Iran Air: Erster Airbus A321 für den Iran

Persische Premiere
Iran Air: Erster Airbus A321 für den Iran

Zuletzt aktualisiert am 07.04.2017
Iran Air: Erster Airbus A321 für den Iran

Noch am Vorabend der Übergabe in Toulouse hatte Airbus ein Geheimnis daraus gemacht und den für die Jahres-Pressekonferenz angereisten Journalisten nur allgemein ein zusätzliches, „besonderes Ereignis“ für den Nachmittag des 11. Januar versprochen.

Zu diesem Zeitpunkt wurde die in Hamburg gebaute und lackierte A321 noch sorgfältig in einem Hangar versteckt. Seitdem vor einem Jahr, nach dem Atomabkommen vom Juli 2015, die UN-Sanktionen gegen den Iran aufgehoben wurden, dürfen die Iraner im Westen auch wieder neue Verkehrsflugzeuge kaufen.

Schnellstmöglich will der Iran seine völlig veraltete Flotte modernisieren. Deshalb jagen seitdem weltweit Flugzeughändler nach herrenlosen Jets, diekurzfristig zur Lieferung bereitstehen, wie die nun ausgelieferte, ursprünglich für Avianca gebaute, aber nicht abgenommene A321-211. Neuflugzeuge der begehrtesten Baureihen wie A321 zu ordern, bedeutet sonst jahrelanges Warten. Airbus und Boeing sind ausverkauft.

Buchstäblich mit dunklen Augenringen und sichtlich erschöpft, aber glücklich, feierten die Verhandlungs- und Abnahmemannschaften von Airbus und Iran Air dann im Toulouser Auslieferungszentrum die gelungeneÜbergabe. In Marathonsitzungen zwischen Weihnachten und Neujahr hatten sie die erst am 22. Dezember vertraglich fixierte Bestellung und den zugehörigen Papierkrieg bewältigt. Flugzeugbau ist ein internationales Geschäft, und so sind auch andere Nationen in die vielseitigen Genehmigungsprozesse eingebunden. Etwa die USA, wenn es um die Lieferung dieser A321 mit CFM56-5B3/3-Triebwerken geht oder um deren moderne Cockpitavionik.

„Wir wollen insgesamt 200 neue Verkehrsflugzeuge in den nächsten elf Jahren kaufen“, sagte Iran-Air-Vorstandschef Farhad Parvaresh in Toulouse. In diesem Jahr kämen noch fünf weitere Flugzeuge der A320-Familie hinzu und drei Airbus A330. „Das gab es noch nie:Wir haben bestellt, und schon wenige Wochen später wurde geliefert“, staunte der iranische Manager.

Nur noch 23 ältere Jets, Durchschnittsalter 25 Jahre, konnte er zuletzt im aktiven Bestand von Iran Air einsetzen, um sechs Millionen Passagiere im Jahr zu befördern. Der Rest, darunter alleine acht Boeing 747, musste abgestellt werden, weil sich die Wartung wirtschaftlich einfach nicht mehr lohnte. Rein technisch beherrschen die Iraner dagegen auch die Reparatur von exotischsten Oldies, die sie mit sämtlichen, aktuell erlassenen Lufttüchtigkeitsanweisungen nach allen Regeln der Kunst auf dem Laufenden halten. So gehört auch noch immer ein Airbus A300B4, Baujahr 1980, zur aktiven Flotte. Iran Air war schon zu Zeiten des Schahs Boeing- und Airbus-Kunde. Bereits 1978 waren sechs A300B bestellt worden. Der luftfahrtbegeisterte Monarch und Pilot hatte Luftwaffe und Zivilluftfahrt seines Landes damals mit den besten Mustern ausgestattet, die er mit den Rohstoffmilliarden seines Landes kaufen konnte. Außerdem baute er moderne Flughäfen auf und ließ das Personal nach westlichen Standards sehr gut ausbilden. Noch heute merkt man dem iranischen Luftfahrtsektor seine soliden Grundlagen an.

Neue Langstrecken über den Atlantik?

Seit 1979 ist der Iran eine „islamische Republik“ mit 80 Millionen, überwiegend jungen Einwohnern. LiberaleKreise versuchen, das im Westen entstandene Misstrauen gegenüber der manchmal schrillen Revolutionsrhetorik zu überwinden. Bei einer erhofften weiteren Entspannung der Beziehungen winken dem Iran neue Rohstoffeinnahmen, Tourismus und Handel.

