Rettet die Impfung den Luftverkehr?

Hoffnung aus der Spritze
Rettet die Impfung den Luftverkehr?

Veröffentlicht am 28.12.2020

Binnen 26 Minuten waren sie ausverkauft, die "A380 Restaurant"-Termine bei Singapore Airlines – die wohl exotischste Idee, um Covid-19- bedingt am Boden stehende Doppelstock-Großraumjets notdürftig zu beschäftigen. An vier Wochenendterminen Ende Oktober und Anfang November bot die für Service und Speisen berühmte Airline aus dem Stadtstaat Singapur an ihrer Heimatbasis Changi an den sogenannten "Super Gates" im dortigen Terminal 3 ein Essen an. Und dies an Bord zweier am Gate geparkter A380.

Neueste SIA-Kabinenausstattung

Beide Vierstrahler (9V-SKN und 9V-SKS) waren gerade erst mit der neuesten SIA-Kabinenausstattung modernisiert worden. Als Rahmenprogramm für die begeisterten "Flug"-Gäste gab es, nach einem kompletten Check-in mit voller Sicherheitskontrolle, Modenschauen historischer SIA-Uniformen zu Discomusik am Gate, eine Führung durch das gesamte Flugzeug mit Cockpitbesuch, volles Bordunterhaltungsprogramm mit Filmen und Musik, inklusive stillstehender Moving Map, und eine Souvenirtüte. Sogar Bestellungen im Bordverkauf wurden angenommen. Höhepunkt war aber das von der Buchungsklasse abhängige Mehrgängemenü von SIA-Chefkoch Sherman Lee mit den entsprechenden Getränken bis hin zu französischem Markenchampagner. Zwischen umgerechnet 30 und 400 Euro hatten die Fans für die außergewöhnliche Visite mit Mittagsmenü berappt, wobei die teuersten Tickets der neuen "Suiten"-Klasse sogar binnen zehn Minuten und damit am schnellsten ausverkauft waren.

SIA, A380 Corona Restaurant

Besonders originelles Gespür

Mit ihrem spektakulären Restaurantangebot bewies Singapore Airlines in der anhaltenden Flaute ein besonders originelles Gespür dafür, wie man selbst einen Nachfrageeinbruch geschickt für eine Werbeaktion mit Breitenwirkung nutzen kann und wie man die Begeisterung für das Riesenflaggschiff A380 aufrechterhält. Denn SIA will ihre Doppeldecker, jedenfalls mit verringerter Stückzahl, möglichst bald wieder fliegend einsetzen und renoviert dazu gerade deren Inneneinrichtungen. Vermutlich werden noch zwölf Flugzeuge auf ausgewählten Routen im Dienst bleiben, deren Einsätze im Flugplan aktuell wieder ab Oktober 2021 verzeichnet sind, wenn sich die Corona-Nachfrageflaute hoffentlich wieder ab-geschwächt haben wird. Nach fünf, schon mit neuen Kabinen ausgestatteten A380 und nach der gerade im Umbau befindlichen 9V-SKM sollen noch mindestens drei weitere A380 die neueste Kabinenkonfiguration erhalten, hat SIA bereits angekündigt.

Vergleich zu den europäischen Airlines

Mit einem Verkehrseinbruch von ungefähr 50 Prozent steht Singapore Airlines im Vergleich zu den europäischen Airlines im Augenblick noch vergleichsweise gut da. Denn in Europa sank die Nachfrage vielerorts auf nur noch rund 20 Prozent des üblichen Niveaus und bröckelte sogar noch weiter ab, weil die "zweite Welle" der Covid-19-Pandemie aufflammte und in vielen Staaten verschärfte Ausgangs- und Reisebeschränkungen nötig machte. British Airways setzte im November, beginnend mit den neuen Lockdown-Maßnahmen der britischen Regierung, ihren Flugbetrieb zu großen Teilen aus, darunter komplett in London Gatwick.

Flughafen Halle Leipzig

Dringende Frachtflüge

Rückholflüge aus aller Welt und dringende Frachtflüge hätten aber weiterhin Priorität, kündigte das Unternehmen Anfang November an. Die Mutterholding IAG – ihr unterstehen neben BA und Iberia auch Aer Lingus, Vueling und Level – hatte schon im Oktober angekündigt, im vierten Quartal nur rund 30 Prozent der sonst üblichen Flüge anzubieten. Außerdem ersuchten die Briten ihre Regierung um weitere Kredite und verlängerten die Kurzarbeit.

Nur 11679 kontrollierte Flugbewegungen

Mit ihrer tristen Lage stehen die Briten derzeit in Europa keineswegs allein da. Die europäische Flugsicherung Eurocontrol meldete zum Beispiel für den 4. November 2020 in Europa nur 11679 kontrollierte Flugbewegungen – 42 Prozent weniger als an einem Vergleichstag vor einem Jahr. Im Monat Oktober habe der Flugverkehr 56 Prozent unter dem des Vorjahresmonats gelegen.

Massives Preissenkungsprogramm

Die Airline-Branchenorganisation IATA erwartet erst für das Jahr 2024, dass der weltweite Flugverkehr wieder das Niveau von 2019 erreicht, also das von vor der Covid-19-Pandemie. Nur im chinesischen Inlandsflugverkehr sieht die Lage bereits wieder besser aus. Die IATA verzeichnete im Monat Juni 2020 in Chinas Inlandsflugverkehr eine nahezu gesunde Auslastung von 69,5 Prozent– "nur" 15,2 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Bei den verkauften Sitzmeilen beträgt der Rückgang 35,5 Prozent. China hatte im Inland die Flugnachfrage durch ein massives Preissenkungsprogramm angeheizt. Oft wurden Flüge für nur noch ein Drittel des vorherigen Preises auf den Markt geworfen. Dadurch füllten sich die Jets wieder schnell, und der Branche blieben die brutalen Schrumpfungsprozesse der restlichen Welt teilweise erspart. Im Mai hatte der Rückgang bei den verkauften Sitzmeilen (RPK) noch bei 46,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gelegen.

DoD

Mehrere neue Covid-Impfstoffe

Mit Gewinnsprüngen von kurzzeitig bis zu 20 Prozent reagierten die Airline-Börsenkurse Anfang November, als weltweit Meldungen über mehrere neue Covid-Impfstoffe die Runde machten. Bis zu 1,3 Milliarden Impfdosen könnten bis Jahresende 2021 produziert und mittels Massenimpfungen schnell verteilt werden. Die erhoffte Immunisierung könnte Reiseverbote und Quarantäneregeln schnell wieder weitgehend überflüssig machen, erhoffen sich die Airlines.

Corona-Schnelltests

In diese Richtung zielen auch Corona-Schnelltests für alle Passagiere an Bord einzelner Flüge, wie sie etwa Lufthansa auf ihrem Flugpaar LH 2058/LH 2059 zwischen München und Hamburg derzeit testet. Per "Rachenabstrich" wird bei diesen Antigentests geprüft und man erhält noch vor dem Start das Ergebnis. An Bord gelangen nur "negativ" getestete Passagiere. Wer "positiv" auffällt, darf nicht einsteigen und wird direkt zum "richtigen" PCR-Test gebeten. Frühestens nach Jahresbeginn will Lufthansa die Schnelltests auch auf einzelnen Langstrecken erproben. Wer nicht getestet werden möchte, wird kostenlos auf den nächsten Flug, dann ohne den Pilotversuch an Bord, umgebucht.