Die Jets aus Südamerika sind auf den Flughäfen der Welt längst keine Exoten mehr. Allein in Europa gibt es alle zwei Minuten eine Flugbewegung mit einem Embraer E-Jet. Die weltweite Flotte von rund 60 Betreibern in 40 Ländern hat bis dato mehr als sieben Millionen Flugstunden und fünf Millionen Flugzyklen absolviert. Dabei befinden sich die Produkte aus Brasilien sowohl bei Regionalfluglinien (40 Prozent der bestellten Flugzeuge), Low-Cost-Fluggesellschaften (22 Prozent) und Netzwerk-Airlines (38 Prozent) im Dienst. Doch wie schlägt sich der Bestseller im täglichen Einsatz? Die FLUG REVUE hat dazu mehrere Airlines befragt.
Embraer stellt oft die niedrigen Betriebskosten in den Vordergrund. Erreichen denn die E-Jets den versprochenen Kostenrahmen? "Der Hauptgrund für die Anschaffung der Embraer 190 war die Modernisierung der Flotte als Ersatz für die Fokker 100", sagt Boet Kreiken, Managing Director KLM Cityhopper. Bis Mai wächst die Flotte der Niederländer auf insgesamt 22 E-190. "Das Angebot von Embraer war das beste auf dem Markt in Bezug auf Technologie und Wirtschaftlichkeit. Wir haben alle Annahmen erreicht, einschließlich des im Vergleich zur Fokker 100 um zehn Prozent besseren Treibstoffverbrauchs." Finanzielle Vorteile sieht auch Air-Dolomiti-Präsident Michael Kraus: "Im Vergleich zum Airbus A319 liegen die Stückkosten der E-195 pro Flug um bis zu 1000 Euro niedriger, obwohl 20 Passagiere weniger Platz finden. Der Verbrauch passt ebenso wie das Verhältnis des Gewichts zu den angebotenen Sitzen. Allerdings sind die Kapitalkosten an der Grenze dessen, was in Europa vertretbar ist. Die Embraer darf in der Anschaffung nicht teurer werden."
Bei der spanischen Fluggesellschaft Air Europa tauscht man derzeit die Boeing 737 gegen die Embraer 195 aus; sie sollen hauptsächlich die Langstreckenflüge der Gesellschaft von Madrid aus füttern. "Wir versuchen, so nah wie möglich an die Low-Cost-Carrier heranzukommen und unsere Kosten zu reduzieren. Daher haben wir die Embraer gewählt", meint Mateo Sanchez, Vice President Aircraft Fleet bei Air Europa. Die Kosten pro Sitz sind seinen Ausführungen nach bei der E-195 höher als bei einer Boeing 737-800, nicht aber die Kosten pro Flug.
Aber die Kosten allein sind nicht alles, denn etwa ein CRJ1000 von Bombardier hat hier aufgrund seines geringeren Gewichts laut Jean-Yves Grosse, CEO der Air-France-Tochter Regional, gegenüber einer E-190 einen leichten Vorteil. "Einer der Gründe, warum wir trotzdem im Jahr 2006 die E-190 gewählt haben, war die Tatsache, dass der CRJ1000 nur einen Eingang besitzt und dadurch den Hub-Betrieb etwas verzögert." Ein weiterer, von Embraer gerne vermarkteter Vorteil ist das Familienkonzept der E-Jets, das bei den Betreibern gut anzukommen scheint. "Der große Vorteil der Embraer-Jet-Flotte für uns ist die Möglichkeit, die E-195 mit der E-175 jederzeit tauschen zu können", erklärt Andrew Strong, Managing Director von Flybe. Die britische Airline hat vor kurzem ihre ersten E-175 übernommen. Bei der Auswahl musste sich der Jet an den Tripkosten des Q400-Turboprops von Bombardier messen lassen, der zudem zehn Sitze weniger hat. "Selbst mit einem attraktiven Preis von Embraer und einem Langzeit-Wartungsvertrag mit GE für die Triebwerke lagen die Kosten um 200 Pfund höher." Dank ihres Börsengangs konnte Flybe die Flugzeuge jedoch kaufen, anstelle sie wie bisher im Operating Lease zu betreiben, und damit die Kosten fast ausgleichen.
