, denn die Regierung half nicht direkt. Außerdem konzentrierte man sich auf den durch Corona-Regeln weniger stark eingeschränkten Inlandsflugverkehr, setzte die 767-Flotte als Hilfsfrachter nach Indien und China ein, verlegte ungenutzte Kapazität zu sogenannten Lifestyle-Zielen und bot Charterflüge an, sobald erste Reisebeschränkungen wieder fielen, um möglichst schnell von jeglicher Erholung zu profitieren. Tatsächlich stieg die Passagierzahl schon 2021 wieder über das Vorkrisenniveau von 2019, und im Folgejahr 2022 lagen auch das Flugangebot und der Umsatz darüber. Air Astana erreichte damit den weltweit ersten Platz beim Airline-Erholungstempo, vor Jazeera, Turkish, Air Arabia, Singapore Airlines und Ryanair, rechnet das Unternehmen stolz vor.

Ferienziele und Kosten auf Ryanair-Niveau

Als Reaktion auf die Russland-Krise gehen die Kasachen jetzt wieder ähnlich vor, fokussieren sich dabei aber noch mehr auf die Umsätze: Freie Kapazität wird unverzüglich zu neuen "Lifestyle"-Destinationen wie Bangkok, Phuket (bis zu zehnmal täglich in der Hochsaison bedient), Seoul und London umgelenkt. Anteilig mehr internationale Passagiere liefern gegenüber Inlandsfluggästen zusätzliche Erträge und die Sparerfolge eines laufenden Rationalisierungsprogramms werden weiter vorangetrieben. Mit Kosten von nur 4,4 US-Cent pro ASK (angebotener Sitzkilometer, d.h. Sitzzahl mal Streckenlänge) habe Air Astana 2022 weit unter den Aufwendungen der Konkurrenz gelegen und das gleiche Topniveau wie Ryanair erreicht. Nur von Wizz Air (4,3 Cent) sei man noch leicht unterboten worden. Auch bei der EBITDAR-Marge, grob der Gewinnmarge, habe man mit 30,3 Prozent in der Spitzengruppe gelegen, gleich hinter den Siegern Air Arabia und Cathay Pacific.

Heute befördert die Air Astana Group, zu der auch noch die Niedrigpreistochter FlyArystan gehört, mit 49 Flugzeugen acht Millionen Passagiere im Jahr, setzt 1,2 Milliarden Dollar um und erwirtschaftet ein Jahresergebnis von 320 Millionen Dollar (aktuelle Angaben für das Gesamtjahr 2023). Die Airline-Gruppe hat im Inland einen sehr hohen Marktanteil von 69 Prozent, im internationalen Verkehr mit Kasachstan immer noch beachtliche 47 Prozent. Dabei hilft auch ein umfangreiches Netz von Kooperationen mit auswärtigen Partnerairlines.

Flottenplanung

Die Großraum-Flaggschiffe der Flotte sind aktuell drei Boeing 767-300ER. Sie werden bis 2028 im Rahmen einer großen Flottenverjüngung gegen drei Boeing 787-9 ausgetauscht. Rückgrat im Passagierverkehr sind 17 Airbus A321, diese Flotte wächst durch das Auffüllen mit fabrikneuen A321neo auf 31 Flugzeuge bis 2028. Die A321neo bedient auch die wichtige London-Route, für die die 767 zu groß wäre. Erstere ist mit 150 Sitzen der Economy Class und 16 Sesseln der Business Class bestuhlt. Auch die kürzere A320 spielt eine wichtige Rolle. Heute fliegen 24 Flugzeuge im Unternehmen, 2028 werden es dank neu gelieferter A320neo, darunter auch die Version "A320LR" mit Zusatztank für erhöhte Reichweite, insgesamt 46 Airbus A320 bei Air Astana und deren Tochter FlyArystan sein. Bei Air Astana sind 16 Sessel der Business Class und 132 Sitze der Economy Class eingebaut. FlyArystan nutzt dagegen eine Einklassenkabine mit 180 Plätzen. Schließlich fehlen noch fünf Embraer E190-E2, die bis 2028 die Flotte verlassen sollen. Sie werden bisher von externen Piloten geflogen.

