Die heute gebauten Boeing 747-8 liegen beim Kraftstoffverbrauch um 3,5 Prozent besser als die ersten Flugzeuge bei der 747-8-Indienststellung, sagt Boeing-747-8-Projektingenieur und -Vorstand Bruce Dickinson beim Gespräch mit der FLUG REVUE über das jüngste „Performance Improvement Package“ (PIP) für den Jumbo Jet. Das jüngst zugelassene Paket von Detailverbesserungen bringt den Jumbo Jet endlich über die von Boeing gegebenen Leistungszusagen, die vorher beim Verbrauch um gut zwei Prozent verfehlt worden waren.

„1,7 Prozent der Einsparung hatten wir schon vorher schrittweise erreicht, aber jetzt kommen nochmal 1,8 Prozent hinzu“, rechnet der Ingenieur stolz vor. In der Welt der Flugzeugbauer, in der mit hohem Aufwand um kleinste Verbesserungen im Zehntelprozent-Bereich gerungen wird, sind Verbesserungen um 3,5 Prozent ein beachtlicher Schritt. Sie sprechen für den Ehrgeiz der Ingenieure und den Aufwand, den sich Boeing geleistet hat, um den Jumbo im Marktsegment der sehr großen Flugzeuge, auch angesichts der hausinternen Konkurrentin 777X, als Flaggschiff wettbewerbsfähig zu halten.
„Das Performance Improvement Package ist sehr wichtig für die 747-8“, sagt Bruce Dickinson. „Boeing hat aggressiv optimiert, aber das Meiste hat GE Aviation beim Triebwerk erreicht“, sagt der leitende Ingenieur. GE Aviation hat dem Triebwerk GEnx-2B67 eine völlig neue Niederdruckturbine spendiert und mit dem Wissen aus den Produktverbesserungen der technisch eng verwandten 787-Triebwerke auch die Brennkammern, Verdichter und Turbinen optimiert.
Aber auch die Boeing-Ingenieurteams waren nicht untätig. Sie speckten den Jumbo um gut 3,5 Tonnen Strukturgewicht ab. „Vor allem aber haben wir viel gerechnet“, sagt Bruce Dickinson. „Wir hatten ursprünglich ein Problem errechnet, bei einem für die Zulassung angenommenen Defekt eines Strukturteils im Flügel die Redundanz zu wahren.“ Bei diesem Bruch der Struktur im Flügelbereich hätten dem Flugzeug Flatterschwingungen gedroht, falls der nur im Höhenleitwerk der Passagier-747-8 installierte 12 500-Liter-Hecktank gleichzeitig zu mehr als 15 Prozent gefüllt gewesen wäre. Auf behördliche Anordnung der amerikanischen FAA musste Boeing den Tank deshalb stilllegen. Die Behörde verlangte dabei sogar, dass die Rohrleitungen zum Tank ausgebaut werden, um ihn praktisch unbenutzbar zu machen.

Nach Softwareänderungen, kleineren strukturellen Verstärkungen im Bereich der äußeren Triebwerksaufhängungen und insgesamt 115 Testflügen und 325 Flugteststunden für das jüngste Performance Improvement Package ist die FAA nun zufrieden: Der Hecktank darf wieder angeschlossen und benutzt werden. „Wir haben keinerlei Abweichungen signifikanter Art festgestellt“, zieht Bruce Dickinson Bilanz. Mitte Januar erteilten die Luftfahrtbehörden FAA und EASA die Zulassung für das Wiederanschließen der Hecktanks. Mit ihrer nun wieder vollen Reichweite von 14815 Kilometern schafft die 747-8 Intercontinental beispielsweise auch mit hoher Zuladung die Lufthansa-Langstrecke von Frankfurt nach Buenos Aires.
Eine wichtige Neuerung erfuhr die Boeing 747-8 im Cockpit: Hier kommt nun die neueste Softwareversion „Blockpoint 3.0“ des Flight-Management-Systems von Honeywell zum Einsatz. Sie ermöglicht den Piloten, die zuvor zwar schon manuell mögliche, aber sehr bedienungs- und überwachungsaufwändige Durchführung von leisen Steigflugprofilen komplett vom Autopiloten übernehmen zu lassen. Der Computer steuert dabei unter anderem die Schubhebel. „Die Boeing 747-8 ist in ihrer Klasse das bei Weitem leiseste Flugzeug“, schwärmt Bruce Dickinson. Die lärmarmen Abflüge konnten zwar vorher auch schon manuell durchgeführt werden, aber es entstand dabei eine erhebliche Arbeitsbelastung für die Piloten.“
Außerdem kann das Flugzeug nun sehr genaue RNP-An- und -Abflugprofile durchführen. Damit sind etwa s-förmige Instrumentenanflüge in engen Gebirgstälern oder aus Lärmschutzgründen gebogene Anflugkurse mit höchster navigatorischer Genauigkeit fliegbar. Mit der Programmfunktion „optimum steps“ kann die Besatzung zudem ihr Steigflugprofil kraftstoffsparend optimieren. Dabei geht es um die komplizierte Abwägung, wie viel Mehrverbrauch zum Steigen man zunächst in Kauf nimmt, um eine möglichst hohe, verbrauchssenkende Flugfläche zu erreichen. Außerdem kann das Flugzeug die aktuelle Höhenwindlage bei der Flugplanung und ständigen Optimierung der Flugroute nun automatisch berücksichtigen. Per Satellit werden die „winds aloft“ (Höhenwinddaten) dazu live ins Cockpit gefunkt.
Künftige Verbesserungen

