Elektrische Flüsterflieger: Wie laut sind Elektroantriebe?

Elektrische Flüsterflieger
Wie laut sind Elektroantriebe?

Veröffentlicht am 26.05.2024

Wird der VoloCity, wie vom Bruchsaler Unternehmen Volocopter geplant, während der Olympischen Sommerspiele über Paris unterwegs sein, dann dürfte er akustisch kaum wahrnehmbar sein. "Das liegt auch an den städtischen Hintergrundgeräuschen, deren Pegel in Großstädten global gesehen bei rund 75 Dezibel liegt. Mit 65 dB(A) im Überflug hört man vom VoloCity eigentlich nichts", erläutert Dr. Ulrich Schäferlein, der bei Volocopter den Bereich Flugphysik leitet und damit auch für die akustische Signatur zuständig ist. Während der schubintensiven Start- und Landephasen wird das eVTOL(electrical Vertical Take-off and Landing, elektrisches senkrecht startendes und landendes Fluggerät) wohl das Niveau des Umgebungslärms erreichen. Damit wäre zumindest einer der Vorbehalte gegenüber der urbanen Mobilität in der dritten Dimension vom Tisch. Auch Lilium gibt auf Nachfrage einen Schalldruckpegel von 43 dB(A) an, der vom Lilium Jet beim Überflug in 1000 Metern Höhe ausgeht. Wird es also ruhiger am Himmel der Zukunft? Nicht unbedingt, denn eigentlich stammt der Lärm von den Propulsoren, also von den Rotoren, Propellern, Fans. "An den Blattspitzen kommt es zu starken Druckschwankungen, die sich unabhängig vom Antriebstyp als Lärm ausbreiten", erläutert Dr. Andreas Strohmayer, zuständig für den Bereich Flugzeugentwurf am Institut für Flugzeugbau der Universität Stuttgart.

Volocopter

Nicht nur eine Motorfrage

Weil es darum geht, eine bestimmte Luftmasse zu bewegen, muss eine kleine Luftschraube schneller drehen, was höhere Umlaufgeschwindigkeiten und damit mehr Lärm zur Folge hat. Wie es leise geht, zeigt das institutseigene Forschungsflugzeug e-Genius: "Das Flugzeug ist dramatisch leise", sagt Strohmayer. Dies gelingt durch einen großen, langsam drehenden Propeller, der wiederum eine besondere Auslegung des Flugzeuges erfordert: Der Antriebsstrang ist in der Spitze des Seitenleitwerks integriert, was nebenbei auch die Umströmung der Zelle sauberer macht. Diese besondere Positionierung lässt sich aber nur mit kompakten elektrischen Antrieben realisieren. Der E-Antrieb bietet also neue Freiheitsgrade für das Design von Fluggeräten, der bloße Austausch eines tradi- tionellen Antriebsstranges schöpfe das Potenzial keineswegs aus, so Strohmayer. "Anordnung und Verteilung von Triebwerken können ganz neu gedacht werden", bestätigen Jan Delfs und Olaf Brodersen vom Institut für Aerodynamik und Strömungslehre des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Wie das aussehen kann, zeigt nicht nur der e-Genius, sondern auch die vielen Projekte mit verteilten Antrieben. Allerdings kann es hier zu Interferenzen kommen, im besten Fall löschen sich die Schallwellen gegenseitig aus, im schlechtesten verstärken sie sich. Was in welchem Flugzustand überwiegt, ist ein Thema für die Abteilung Triebwerksakustik am Berliner DLR-Institut für Antriebstechnik.

DLR

Neue Chancen

Beim Projekt "VIRLWINT" geht es darum, die Schallemission verteilter Antriebe zu modellieren. Die sogenannte Auralisierung macht die akustischen Effekte bereits im Entwicklungsprozess hörbar und damit bewertbar. "Anzahl und Anordnung der Propulsoren beeinflussen die Schallwahrnehmung der verteilten Antriebe", so Stephen Schade vom DLR. Ein weiterer Aspekt: die sogenannte psychoakustische Rauigkeit. Sie beschreibt die Empfindung, die eine Geräuschänderung hervorruft. Die Rauigkeit steigt, wenn sich die Lautstärke in kurzen Zeitabschnitten schnell ändert – etwa durch stark variierende Drehzahlen der Propulsoren. "Wir führen Messungen an ummantelten Fanstufen, offenen Propellern und an Elektromotoren durch. Die Messdaten sollen dann als Eingangsgrößen für virtuelle Überflugsimulatoren und Auralisierungen dienen", so Schade. Die Auralisierung wiederum macht die Werte aus analytischen und numerischen Simulationen hörbar, etwa für psychoakustische Studien. Psychoakustischen Aspekten nimmt sich Susanne Bartels vom Kölner DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin an. Mit Gruppen hörgesunder Probandinnen und Probanden soll der Einfluss "nicht-akustischer Faktoren" untersucht werden, also "welchen Einfluss Erwartungen und Einstellungen gegenüber erwarteten Schallquellen auf die Wahrnehmung der Geräusche hat". Damit ließe sich auch verifizieren, ob die Sensibilität für neue Geräuschsignaturen größer ist als für gewohnte Quellen – ein wesent-licher Aspekt für die Akzeptanz von eVTOLs.

Volocopter

Andere Lärmquellen

Fluggeräte wie der VoloCity manövrieren mittels Drehzahlveränderung ihrer Rotoren – ähnlich wie kleine Multikopter mit nervös-nervigem Geräuschbild. Wird dies bei eVTOLs ähnlich sein? "Nein", sagt Ulrich Schäferlein. "Uns genügen kontinuierliche, leichte Anpassungen der Drehzahlen. Die Frequenzen der 18 baugleichen Rotoren bewegen sich in einem schmalen Band sanft hin und her. Aufgrund der Größe und der Trägheit des Fluggeräts erfolgen die Änderungen deutlich langsamer und sind damit harmonischer als bei kleineren Drohnen." Fest steht: Es gibt reichlich Forschungsbedarf. Die weitgehend bekannten akustischen Wechselwirkungen zwischen Zelle, Tragflächen und Antrieben werden bei neuartigen Auslegungen obsolet. Außerdem: Leisere Antriebe rücken eventuell andere Lärmquellen nach vorne. Zum Beispiel Klappen, Fahrwerke oder unsaubere aerodynamische Details an der Struktur.