Schon träumt Iran Air von einer neuen Rolle als Betreiberin eines Luftfahrtdrehkreuzes im Nahen Osten, das es mit Dubai, Doha und Abu Dhabi aufnehmen könnte.„Dank unserer nördlicheren geografischen Lage würde man auf Flügen von Europa nach Asien beim Umsteigen im Iran über zwei Stunden Flugzeit sparen“, wirbt Vorstandschef Parvaresh. Anders als noch 2016 angekündigt, hat Iran Air aber weder bei Airbus noch bei Boeing dafür große Vierstrahler bestellt. „Hinsichtlich A380 und 747-8 haben wir auch keine Pläne mehr“, räumt Farhad Parvaresh auf Nachfrage der FLUG REVUE ein. Seine Mitarbeiter hätten anhand der Routen und Nachfrage den Bedarf genau analysiert und zunächst kleine und mittlere Muster ausgewählt. „Wir kaufen zunächst nur bis zur Größe der A350-1000 (Lieferung ab 2021) und 777-300ER.“ Erst einmal müsse man die iranische Flughafeninfrastruktur modernisieren und schrittweise vorgehen. Für die fernere Zukunft will er die ganz großen Flugzeuge aber nicht ausschließen.

Sicher sei auch, dass neben Airbus, Boeing und ATR in den nächsten elf Jahren keine anderen Hersteller, etwa Em-braer und Bombardier, zum Zuge kämen. Man wolle sich nicht mit neuen Mustern verzetteln und habe die Bestellungen sorgfältig aufeinander abgestimmt.

Während die Airbus-Lieferungen bereits begonnen haben, erwartet Parvaresh seine ersten neuen US-Flugzeuge erst ab 2018. Das extreme Tempo bei der ersten Airbus-Auslieferung an Iran Air lag auch am Regierungswechsel in den USA. Die Übergabe erfolgte gerade noch vor dem Amtsantritt von Donald Trump als Präsident. Trump hatte sich im Wahlkampf kritisch über den Iran geäußert und nach dem jüngsten iranischen Raketentests – er hält den Flugkörper für atomwaffentauglich und deshalb für einen Bruch des UN-Abkommens – neue, einseitige US-Sanktionen gegen den Iran verhängt. Auch auf Trumps jüngster Einreisesperrliste für die USA landeten die Staatsangehörigen des Iran. Umgekehrt polterte die Regierung in Teheran gegen die USA, sodass man das Verhältnis der beiden Staaten bisher noch keineswegs als normal bezeichnen kann.

Dennoch haben Airbus und Boeing eine gültige US-Exportfreigabe für ihre Flugzeuglieferungen in den Iran erteilt hatte sie nochdie abgelöste Administration unter Präsident Obama. Neben der politischen Großwetterlage ist auch die Finanzierung ein wunder Punkt bei den Flugzeugverkäufen. Zwar ist der Iran durch die Freigabe zuvor eingefrorener Guthabenkonten in den USA sehr vermögend, er hat aber nicht das sogenannte Kapstadt-Abkommen unterzeichnet, das den rechtlichen Rahmen internationaler Pfändungen und damit Finanzierungsfragen regelt. Somit bleibt bei Iran-Geschäften vermutlich ein größerer Teil des finanziellen Risikos bei den westlichen Flugzeugherstellern hängen.

Während die Verhandlungsteams am Abschluss der restlichen Flugzeugbestellungen feilen, plant Parvaresh schon sein künftiges Streckennetz: „Iran Air hat früher mal New York täglich mit der 747SP bedient. Heute haben wir die vierfache Bevölkerungsgröße.“ Viele Ziele habe man nur aufgeben müssen, weil die passenden Flugzeuge fehlten, darunter Peking, Tokio und Südkorea. „Wir wollen an unser Vermächtnis mit großartigem Service anknüpfen“, gelobt der Vorstandschef.

Ihre ersten Einsätze nahm die A321 auf iranischen Inlandsstrecken auf. Nach einer mehrwöchigen Eingewöhnungsphase war die Aufnahme von Mittelstreckenflügen nach Westeuropa geplant. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe stand auch schon die erste A330-Übergabe an Iran Air bevor.

FLUG REVUE Ausgabe 04/2017