Die Type Inspection Authorization (TIA) markiert den Beginn der zweiten Phase der Flugtests. Beim Erstflug und der anschließenden Anfangsflugerprobung werden nur die elementaren Flugeigenschaften und Flugleistungen durch den Hersteller vermessen. Dabei darf jeweils nur die unbedingt dafür benötigte Besatzung an Bord sein, keinerlei Fremdpersonal.
FAA-Risikoanalyse bestanden
Erst mit der TIA darf auch weiteres Personal, etwa von wichtigen Zulieferern oder Testpiloten der Luftfahrtbehörde FAA selbst, mitfliegen. Außerdem werden ab der TIA die gewonnenen Daten für die formelle Musterzulassung dokumentiert und angerechnet. Die Behörde erteilt die TIA erst, wenn sie annimmt, dass eine Musterzulassung erreichbar ist. Dazu prüft sie vorab, ob alle durch den Hersteller eingereichten Konstruktionsdaten die geltenden Zulassungsbedingungen erfüllen. Auch eine Risikoanalyse wird vorab durchgeführt.
Phase 1: Flugsteuerung
Mit der am vergangenen Mittwoch eingegangenen TIA darf Boeing endlich das Flugtestprogramm der verspäteten 777-9 wieder aufnehmen und Daten für die Zulassung sammeln. Als erstes Testkapitel ("Phase 1") soll die elektronische Flugsteuerung der 777-9 vermessen werden. Triebwerke und Lärmwerte folgen später. Boeing hatte in den vergangenen Wochen drei 777-9-Testflugzeuge reaktiviert und angeblich bereits mit Triebwerken in einem aktualisierten Serienstandard ausgestattet.
Boeing bestätigte, dass man am Flughafen Boeing Field in Seattle, dem Sitz der Flugtestabteilung, die Zulassungsflugtests mit der 777-9 aufgenommen habe. Dies sei ein wichtiger Schritt, um das Flugzeug unter Aufsicht der Regulierungsbehörde zulassen zu können und um es anschließend an die weltweiten Kunden auszuliefern.
Boeings Flugtest- und Entwicklungsbauvorstand, Konzern-Chefpilot Craig Bomben erklärte, die 777-9 fliege und betreibe sich "wunderbar". Er könne es nicht erwarten, das Flugzeug auszuliefern und für treibstoffsparende Missionen zu nutzen. "Es ist großartig, das Zulassungsprogramm zu beginnen."
Schon 3500 Flugstunden
Seit dem Erstflug 2020 hatte Boeing bei 1200 Testflügen bereits 3500 Flugstunden mit den 777-9-Prototypen gesammelt, die aber noch nicht für die Zulassung angerechnet werden durften. Darunter waren auch schon kurze Kundenbesuche, wie in Frankfurt bei Lufthansa. Wegen der ausbleibenden TIA, für die auch die Reorganisation der FAA verantwortlich sein dürfte, hatte der Hersteller seine Testflotte schließlich zeitweise eingemottet.
Die jetzt noch ausstehenden Zulassungsflugtests dürften mindestens ein Jahr dauern, sodass eine Zulassung der bereits um Jahre verspäteten 777-9 im Idealfall wohl frühestens Ende 2025 möglich wird. Die 777-9 basiert auf dem Boeing-Erfolgsmodell 777-300ER, hat aber einen verlängerten Rumpf, einen neuen Flügel mit hochklappbaren Flügelspitzen und neueste GE9X-Triebwerke. Der Kabinendurchmesser innen wurde durch abgeflachte Spante verbreitert.