Seit 1995 in Dahlewitz, südlich von Berlin, die Triebwerksproduktion begann, hat sich Standort zum Rolls-Royce-Kompetenzzentrum für Business-Jet-Triebwerke entwickelt. Dort entsteht auch die neue Pearl-Triebwerksfamilie, die die wichtigsten Langstrecken-Geschäftsreiseflugzeuge von Bombardier, Gulfstream und bald auch Dassault Aviation antreibt. Der Marktanteil von Rolls-Royce liegt in diesem Segment bei etwa 60 Prozent.
Die Pearl-Familie ist in der Schubklasse zwischen 45 und 90 Kilonewton angesiedelt und hat seit 2018 die Nachfolge der erfolgreichen BR700-Triebwerke (BR710 und BR725) angetreten. Erstes Mitglied war das Pearl 15, das exklusiv an der Bombardier Global 5500 und 6500 zum Einsatz kommt. Es leistet einen Startschub von 67,8 kN.
Pearl 15 wurde im Geheimen entwickelt
Die Entwicklung des Pearl 15 begann bereits 2012, auf Wunsch des Erstkunden Bombardier im Geheimen. Das Aggregat baut auf den BR700-Technologien auf, hat aber ein neues Kerntriebwerk. Es ging aus dem Forschungsprogramm Advance2 hervor und umfasst unter anderem einen neuen, zehnstufigen Hochdruckverdichter (davon sechs Stufen als Titanaluminid-Blisks – eine mehr als beim BR725), eine Magerbrennkammer und eine zweistufige Hochdruckturbine ohne Deckbänder und mit neuer Schaufel- und Gehäusekühlung.

Das Pearl 15 hat ein neues Kerntriebwerk, die Abmessungen entsprechen aber weitgehend jenen des BR710.
Mittlerweile sind nach Angaben von Rolls-Royce Deutschland fast 150 Flugzeuge mit Pearl 15 im Dienst. Die Flotte hat mehr als 280.000 Flugstunden absolviert. Das Pearl 15 punktet mit einer Zuverlässigkeit von 99,95 Prozent. Rolls-Royce sieht auch außerhalb der Geschäftsfliegerei großes Potenzial, vor allem für Special-Mission-Plattformen. Kürzlich hat beispielsweise Südkorea die Bombardier Global 6500 als "Airborne Early Warning and Control"-Flugzeug ausgewählt.
Pearl 700 für Gulfstreams neue Flaggschiffe
Das zweite Mitglied der Triebwerksfamilie ist das Pearl 700 mit 81,2 kN für die Gulfstream G700 und G800. Die G700 ging im April 2024 in Dienst, die G800 Ende August 2025, aus Triebwerkssicht verlief beides problemlos. Mittlerweile fliegen nach Angaben von Rolls-Royce mehr als 70 Flugzeuge mit Pearl 700, in der Flotte gibt es Jets mit mehr als 1000 Zyklen (ein Zyklus umfasst einen kompletten Flug vom Anlassen bis zum Ausschalten der Triebwerke).

In Dahlewitz werden die Pearl-Triebwerke, hier ein Pearl 700, endmontiert.
Das Kerntriebwerk des Pearl 700 ist nach Angaben von Rolls-Royce ziemlich ähnlich wie beim Pearl 15. Im Vergleich zu Pearl 15 verfügt Pearl 700 aber über eine um eine Stufe erweiterte Niederdruckturbine. Das Triebwerk soll einige 3D-gedruckte Teile beinhalten. Welche, gibt Rolls-Royce jedoch nicht preis. Ein Novum für Rolls-Royce-Triebwerke ist zudem der einteilige Bliskfan, der rund zehn Prozent Gewicht gegenüber der herkömmlichen Bauweise einspart.
Dassault setzt erstmals auf Rolls-Royce
Das jüngste Mitglied der Pearl-Familie ist das Pearl 10X für Dassaults neues Flaggschiff Falcon 10X. Rolls-Royce hat nach eigenen Angaben alle Zulassungstests mit dem Triebwerk abgeschlossen, darunter Initial Maintenance Interval (IMI), Typentest, mittlerer Vogelschlag, Seitenwind- und Emissionstests. Aktuell liege der Fokus darauf, die Zulassungsberichte für die europäische Luftfahrtbehörde EASA fertigzustellen. Man sei auf Kurs für die anstehende Flugerprobung der Dassault Falcon 10X. Das Produktionssupportzentrum in Bordeaux-Mérignac sei in Betrieb.

Das Pearl 10X absolvierte seine Flugerprobung an der Boeing 747-200 von Rolls-Royce, die im Sommer 2025 außer Dienst gestellt wurde.
Das Pearl 10X ist das stärkste der bisherigen Pearl-Triebwerke, es liefert mehr als 80 kN Startschub. Genaue Werte verrät Rolls-Royce auf Wunsch von Dassault nicht. Das Pearl 100X zieht hinsichtlich des Blisk-Fans (1,32 m Durchmesser) und die Anzahl der Turbinen-Stufen (zwei Stufen Hochdruckturbine ohne Deckbänder, vier Stufen Niederdruckturbine) mit dem Pearl 700 gleich. Allerdings verfügt das Pearl 10X über 3D-gedruckte Elemente in der Brennkammer und ein neues Hilfsgetriebe.