„Wir werden uns niemals ausruhen“, gelobt der leitende Boeing-Entwicklungsingenieur sich auch künftig für weitere Verbesserungen am Jumbo Jet einzusetzen. Derzeit arbeitet sein Team an der Validierung einer weiteren Softwaremodifikation für die Triebwerkssteuerung. An den GEnx-Triebwerken der Boeing 787 und 747-8 waren im Flugbetrieb nahe tropischer Unwetter im Reiseflug ungewöhnliche Fälle von Eiskristallbildung im Kerntriebwerk aufgetreten. „Dieses Eis sitzt ganz tief drinnen, innen im Triebwerk, nicht so wie bei normaler Vereisung“, erläutert Dickinson. Schlimmstenfalls drohen den kostbaren Motoren Leistungsverluste, „Flameouts“ oder gar Schäden durch abfallendes Eis. Man habe nun aber eine Möglichkeit gefunden, die vorhandene „Hardware“ des Triebwerks zur Verhinderung jeglicher Eisbildung zu nutzen, deutet er die Lösung vage an. Angeblich plant Boeing, die vorhandenen Bypass-Klappen der Triebwerke in großer Höhe gezielt zu verstellen, um die Strömungsverhältnisse im Triebwerk eisabbauend zu verändern.
Das nächste Ziel der Ingenieure gilt der Zuverlässigkeit des Jumbos. „Bis Oktober 2014 wollen wir auf 98,5 Prozent Einsatzzuverlässigkeit kommen“, sagt Dickinson. Das sei eine übliche Boeing-Vorgabe für die Zeit drei Jahre nach der Indienststellung eines neuen Flugzeugmusters. „Wir wollen danach aber noch höher kommen.“
Das jüngste Performance Improvement Package kann auch in schon ausgelieferten Flugzeugen nachgerüstet werden. Am einfachsten lassen sich die Software-Updates installieren. Sie sind sogar für die ältere Boeing 747-400 verfügbar. Die Modifikationen der GEnx-Triebwerke sind ebenfalls nachrüstbar. Das erste ab Werk mit den verbesserten GEnx-2B-Triebwerken ausgestattete Flugzeug hatte Cathay Pacific Cargo schon am 18. Dezember 2013 als ihre elfte Boeing 747-8F in Dienst gestellt. Mitte Januar übernahm auch die Volga-Dnepr Group aus Russland mit ihrer fünften 747-8F ein Flugzeug im verbesserten Serienstandard.
Etwas aufwändiger sind die Modifikationen an schon ausgelieferten Boeing 747-8 der Passagierversion. Um die strukturellen Verstärkungen in den Flügel einzubauen, müssen die äußeren Triebwerke abgenommen werden. Außerdem müssen die Rohrleitungen zu den Tanks wieder angeschlossen werden. Die Deutsche Lufthansa übernahm mit ihrer zehnten Boeing 747-8, D-ABYL, am 7. Februar das erste ab Werk umgerüstete Flugzeug.
FLUG REVUE Ausgabe 04/2014