Bei einem Preis von 110 Dollar pro Barrell muss dazu im Durchschnitt nur einer der zusätzlichen zehn Sitze der Embraer besetzt werden. Dafür erreichen die Briten mit der E-175 im Vergleich zu dem ohnehin schon schnellen Turboprop eine Zeitersparnis von 22 Minuten auf der Strecke von Manchester nach Mailand oder von 18 Minuten auf der Birmingham-Stuttgart-Route. "Das ist ziemlich wesentlich für einen Geschäftsreisenden. Wir können damit pro Ro-tation eine Stunde sparen und das betreffende Flugzeug auf anderen Strecken einsetzen."
Erfüllt der Komfort an Bord die Erwartungen?

Die Möglichkeit, die Flugzeuggröße dem Bedarf anzupassen, das sogenannte "Rightsizing", nutzt auch Virgin Australia: "Der Hauptvorteil der Embraer 190 in der Flotte von Virgin Australia liegt in der Flexi-bilität. Sie bietet die richtige Größe auf verschiedenen Strecken, um der Nachfrage nachzukommen. Das gilt nicht nur für regionale Strecken, sondern auch für Hauptstrecken außerhalb der Spitzenzeiten. Zum Beispiel auf Geschäftsstrecken wie Brisbane-Sidney oder Sidney-Melbourne können wir die 104-sitzige E-190 anstatt einer Boeing 737 mit 140 bis 180 Sitzen einsetzen und dabei das Flugzeug voll ausgelastet betreiben anstatt mit einer niedrigeren, weniger effizienten Auslastung."
Japan Air Lines setzt die 76-sitzige Version auf Inlandsstrecken mit kleinem bis mittlerem Aufkommen ein sowie zur Erhöhung von Frequenzen auf beliebteren Strecken. "Dies bietet größere Flexibilität, um das Angebot der Nachfrage akkurater anzupassen", heißt es auf Nachfrage aus Tokio. Etwas verbesserungsfähig seien jedoch die Kosten. "Sie sind immer ein Anliegen der Airlines, und wo möglich, hoffen wir auf eine Verbesserung der Gesamtbetriebskosten, etwa durch eine Reduzierung des Verbrauchs."
Laut Embraer bieten die E-Jets hohen Komfort. Trifft dies wirklich zu? "Aus Sicht der Passagiere wurden die Erwartungen zu 100 Prozent erfüllt, da sich die Kabine an den Anforderungen unserer Gäste orientiert und zum Beispiel die lästige Abgabe des Handgepäcks am Flugzeug wegfällt", sagt Bernadette Rampl, Managing Director von Augsburg Airways. "Dadurch läuft der Ein- und Aussteigevorgang viel entspannter ab. Mit einer Kabine der neuesten Generation gewährleisten die E-190 und die E-195 Jets ein Maximum an Passagierkomfort bei einem sehr geringen Geräuschlevel." Die Anordnung von zwei Sitzen nebeneinander sorgt beispielsweise bei Air Dolomiti und KLM Cityhopper für gute Kundenbeurteilungen. Bei Regional liegen die Beliebtheitswerte der E-Jets noch vor denen des Airbus A320, da sie den Komfort einer Widebody-Kabine aufweisen, aber nicht deren überfüllten Eindruck machen. Spitzenreiter ist die E-170, deren Kabinentemperatur sich gemäß der Airline leichter als bei der E-190 regeln lässt.
"Die Kabine der E-Jets ist fantastisch. Momentan gibt es keinen Grund für größere Verbesserungen", erklärt Andrew Strong von Flybe. Dennoch denkt die Fluglinie an die Installation eines Servers an Bord nach, der den Empfang von E-Mails und SMS ermöglicht. Außerdem könnten die Passagiere ein Bordunterhaltungsprogramm auf ihren eigenen iPads nutzen.
