Streifzug durch die Geschichte
100 Jahre Boeing

Boeing, der heute größte Luft- und Raumfahrtkonzern der Welt, baute viele wegweisende Flugzeuge. Immer wieder schuf Boeing Bestseller, die dem Unternehmen eine dominante Position im zivilen und militärischen Markt sicherten.

100 Jahre Boeing

Boeing hatte 1915 bei Glenn Martin seinen Flugschein gemacht und gleich einen Doppeldecker gekauft, dessen Eigenschaften aber nicht zufriedenstellend waren. So machte er sich mit seinem Freund, dem Marineoffizier Westervelt an die Konstruktion einer eigenen Maschine. Sie wurde kein Erfolg, aber mit dem Schulflugzeug Model C kam er 1917 mit der US Navy ins Geschäft. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg musste das Unternehmen ums Überleben kämpfen. Erst der Jäger Model 15 (PW-9) von 1923 brachte den Durchbruch.

Im zivilen Bereich begann der Aufstieg der Firma mit dem Postflugzeug Model 40A. 1928 folgte das Passagierflugzeug Model 80. Ab 1929 schließlich formten Boeing und Fred Rentschler, Chef von Pratt & Whitney, mit der United Aircraft and Transport Corp. ein riesiges Konglomerat von Fluggesellschaften und Herstellern. Als dieses 1934 von der Regierung zerschlagen wurde, zog sich Boeing im Alter von 53 Jahren aus der Luftfahrtbranche zurück.

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Bomber für den Krieg

Während in den 1920er Jahren auch bei Boeing eher konservative Muster aus der Halle rollten, wurde man Anfang der 1930er Jahre mutiger und testete neue, schnittige Eindecker wie das Postflugzeug Monomail oder den Jäger P-26. Mit dem zweimotorigen Model 247 von 1933 wurden neue Maßstäbe für ein Passagierflugzeug gesetzt, auch wenn die Douglas DC-3 anschließend das große Geschäft machte.

In ganz neue Dimensionen stieß der Riesenbomber XB-15 von 1937 vor. Das Modell für die spätere Massenfertigung war jedoch die B-17. Parallel dazu entstanden das Verkehrsflugzeug Stratoliner und das Luxus-Flugboot Clipper, deren Karriere aber durch den Zweiten Weltkrieg abrupt beendet wurde. Die Aufrüstung stand nun im Vordergrund, und allein das Werk in Seattle expandierte von 1755 Mitarbeitern im Januar 1938 auf eine Spitze von 44 754 im Januar 1945. Zu diesem Zeitpunkt war auch die B-29 voll in Produktion, ein Langstreckenbomber mit vielen Neuerungen, der unter anderem für den Abwurf der beiden Atombomben auf Japan verwendet wurde.

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Das Jet-Zeitalter

Noch während des Krieges begann Boeing mit ersten Studien für einen neuen Bomber mit Strahlantrieb. Mit Daten der deutschen Forschung im Rücken entstand die B-47, ein radikaler Entwurf mit stark gepfeilten Flügeln und sechs Triebwerken. Er ging 1951 in Dienst. Im zivilen Bereich hatte nach 1945 zunächst Douglas die Nase vorn. Erst mit dem Auftauchen der britischen Comet als erstem Verkehrsflugzeug mit Strahltriebwerken beschloss das Boeing-Management im August 1952, die damals gewaltige Summe von 16 Millionen Dollar in die Entwicklung eines Jet-Airliners zu investieren. Das Model 367-80 (Dash 80) flog im Juli 1954 zum ersten Mal und legte nicht nur den Grundstein für die 707-Familie, sondern auch für den KC-135-Tanker der US Air Force.

Airliner-Dynastie

Nach dem Erfolg mit der 707 ging Boeing daran, aus den gleichen Rumpfsegmenten modular ein kleineres Mittelstreckenflugzeug abzuleiten: die 727. Diese konnte, dank eines aufwendigen Klappensystems, auch auf kurzen Pisten eingesetzt werden. Das für den Dreistrahler von Pratt & Whitney neu entwickelte Triebwerk JT8D erwies sich als großer Wurf. Mit der 737 entwickelte Boeing danach einen noch kleineren Zweistrahler, dessen Verkaufserfolg als 737 NG und 737 MAX bis heute anhält. Größtes Standardrumpfmuster wurde in den 70er Jahren die, nach der Ölkrise besonders auf Wirtschaftlichkeit ausgelegte, zweistrahlige 757. Parallel entstand die technisch eng verwandte 767 als Großraum-Zweistrahler.

Der Jumbo Jet leitet eine neue Epoche ein

Ende der sechziger Jahre entwickelte Boeing mit der doppelstöckigen 747 ein Flugzeug in einer völlig neuen Größenordnung: Zweieinhalbmal so groß wie die 707, verleitete der enorme Raum an Bord zu verschwenderischen Einbauten wie Bars und Lounges. Erst verbesserte, zuverlässigere und sparsamere Triebwerke machten den Jumbo auch zum kommerziellen Erfolg. Erst nach der Ölkrise in den siebziger Jahren gelang es, neue Passagierschichten für das vorher nur der Elite zugängliche Fliegen zu erschließen. Der Massenflugverkehr begann. Fernreisen gehörten nun auch für die Mittelschicht zum Alltag. Boeing setzte sich am Verkehrsflugzeugmarkt gegen die US-Konkurrenten Convair, McDonnell Douglas und Lockheed durch. Mit Airbus entstand ein neuer Konkurrent in Europa.

Mit der Übernahme von McDonnell Douglas gewann der US-Branchenriese Boeing 1997 neues Gewicht im Rüstungssektor und an der Börse. Um dichter an den wichtigen Finanzmärkten der Ostküste zu sein, verlagerte der Konzern 2001 sogar sein Hauptquartier von Seattle nach Chicago. Für einen zweistelligen Dollar-Milliardenbetrag kaufte Boeing zudem eigene Aktien – Geld, das man lieber direkt in Flugzeugprogramme hätte investieren sollen, bemängelten Kritiker.

Externe Partner für den Dreamliner

Für sein nächstes Schlüsselprogramm, die 787, baute sich Boeing neue Partnerschaften mit Zulieferern in Japan und Italien auf. Man sparte sich so die teure Umstellung der kompletten Infrastruktur für den nun beginnenden CFK-Flugzeugbau unter eigenem Dach. Nach kostspieligen Anlaufproblemen ist die 787 heute ein erfolgreiches Programm, das zur Familie weiterentwickelt wird. Mit einem ähnlich leistungsfähigen CFK-Flügel und mit neuesten Triebwerken überarbeitet Boeing nun auch den Kassenschlager 777-300ER zur 777-9X. Der immer wieder vergrößerte Zweistrahler-Riese macht mittlerweile sogar dem – jüngst ebenfalls modernisierten – Jumbo Jet ernsthafte Konkurrenz. Für die Zukunft steht die Frage ins Haus, wann und womit Boeing eines Tages seine 737 MAX ablöst und ob auch hier wieder das revolutionäre CFK-Konzept der 787 zur Verwendung kommt. Trotz mächtiger Konkurrenten in Europa, Russland, China und vermutlich eines Tages Indien dürfte der US-Branchenriese wieder die passende Lösung finden.

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