Am Gate warten bereits die Kollegen mit dem vierten Streifen – nach der Landung soll die Copilotin von Yeti-Airlines-Flug 691 zur Kapitänin befördert werden. Doch im Endanflug auf den internationalen Flughafen von Pokhara kippt die ATR-42-500, in deren Cockpit sie gerade arbeitet, unvermittelt über die linke Tragfläche und stürzt ab. Zwei Tage nach dem verheerenden Unfall gehen die Bergungsarbeiten weiter – 69 der 72 Insassen wurden tot aus den Trümmern geborgen, drei Menschen gelten offiziell weiter als vermisst. Am Montag stellten Teams den Flugdatenschreiber der ATR mit dem Kennzeichen 9N-ANC sicher.
Was geschah?
Die Aufzeichnungen könnten Aufschluss über die Absturzursache geben, sind aber nicht der einzige Anhaltspunkt. Der neue Pokhara International Airport ist erst seit 1. Januar 2023 in Betrieb. Der Flughafen verfügt über eine 2.500 Meter lange Start- und Landebahn 30/12, die von Osten nach Westen verläuft. Im Anflug hatten sich die Piloten offenbar für einen Wechsel der Anflugrichtung entschieden. "Wir hatten (YT691, Red.) die Landebahn 30 zugewiesen", sagte ein Sprecher des Pokhara International Airport der "Kathmandu Post". Auf Anfrage des Kapitäns habe die Flugsicherung einem Anflug auf Piste 12 zugestimmt.
Für ILS nicht freigegeben
Für den Kurswechsel könnten der Crew entscheidende Informationen gefehlt haben. "Der Flughafen wurde überhastet in Betrieb genommen, ohne dass die Vorbereitungen für die Einhaltung der Projektfrist am 1. Januar ausreichend waren", sagte ein Insider der "Kathmandu Post". Für ILS-Anflüge aus Westen war die Landebahn demnach noch nicht freigegeben – Piloten konnten nur nach Sichtflugregeln auf 12 landen. "Die Flugvermessung, die alle Einrichtungen des neuen Flughafens testet, hat eine Landung aus Westen nicht empfohlen", sagte die Quelle der Zeitung. Eine Veröffentlichung der offiziellen Anflugverfahren aus Westen in den Handbüchern stand demnach noch aus.
Behörde mit kommerziellen Interessen
Nepal war seit 1955 Schauplatz von 104 schweren Flugzeugunglücken mit 914 Toten. Wegen Sicherheitsbedenken stehen nepalesische Airlines auf der Schwarzen Liste der EU-Kommission und dürfen nicht in die EU fliegen. Für Kritik sorgt auch die Doppelfunktion der nepalesischen Zivilluftfahrtbehörde CAAN, die als Aufsicht fungiert, zeitgleich aber mit der kommerziellen Entwicklung der nepalesischen Luftfahrt betraut ist. Der Pokhara International Airport gilt als wichtiges Infrastrukturprojekt. Pokhara ist Ausgangspunkt vieler Expeditionen, der Flughafen ist für eine Jahreskapazität von einer Million Passagiere ausgelegt.