Wie verhalten sich die E-Jets denn aus Pilotensicht? "Die Embraer ist ein sehr komfortables Flugzeug", meint Christian Herrmann, Flugkapitän und Flottenchef Embraer bei der Lufthansa CityLine. "Schon das Steuerorgan ist beeindruckend und erinnert an das der Concorde: Es ist ganz anders, kein Stick oder übliches Steuerhorn. Die Ergonomie ist sehr komfortabel, da die Hände im 45-Grad-Winkel aufliegen können." Auch das Handling und die Arbeitsbelastung seien sehr angenehm. Während des Fluges startet beispielsweise die Vereisungsanlage bei entsprechenden äußeren Bedingungen automatisch und schaltet sich wieder ab, auch die vorgegebene Kabinentemperatur wird automatisch geregelt. Besonders von früheren Airbus-Piloten wird die Fly-by-Wire-Flugsteuerung als sehr angenehm empfunden: "Sie bietet die völlige Kontrolle für den Piloten, der das System immer überstimmen kann." Das Flugverhalten schildert Herrmann als eher ähnlich dem des Airbus A320, immerhin ist die Embraer 195 rund ein Meter länger. "Die Embraer ist etwas träger als der CRJ, dessen Rollrate höher ist. Dafür spürt man die gute Aerodynamik der E-Jets im Sinkflug mit voller Beladung. Das Flugzeug wird einfach nicht langsamer und braucht ein paar Meilen mehr zum Abbremsen. Die Schubleistung ist sehr ausreichend. Daher ist die Steigleistung bei der jeweiligen maximalen Startmasse im Verhältnis deutlich besser als beim CRJ." Verbesserungswürdig seien dagegen die Pilotensitze, deren Kopfstützen nach einer Weile nicht mehr einrasten und deren Sitzkissen etwas schneller verschleißen als bei anderen Sitzen. Embraer hat hier bereits nachgebessert.
Sind die Piloten zufrieden?

Die CityLine setzt die E-190 und E-195 ausschließlich zum Füttern der Hubs in Frankfurt und München ein. Dabei ist das kleinere Modell in Frankfurt stationiert, da es den Stadtflughafen von London anfliegen kann London-City mit einer nur 1508 Meter kurzen Bahn gilt als anspruchsvoller Flughafen. Um den steilen Anflugwinkel von 5,5 Grad zu meistern, verfügt die E-190 über eine Modifikation der Fly-by-Wire-Steuerung für das Spoilersystem. Der Knopf zur Aktivierung stellt auch den einzigen Unterschied der beiden großen E-Jets im Cockpit dar. "Fliegerisch merkt man ansonsten keinen Unterschied", sagt Herrmann. "Die Modifikation erlaubt die Kontrolle der Geschwindigkeit im Anflug auf London-City, ohne das Triebwerk im Leerlauf betreiben zu müssen." Aufgrund der kurzen Bahn lässt sich die maximale Startmasse nicht ausschöpfen. Die jeweilige Zuladung hängt von den Um-gebungsvariablen ab, aber es müssen keine Passagiere stehen gelassen werden.
Beim Start kommt aufgrund der sehr hohen Lärmauflagen ein spezielles Verfahren zum Einsatz. "Die Rotation erfolgt hier viel schneller als auf allen anderen Flughäfen, um auf kurze Distanz schnell Höhe zu gewinnen." Dabei schützt neben dem Fly-by-Wire-System auch das duale Head-up-Guidance-System (HGS) von Rockwell-Collins mittels Anzeige des Anstellwinkels vor einer versehentlichen Bodenberührung des Hecks. Neben der CityLine setzen auch Azul und JetBlue für beide Crewmitglieder das HGS ein, das eine gewisse Gewöhnungsphase bedingt. "Man benötigt rund sechs Monate, um eine Art Meisterlevel zu erreichen", sagt Herrmann. "Bisher waren es die Piloten gewohnt, nach unten zu schauen. Wir fliegen nach den HGS-Angaben von Flugweg und Energie. Wenn diese stimmen, müssen als Funktion daraus auch Anstellwinkel und Triebwerksdrehzahl N1 korrekt sein. Dies ist eine ganz neue Art der Flugführung. Das HGS hat alle Infos parat wie Radarhöhe oder Energiestatus. Es ist unglaublich komfortabel und zeigt auch an, welche Wirkung die vorher getätigte Einstellung der Auto-Brake hat oder wie viel Landebahn man noch zur Verfügung hat."
