Flugzeuge sind in den vergangenen Jahrzehnten dank verbesserter Triebwerke mit höherem Nebenstromverhältnis immer leiser geworden. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft spricht davon, dass der Lärm beim Start in den vergangenen 60 Jahren um 88 Prozent gesenkt werden konnte. Doch Fluglärm ist nach wie vor ein Problem, nicht nur für Flughafen-Anrainer und jene, die in einer Einflugschneise wohnen. Gemäß einer Umfrage des Umweltbundesamts aus dem Jahr 2021 fühlen sich rund 40 Prozent der Bevölkerung durch Fluglärm gestört oder belästigt. Daher lohnt sich ein Blick auf Schallquellen am Flugzeug, die bisher weniger im Fokus standen. Denn neben dem Lärm der Triebwerke, vor allem beim Start, sind Umströmungsgeräusche für die Lautstärke von Flugzeugen verantwortlich. Besonders geräuschvoll sind Luftverwirbelungen an Spalten zwischen ausgefahrenen Landeklappen und Tragflächen sowie an ausgefahrenen Fahrwerken. Das EU-Strategiepapier "Flightpath 2050" setzt das Ziel, die Lärmemissionen von Flugzeugen bis 2050 um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 2000 zu verringern, das entspricht etwa 15 Dezibel. Bis neue, leisere Flugzeuge entwickelt sind und eine relevante Marktdurchdringung aufweisen werden, wird es noch Jahrzehnte dauern. Deshalb könnten Nachrüstsätze für bestehende Jets eine kurz- bis mittelfristige Lösung sein.

Mit seiner A320 ATRA hat das DLR Technologien für leisere Landeanflüge untersucht.
DLR-Flugversuche mit A320 ATRA
Das DLR hat in den vergangenen Jahren verschiedene lärmmindernde Modifikationen entwickelt und getestet, die als Retrofit denkbar sind. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: "Wir konnten den Lärm an einzelnen Quellen wie dem Fahrwerk oder den Landeklappenkanten um bis zu sechs Dezibel senken", so Michael Pott-Pollenske vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Braunschweig. Insgesamt ließe sich das Überfluggeräusch durch Nachrüstmaßnahmen um drei Dezibel reduzieren. "Das entspricht einer wahrgenommenen Lärmreduktion um etwa 30 Prozent für die Menschen am Boden." Das haben detaillierte Auswertungen von früheren Flugversuchen mit dem DLR-Forschungsflugzeug A320 ATRA (Advanced Technology Research Aircraft) nun ergeben. Der ATRA wurde im Rahmen des von 2013 bis 2021 laufenden Projekts LNATRA (Low Noise ATRA) mit insgesamt acht neuen Technologien ausgestattet, darunter Triebwerksauslässe mit speziellen Kantenmustern, poröse Materialien an Landeklappenkanten und eine Teilverkleidung der Fahrwerke. Die Flüge fanden bereits 2018 und 2019 am Flughafen Magdeburg-Cochstedt statt. Um die Überfluggeräusche des modifizierten ATRA zu vermessen, installierten die Forscher auf einer Fläche von 120 x 340 Metern 30 Mikrofone am Boden. Zudem wurden Windkanaltests und Computersimulationen durchgeführt und alles mit Messungen aus Referenzflügen im Mai 2016 ohne Nachrüstungen verglichen. Die Ergebnisse aus Flugversuchen, vorangehenden Windkanaltests und Simulationen stimmen nach Angaben von Projektleiter Pott-Pollenske gut überein. "Das zeigt, dass unsere langjährige Quellforschung zielführend war und die Übertragung auf das reale Flugzeug funktioniert hat."

Der ATRA erhielt im Verlauf des Projekts acht Modifikationen.
Lärmschutz Per Design
Allerdings erhöhen die zusätzlichen Verkleidungen und Materialen das Flugzeuggewicht – und damit den Treibstoffverbrauch und CO2-Ausstoß. "Dieser Effekt lässt sich jedoch durch aerodynamische Maßnahmen ausgleichen", sagt Pott-Pollenske. Ein Beispiel seien Technologien zur Laminarhaltung, die den Luftwiderstand reduzieren. Die Forschung zur Lärmminderung geht jedenfalls weiter, unter andrem im laufenden DLR-Projekt LU(FT)2 2030 (Leises Umwelt-Freundliches Transportflugzeug durch Fortschrittliche Techno-logiesimulation für 2030). Es baut auf LNATRA und dem Nachfolgeprojekt SIAM (Schall-Immissions-Armes Mittelstreckenflugzeug) auf. Ziel ist es unter anderem, mithilfe von Simulationen Lärmminderungsmaßnahmen schneller und kostengünstiger zu entwickeln. "Durch die kontinuierliche Verbesserung unserer Simulationen können wir zukünftig leise Flugzeuge digital am Computer entwerfen", so Pott-Pollenske. Damit könnte Lärmschutz von Anfang an beim Flugzeugdesign berücksichtigt werden. Vor mehr als 20 Jahren hat das DLR übrigens schon einmal eine erfolgreiche Nachrüstlösung zur Lärmminderung an der A320 mitentwickelt: einen kleinen Wirbelgenerator, der Geräusche an den Tankdruckausgleichsöffnungen unter der Tragfläche verringert.