Neuer NEO-Simulator

Eigenes Cockpitpersonal soll künftig vorrangig für die A320neo-Familie ausgebildet werden. Dazu hat sich Air Astana kürzlich Kasachstans ersten Full-Flight-Simulator geleistet, und im vergangenen September ihr neues Simulatorzentrum mit dem "L3 Harris ‚Reality Seven‘ A320R7e"-Simulator eingeweiht. Über 500 Piloten pro Jahr können das rund um die Uhr laufende, voll bewegliche Trainingsgerät mit Sichtsystem und Trainerstation nutzen, um in der ersten, EASA-zertifizierten Piloten-Trainingseinrichtung Zentralasiens geschult zu werden. 7000 Stunden läuft der voll ausgebuchte Simulator pro Jahr. Der Weg ins Cockpit führt seit 2008 durch eine eigene Ab-Initio-Pilotenschule, die in einem 16 bis 18 Monate langen Trainingsprogramm, nach EASA Part 147/145 zertifiziert, Flugschüler ausbildet. 270 Piloten durchliefen die hauseigene Schule bereits erfolgreich, davon wurden bisher 65 Kapitäne. Auch die Wartung ihrer Airbusse bis hinauf zum C-Check kann Air Astana mittlerweile im eigenen Haus erledigen. Ihre Technikabteilung ist schon seit August 2003 als EASA-Wartungsbetrieb nach JAR 145 zertifiziert. Dadurch konnte die für zuvor externe C-Checks nötige Bodenzeit zwischen 14 und 18 Prozent verkürzt werden.

Großes Wachstumspotential

Beim Blick auf die Zukunft ihres Geschäfts geht Air Astana noch von einem großen Wachstumspotenzial aus. Das rohstoffreiche Kasachstan, dem seine Regierung ein sprunghaftes Wachstum des Bruttosozialprodukts bis 2030 vorhersagt, habe beim Fliegen noch viel Nachholbedarf. Bisher liege das durchschnittliche Einkommensniveau auf dem Niveau Malaysias, Mexikos oder der Türkei. Kasachen flögen aber bisher nur halb so viel wie die Vergleichsnationen. Wenn das Land beim Pro-Kopf-Einkommen bald aber China und Russland überhole, beschleunige sich das Luftfahrtwachstum nochmals zusätzlich. Die zweite große Wachstumshoffnung ruht auf dem Gesamtmarkt Zentralasien. Immerhin 95 Millionen Menschen leben hier. Die zentral gelegenen Kasachen wollen möglichst auch noch ihre Nachbarnationen wie Aserbaidschan, Armenien, Georgien, Usbekistan, Kirgistan, Tadschikistan und Turkmenistan über ihre Drehkreuze mit den anderen Hauptregionen der Erde verknüpfen. 50 wöchentliche Flüge von Air Astana und 21 weitere von FlyArystan bedienen schon jetzt diesen Markt. Um sich für künftiges Wachstum mit neuem Kapital zu wappnen, ging Air Astana Mitte Februar an die Börsen in Kasachstan und London (dortiger Handelsname AIRA). Beim Börsengang sammelte die Airline, die einst mit einem Startkapital von nur 17 Millionen Dollar gegründet worden war, 120 Millionen Dollar ein.

Daten Air Astana

Gegründet: August 2001
Sitz: Astana
Anteilseigner: 51 Prozent Staat Kasachstan, 49 Prozent BAE Systems
IATA-Code: KC
ICAO-Code: KZR
Funkrufzeichen: Astanaline
Drehkreuze: Almaty, Astana
Routen Air Astana: 50
Destinationen Air Astana: 34
Passagiere Air Astana: 4,4 Mio.
Routen FlyArystan: 44
Destinationen FlyArystan: 22
Passagiere FlyArystan: 3,6 Mio.
Mitarbeiter: 6184
Flottengröße 2024: 49 Flugzeuge
Flottengröße 2028: 80 Flugzeuge
Im Netz: www.airastana.com