Die CityLine-Piloten fliegen immer manuell mit Hilfe des HGS, auch bei schlechtem Wetter, bei dem sonst das Autoland-System eingesetzt wird. "Für die Piloten ist es immer die gleiche Übung, die handwerklichen Fähigkeiten werden gefordert und gefördert." Nicht nur dies erhöht die Sicherheit. Wenn beispielsweise das TCAS-Kollisionswarnsystem eine Ausweichempfehlung gibt, können die Piloten diese gemäß Herrmann mit Hilfe des HGS präzise ausführen: "Wir fliegen das Ausweichmanöver mit Sicht nach draußen, indem wir ein Symbol in eine im HGS vorgezeichnete Box bringen. Wir können dabei den Intruder eventuell sogar sehen."
Trotz der neuen Technik bewegt sich die Umschulung von Piloten auf das neue Muster gemäß Christof Kemeny, Ausbildungsleiter Cockpit bei der Lufthansa CityLine, im üblichen Rahmen. Zunächst erfolgen sieben Missionen à vier Stunden in einem Simulator ohne Bewegung und Sichtdarstellung, dann elf Einsätze im Full Flight Simulator. An-schließend gehen die Kandidaten direkt auf die Linie und fliegen dort die ersten 46 Flüge an der Seite eines erfahrenen Ausbilders.
Die Vorteile eines Passagierflugzeugs stehen und fallen mit der Produktivität, die natürlich primär mit dem Netzwerk zusammenhängt. Haben die E-Jets hier dennoch Vorteile? Jean-Yves Grosse von Regional meint Ja. Er will sogar die Bodenzeiten von derzeit 35 Minuten auf 25 Minuten reduzieren und damit insgesamt die Zahl der jährlichen Flugstunden pro Flugzeug von aktuell 3200 auf 3500 bis 4000 erhöhen. "Die Tatsache, dass man vorne und hinten einsteigen kann, sowie der breite Gang und der vorhandene Platz für das Handgepäck sind der Schlüssel, um eine solche Herausforderung zu erreichen." Probleme mit der Beladung der Flugzeuge gebe es keine.
Bei Air Dolomiti liegt die Einsatzzeit pro Tag bei etwa siebeneinhalb Stunden. Optimal wären laut Michael Kraus zehn Stunden, aber um eine gute "Welle" am Hub zu treffen, muss die Fluglinie Standzeiten in Kauf nehmen. In Zusammenarbeit mit dem Flughafen München will man aber in diesem Jahr einen Wert von über acht Stunden erreichen. Auch Boet Kreiken von KLM Cityhopper will die Produktivität unter anderem mit kürzeren Bodenzeiten anheben, etwa durch den beidseitigen Zugang zum Flugzeug. Von 6,4 Stunden Einsatzzeit pro Tag im vergangenen Jahr soll es auf acht bis neun Stunden gehen. Da die Airline viel Gepäck von Transferpassagieren hat, gefällt ihm allerdings nicht die für die Beladung benötigte Dauer, die aufgrund der Länge der Embraer länger als bei der Fokker ist. Die Lufthansa CityLine hatte anfangs sogar Probleme, die Bodenzeit von 35 Minuten zu erreichen. Aufgrund der 24 von den Zulassungsbehörden vorgegebenen Netzsektoren, welche die Ladung verrutschsicher machen sollen, dauerte die Be- und Entladung trotz Schnellverschlüssen an den Netzen länger als geplant. Abhilfe schufen ein etwas rutschfreudigerer Bodenbelag und die in Absprache mit Embraer und den Zulassungsbehörden reduzierte Zahl der Netze. Dafür sank die Zuladung um 300 Kilogramm.
