Das National Flying Laboratory Centre (NFLC) betreibt die Saab mit der Kennung G-NFLB, eine im europäischen akademischen Sektor einzigartige Einrichtung, die der Unterstützung von Lehre, Forschung und Entwicklung dient. Luftfahrtstudierende, einschließlich angehende Flugmediziner, lernen hier auf anschauliche Art und Weise die Techniken des Flugtests. Dabei geht es hauptsächlich um Leistungs-, Stabilitäts- und Kontrollmanöver. Während Cranfield nur Master- und Postgraduiertenstudiengänge im Programm hat, bietet das NFLC auch Flugmechanik-Kurse an 20 anderen britischen Universitäten an. Die University of Limerick in Irland ist die erste Hochschule eines EASA-/EU-Staats, die die Saab 340B für ihre Luftfahrtstudierenden einsetzt. Das Flugzeug kommt jedes Jahr für zwei Tage zum Flughafen Shannon. Ähnliche Missionen wären auch in Deutschland denkbar. Betrieben wird die G-NFLB gemäß EASA Part SPO "Specialised Operations". Demnach sind die 24 Studierenden, die in der Kabine Platz finden, keine Passagiere, sondern "Aufgabenspezialisten".

Die Saab 340B bietet mehr Platz in der Kabine als ihre Vorgängerin, eine Jetstream 31. Vorteilhaft ist auch die kürzere Bodenzeit.
Technische Ausstattung
Auf jedem Flug werden Tests für Universitäten durchgeführt, möglich sind jedoch auch maßgeschneiderte Flüge im Auftrag von Unternehmen. So hat das Vorgängerflugzeug des NFLC, eine BAe Jetstream 31, bei der Entwicklung und Erprobung von Systemen wie Autopilot, Branderkennung und Kollisionswarnung mitgewirkt sowie Wirbelschleppenmessungen und Flüge zur Überwachung der Verschmutzung der oberen Atmosphäre durchgeführt. Die G-NFLB war zuvor im Dienst verschiedener US-Airlines. Das Flugzeug mit der Werknummer SN456 hatte seinen Erstflug 1998. Seit 2021 ist es beim NFLC, wo es im Oktober desselben Jahres den vollen Betrieb aufnahm. Cranfields Saab wurde stark modifiziert und mit modernster Ausrüstung zur Erfassung von Flugparametern ausgestattet. Auf denan den Kopfstützen der Sitze montierten MS-Surface-Pro-Tablet-Computern von SCITEK lassen sich umfangreiche Flugdaten mit der LabVIEW-Software anzeigen. Zur technischen Ausstattung der Saab 340B gehören zudem das kombinierte Trägheits- und Satellitennavigationssystem Ekinox-D, das Satellitenkommunikationssystem Aspire 400 von Honeywell, zusätzliche Yaw-Sensoren auf der Flugzeugnase, ein Erfassungssystem für Daten vom kommerziellen Standard-Datenbus, Signalaufbereitung, 70 zusätzliche Sensoren sowie zwei Cockpit-Kameras. Die vordere Bordküche des Flugzeugs wurde entfernt und durch einen Geräteträger ersetzt, der den Hauptcomputer, die Datenerfassung und das Trägheitsmessgerät beherbergt. Der Satcom-Daten-Downlink ermöglicht es, die gesamten Tests während des Fluges in Echtzeit vom Boden aus zu verfolgen.

Die Saab340B wurde umfangreich modifiziert und mit modernster Technik zur Erfassung von Flugparametern ausgestattet.
Flugmechanik erleben
Für einen Standardkurs in Flugmechanik fliegt die Saab zu einem Flughafen in der Nähe einer Luftfahrtuniversität. Jede Studierendengruppe nimmt an einem Flug mit Experimenten teil, die mit der Hochschule vereinbart wurden. Der gesamte Kurs erhält eine Einweisung vor Ort in Theorie, Testplan und -methode. Bei sämtlichen Flugmanövern handelt es sich um echte Zertifizierungs- und Zulassungsflugtests für Prototypen oder neue Flugzeugderivate. Bei den Leistungstestverfahren geht es darum, optimale und effiziente Fluggeschwindigkeiten zu erreichen – genauso wie es für Flugzeugprototypen, für die Erstellung von Flughandbüchern und Checklisten vorgesehen ist. Die Reise- und Luftwiderstandsleistung bestimmt die Fluggeschwindigkeiten für die beste Ausdauer und spezifische Flugreichweite. Über die Steigleistung werden die Fluggeschwindigkeiten für die beste Steigrate und der beste Steiggradient festgestellt. Zudem werden auch die statische Längs- und die Manöverstabilität erflogen. Dabei wird den Studierenden auch die Aktivierung der Überziehwarnung demonstriert, was zu einem kurzen Moment der Schwerelosigkeit führt. Jährlich profitieren bis zu 2000 Studierende von der Saab 340B. Bei den früheren Jetstreams waren es rund 1200 pro Jahr. Das ist zum einen der größeren Zahl an Sitzplätzen der Saab 340B zu verdanken (24 statt 15 in der Jetstream 31). Hinzu kommt die kurze Turnaround-Zeit: Unter idealen Betriebsbedingungen kann die Saab bei Bedarf vier Einsätze an einem Tag fliegen.

Auf den Tablets in den Kopfstützen lassensich die Flugdaten übersichtlich darstellen.
Lange Tradition
Seit der Gründung im Jahr 1946 als College of Aeronautics betreibt die Cranfield University eigene Flugzeuge. Die Studierenden sollten immer schon einige ihrer Arbeiten in der Luft selbst durchführen. Als "fliegende Klassenzimmer" kamen viele verschiedene Muster zum Einsatz: Avro Anson Mk1, DeHavilland Dove, HandleyPage Jetstream Mk1 und bis vor kurzem eine BAe Jetstream 31. Als 1946 die Ansons erworben wurden, spielte Deutschland unwissentlich eine Rolle bei der Beschaffung weiterer wesentlicher Lehrgeräte. Vor allem ein Doppelstrom-Windkanal mit einem Meter Durchmesser und Präzisionsmessgeräte wurden aus Deutschland "befreit", darunter für den Bodenunterricht eine Me 163, Fw 190, Ju 388 und eine komplette A4 (V2).

Betrieben wird die G-NFLB gemäß EASA Part SPO "Specialised Operations".
Technische Daten
Saab 340B
Länge: 19,73 m
Höhe: 6,97 m
Spannweite: 21,44 m
Max. Reisegeschwindigkeit: 283 kt (524 km/h)
Max. Reichweite: 935 NM (1730 km)
Dienstgipfelhöhe: 25 000 Fuß (7620 m)
Triebwerke: 2 x GE CT7-9B mit je 1394 kW
MTOW: 13 100 kg
Max. Nutzlast: 3400 kg
Max. Passagierzahl: 33 (typischerweise 24)