Wie wird die Zuverlässigkeit beurteilt?
Zuverlässigkeit ist für die Airlines eines der wichtigsten Kriterien für den Flugbetrieb. Laut Embraer betrug die durchschnittliche Zuverlässigkeitsrate der E-Jet-Flotte zuletzt 99,3 Prozent (Verhältnis der geplanten Starts zu den wirklich durchgeführten mit maximal 15 Minuten Verspätung, wobei nicht-technische Vorfälle nicht berücksichtigt werden). Wie sieht es bei den einzelnen Betreibern aus? "Wir haben durchweg gute Erfahrungen gemacht, die Crews fliegen sehr gerne auf dem Flieger. Die technische Zuverlässigkeit in Zeiten des ‚Wetlease’-Einsatzes liegt aktuell über 99 Prozent, es gab seit dem Charterbetrieb keine wirklichen Ausfälle zu beklagen“, teilt Cirrus Airlines mit. Positive Ergebnisse vermeldet auch Air Astana aus Kasachstan, die derzeit drei von Jetscape geleaste Embraer 190 betreibt. Die Zuverlässigkeit im ersten Betriebsmonat betrug 84,62 Prozent, im folgenden Monat stieg sie bereits auf 99,22 Prozent und erreichte zuletzt 99,54 Prozent. Fast identisch ist der Wert der letzten drei Monate bei Oman Air mit 99,53 Prozent. Bei Augsburg Airways lag der Wert im ersten Betriebsjahr schon bei 99,61 Prozent und konnte 2011 auf 99,68 Prozent gesteigert werden.
Bei der Lufthansa CityLine beträgt die Abflugzuverlässigkeit derzeit 99,7 Prozent. Dabei müssen die Piloten vor allem die Verfahren zur Inbetriebnahme des Flugzeugs genau beachten. "Das Flugzeug führt sehr viele interne Tests und Überwachungsvorgänge durch, die man nicht durcheinanderbringen darf. Man muss die Power-up-Checkliste ganz langsam abarbeiten. Hier hatten wir eine gewisse Lernkurve", erklärt Christian Herrmann. "Die Embraer muss liebevoll aufgeweckt werden", lacht der Flugkapitän. Ansonsten droht etwa eine Fehlermeldung, die bei mehreren Betreibern aufgetreten ist ("Flight Control no dispatch"), die nicht direkt, sondern nach dem vierten oder fünften Flug am Tag auftritt und das Flugzeug zum Stillstand verdammen kann (AOG, Aircraft on Ground). Ansonsten scheint es keine Kinderkrankheiten zu geben. "Wir hatten von Anfang an fast gleichbleibende Zuverlässigkeitswerte. Natürlich gab es einen Gewöhnungsprozess, zum Beispiel dass das CF34-10 mehr Öl als das Canadair-Triebwerk verbraucht."
Welche Verbesserungen sind gewünscht?
Nicht ganz zufrieden ist dagegen Virgin Australia: "Während des vergangenen Jahres haben wir aktiv daran gearbeitet, die operationelle Zuverlässigkeit unserer gesamten E-Jet-Flotte zu verbessern. Obwohl wir Fortschritte gemacht haben, gibt es immer noch Raum für eine Verbesserung." Konkrete Zahlen wollte die Airline jedoch nicht nennen. Auch KLM Cityhopper will die derzeitige Rate von 99,35 Prozent noch optimieren. Hier hilft das 2005 von Embraer eingeführte AHEAD-System (Aircraft Health Analysis and Diagnosis), das in Echtzeit aufgetretene Probleme aufzeichnet und sofort entsprechende Prozesse einleitet. "Das System hilft uns wirklich und erlaubt schnellere Reaktionen", sagt Boet Kreiken. Laut Embraer nutzt die Hälfte der weltweiten E-Jet-Flotte AHEAD. Derzeit arbeiten die Brasilianer an einer Ausführung mit zusätzlichen Prognosefähigkeiten, um ungeplante Wartungsarbeiten weiter zu reduzieren.
Auf der anderen Seite mussten einige Komponenten wie etwa die Karbonbremsen früher als geplant ausgetauscht werden. Das Problem hatte auch Lufthansa CityLine. Aufgrund von thermischen und katalytischen Oxidationsproblemen (Hitze, Enteisungsflüssigkeit) kam es zu höherem Verschleiß. Nun wurde die Flotte auf eine Version mit besserer Schutzschicht umgestellt. Ansonsten funktioniert die Karbonbremse gut, wie Christian Herrmann ausführt. "Sie muss warm sein. Auf Betriebstemperatur ist sie sehr effektiv. Bei Schubumkehr im Leerlauf – wie es die Lufthansa-Politik ist - stehen wir in London-City bei trockener Bahn und mittlerem Landegewicht auf der Mitte der Bahn."
Voll des Lobes ist er auch ob des Kundendiensts von Embraer, obwohl die Lufthansa AHEAD aufgrund unterschiedlicher Datenschutzrichtlinien nicht nutzt. "Der Customer Support ist der beste, den wir bisher erlebt haben. Egal ob technische oder andere Anfragen, wir bekommen immer innerhalb von 24 Stunden eine Antwort." Die Geschwindigkeit, mit der die Ingenieursabteilung Modifikationen bearbeitet, könnte laut KLM Cityhopper etwas besser werden, obwohl man auch in den Niederlanden das gute Verhältnis zu den südamerikanischen Flugzeugbauern betont. Bei den ersten C-Checks sei zudem die Rate der ungeplanten Arbeiten zu hoch gewesen.
Bei Regional und Air France betrachtet man dagegen die Zahl der Ausfälle oder Verspätung pro 10000 Flüge. Hier rangieren die E-Jets mit rund 70 Vorfällen deutlich vor der CRJ-Familie (140), aber hinter dem Airbus A320 (knapp unter 60). Jean-Yves Grosse erwartet weitere Verbesserungen. Ein Weg ist die intensive Nutzung von AHEAD. Außerdem erwarten wir von Embraer und GE Aviation, die Lücke zwischen der 170 und 190 zu schließen. Die 170 ist reifer, aber die 190 sollte auf denselben Level kommen."
Während die aktuellen E-Jets weiter im Detail verbessert werden, arbeitet Embraer bereits an der nächsten Generation. Wie beurteilen die Airlines eine neue Version mit noch effizienteren Triebwerken?
"Wir sind froh, dass sich Embraer entschieden hat, nicht in die Liga von Airbus und Boeing vorzustoßen, sondern die aktuellen Produkte zu verbessern und weiter anzubieten, was wichtig für uns ist", sagt Boet Kreiken von KLM Cityhopper. "Wir freuen uns, mit Embraer zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass ein neues Flugzeug für Flybe und Europa optimiert ist. Wir wollen kein Ultralangstrecken-Flugzeug, sondern etwas, das günstig zu betrieben ist und dafür ausgelegt ist, 1100 bis 1300 Kilometer zu fliegen, nicht 3700 Kilometer. Es muss nicht der schnellste Jet der Welt sein, es muss wirtschaftlich sein. Der Treibstoffverbrauch bestimmt das Produkt der Zukunft", meint Andrew Strong. Details über die E-Jets mit neuem Antrieb und neuer Tragfläche dürften in den nächsten Monaten zu erwarten sein. Nichtsdestotrotz wird auch die bestehende Familie für die kommenden Jahre ein Bestseller bleiben.
FLUG REVUE Ausgabe 03/2012